Angenommen, Sie könnten sich selbst heute ein Geschenk machen. Wofür wäre das gut?
Im Kontext von Resilienz gehen wir vor allem der Frage nach, wie es Menschen schaffen, Probleme zu lösen, Stress zu bewältigen und Krisen – oft im wahrsten Sinne des Wortes – zu überleben und „trotzdem Ja zum Leben“ (nach Viktor E. Frankl) zu sagen. Dafür spielt die Beschäftigung mit der physischen und psychischen Gesundheit eine zentrale Rolle und die Frage, was getan werden kann, um das körperliche, mentale und seelische Immunsystem zu stärken.
Das WOFÜR öffnet automatisch einen Raum für neue Lösungsmöglichkeiten. Es gibt einen Anstoß für die Suche nach Sinnhaftigkeit, motiviert uns, Ziele zu erreichen und schenkt neue Zuversicht für die Zukunft.
Wie wäre es, wenn Sie sich also – anstatt um das Warum – einmal mehr um Ihr „Wofür sorgen“ würden? Was wäre dann anders?
Warum beschäftigen wir uns mit WOFÜRSORGE?
Im Modell der Salutogenese von Aaron Antonovsky ist das Kohärenzgefühl ein Schlüsselkonzept für die Entstehung von Gesundheit. Neben der Verstehbarkeit (warum) und der Handhabbarkeit (was und wie) ist vor allem die Sinnhaftigkeit – und die Frage, wofür wir etwas tun, zentral für eine starke Resilienz!
Auf der Seite der sysTelios-Klinik ist uns deshalb der Hinweis zur „WOFÜRSORGE“ besonders ins Auge gefallen. Ein Begriff, den wir sehr gerne im Kontext von Resilienz beleuchten und entsprechende Aufmerksamkeit schenken möchten – mit großem Dank an Dr. Gunther Schmidt (Geschäftsführer der sysTelios).
Sie können sich an dieser Stelle ja auch schon einmal fragen: Wie gehen Sie in Resonanz mit dem Begriff der „Wofürsorge“ und welche Assoziationen haben Sie?
Wortschöpfung – Dr. Gunther Schmidt
Dr. Gunther Schmidt ist Facharzt für psychosomatische und Psychotherapie, Leiter des Meihei (Milton-Erickson-Institut Heidelberg), ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der sysTelios-Privatklinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung in Siedelsbrunn.
„In hypnosystemischer Herangehensweise verbinden wir lösungsorientierte systemische Therapiekonzepte und Modelle der kompetenzaktivierenden Hypnotherapie mit tiefenpsychologisch fundierten und verhaltenstherapeutisch ergänzenden Verfahren.“ – sysTelios-Klinik
Dr. Gunther Schmidt gilt international als einer der maßgeblichen Pioniere in der Entwicklung einer Integration systemischer (auch familientherapeutischer) Modelle und der kompetenzfokussierenden Konzepte Erickson’scher Hypnotherapie zu einem ganzheitlich-lösungsfokussierenden Konzept für Beratung und Psychotherapie. Die von ihm entwickelten hypnosystemischen Modelle für Organisationsberatung, Team- und Gruppenarbeit und Coaching tragen wesentlich zu einem intensivierten, ressourcenorientierten Beratungsverständnis bei und sind auch in den Ausbildungen der Resilienz-Akademie in den Lehreinheiten integriert.
In der sysTelios-Klinik werden Personen durch ein therapeutisches Angebot fachärztlich geleitet und unterstützt mit „vielfältigen hypnosystemischen Impulsen zur Selbstfürsorge. Im Fokus steht dabei immer eine zieldienliche und nachhaltig wirksame Aktivierung schlummernder Kompetenzen und Ressourcen.“ Die Klientinnen und Klienten werden dazu eingeladen, die „entwickelten selbstfürsorglichen Prozesse im Heimatkontext fortzuführen und zu pflegen“, sodass ein gesunder Umgang mit sich selbst und anderen hergestellt wird.
Was kann WOFÜRSORGE bedeuten?
Für mehr Selbstfürsorge
Angelehnt an die Beschreibung der sysTelios-Klinik kann die „Wofürsorge“ also für mehr Selbstfürsorge stehen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie genau Sie sich eigentlich um sich selbst sorgen? Und welchen Unterschied bemerken Sie mit und ohne Stress oder vor, während und nach einer Krise?
Die Sorge um andere
Das Wort „Sorge“ stammt ursprünglich aus dem Althochdeutschen „sorga“; germanisch „surgō“ und ist verbunden mit der Bedeutung des „Kümmerns“ oder „sich kümmern um“. Seit dem 8. Jahrhundert ist das Wort belegt und hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Laut Duden (abger. 12/2023) wird der „Sorge“ zwei Bedeutungen zugeschrieben: Zum einen kann sie sich auf ein „bedrückendes Gefühl der Unruhe und Angst“ beziehen, das durch eine „unangenehme, schwierige, gefahrvolle Situation hervorgerufen“ wird. Dabei nehmen wir in unserer subjektiven Wahrnehmung eine Gefahr gedanklich vorweg, was sich wiederum auf unsere Emotionen, unser Denken und Handeln auswirkt.
Zum anderen bezieht sich „Sorge“ auch auf die „Fürsorge“ und das „Bemühen, um das Wohlergehen“ einer anderen Person, einer Personengruppe oder eines anderen Lebewesens. Beispielsweise sorgen wir uns um Menschen, die in Not sind, um unser Patenkind oder das Haustier etc. Fürsorglich zu sein bedeutet auch immer, ein Stück Verantwortung zu tragen für den Menschen oder das Lebewesen, das einem anvertraut wurde und sich entsprechend um das zukünftige Wohlbefinden zu kümmern.
Die Sorge um sich selbst
Die Selbstfürsorge ist quasi noch das I-Tüpfelchen – oder sollte sie nicht vielmehr allen voran sein und als Erstes benannt werden? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Selbstfürsorge folgendermaßen:
“Self-care is the ability of individuals, families and communities to promote their own health, prevent disease, maintain health, and to cope with illness and disability with or without the support of a health worker.“ – WHO 2022
Das bedeutet, es geht vor allem um die Fähigkeit, die eigene Gesundheit zu fördern und aufrechtzuerhalten – mit oder ohne Unterstützung medizinischen Fachpersonals. Wir fassen den Begriff der Selbstfürsorge im Allgemeinverständnis etwas weiter und schließen hier die Wahrnehmung der persönlichen Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen mit ein. Es braucht dauch hier den Aspekt der Verantwortungsübernahme. Verantwortung für die eigene Gesundheit zu tragen.
Sowohl als auch
Ein nicht unerhebliches Missverständnis, das oft bis ins hohe Alter in uns schlummert, ist die Annahme, dass Selbstfürsorge etwas mit Egoismus oder Eigennutz zu tun habe. Bestenfalls sollte hierzu schon in der Schule Aufklärungsarbeit geleistet werden, um die Selbstfürsorge in ihrer Bedeutung zu würdigen und für einen gesunden Umgang mit Problemen, Stress und Krisen zu sensibilisieren. Denn Fakt ist, dass Selbstfürsorge nichts mit Egozentrik oder Selbstoptimierung zu tun hat– noch schöner, leistungsfähiger, effizienter zu werden. Vielmehr geht es um die Wiederherstellung des „Selbstmitgefühls“ und einen guten Zugang zu sich selbst zu finden, um wieder Kraft für andere Aufgaben zu schöpfen.
„Denn wer für andere da sein will, sollte sich auch selbst auf den fürsorglichen Weg machen.“ – sysTelios Klinik
Kontext Stress und Krisen
Eigentlich wissen wir als Erwachsene alle, dass wir (sowohl im beruflichen als auch privaten Kontext) erst dann für andere Menschen eine Unterstützung sein können, wenn auch unser eigener Akku gut geladen ist und wir uns Zeit für uns nehmen. Ja, eigentlich. Denn oft ist die große Frage: Wie? Denn die Realität sieht oft anders aus. Stressoren wie Zeitdruck, Schmerzen, hohe Erwartungshaltungen und innere Antreiber (zum Beispiel „Mach es allen recht!“ oder „Sei stark!“) führen nicht selten dazu, dass wir uns in einem Stresskreislauf wiederfinden, in dem so etwas wie „Selbstfürsorge“ fast schon wie ein Fremdwort klingt. Wir vergessen sie schlichtweg oder ignorieren sie bewusst oder unbewusst.
Gerade wenn viel Stress über einen langen Zeitraum haben oder uns mitten in einer schweren Krise befinden, kann es sein, dass wir regelrecht unter „Kompetenzamnesie“ leiden, wie es Dr. Gunther Schmidt beschreibt. Wir vergessen dann unsere Ressourcen und es fällt uns schwer, auf unsere Fähigkeiten und Kompetenzen zuzugreifen. Punktuell ist das auch nicht gleich ein Problem – schwierig und auch gefährlich wird es, wenn wir keine Lösung finden, dieser Zustand chronisch wird und sich die Auswirkungen auf körperlicher, mentaler und seelischer Ebene bemerkbar machen.
Aus diesem Grund ist es so wertvoll, professionelle Unterstützung anzunehmen und sich ein Stück dabei begleiten zu lassen, die persönlichen Ressourcen wieder zu entdecken, Bedürfnisse wahrzunehmen und Stressdynamiken besser zu verstehen. Im Rahmen einer Therapie oder eines Coachings ist das Thema der Selbstfürsorge in der Regel sehr zentral. Denn hier liegt der Schlüssel für einen funktionaleren Umgang mit Stress und einer guten Balance aus Regulation und Adaptation.
Für mehr Sinnerleben
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass das „Wofür“ für die Suche nach Sinnhaftigkeit im Leben steht. Wenn Menschen wissen, wofür sie etwas tun, sind sie laut der internationalen Sinnforschung auch eher dazu bereit, sich mehr um ihre Gesundheit auf ganzheitlicher Ebene zu kümmern. Wenn eine Person zum Beispiel mit einer schweren Krankheit konfrontiert wird, kann eine höhere Sinnerfüllung (wie der Kontakt zu den Enkelkindern, soziales Engagement oder die Erfüllung im Beruf) dazu führen, dass die Person eher Arzttermine wahrnimmt, regelmäßig Medikamente einnimmt oder die Ernährung langfristig umstellt etc.
Der Antrieb für eine Sache oder die Liebe zu einer Person (nach Viktor E. Frankl), wirkt sich entsprechend positiv auf die Gesundheitswerte aus. Wenn wir unser Handeln als emotional sinnvoll und lohnenswert erachten, investieren wir auch mehr Energie für die Bewältigung von Herausforderungen und unsere Motivation steigt. Das „Wofür“ ist entsprechend immer auch lösungsorientiert und zukunftsgerichtet – im Gegensatz zum „Warum“, das sich auf die Reflexion der Vergangenheit bezieht.
Wie stärkt die WOFÜRSORGE unsere Resilienz?
Schauen Sie einmal kurz auf die letzten Wochen zurück. Worauf haben Sie eher Ihre Aufmerksamkeit gerichtet – auf die Anteile, die Sie krank machen oder eher darauf, gesunde Anteile zu „vermehren“? Wenn Sie Ihre Resilienz stärken möchten, empfehlen wir Ihnen Letzteres. ;-)
Salutogenese
In dem Modell der Salutogenese, das von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky entwickelt wurde, wird Gesundheit als dynamischer Prozess verstanden, da sich der Mensch ständig zwischen den Polen der Genesung und Erkrankung hin und herbewegt. Die Frage ist nur, wohin er/sie gerade mehr tendiert. Dadurch, dass wir ständig unterschiedlichsten Einflüssen ausgesetzt sind und Schutz- sowie Risikofaktoren in Wechselwirkung auf unser Wohlbefinden einwirken, ist Gesundheit kein fixer Zustand. Vielmehr geht es darum, die Schutzfaktoren wahrzunehmen und gezielt so zu stärken, dass diese überwiegen. Dieses „Weg von“ (potentieller) Krankheit – „Hin zu“ gesundheitsfördernden Aspekten führt bereits dazu, dass eine Person aus der „selbst-mitleidenden“ Rolle heraustritt und mehr in das Selbstwirksamkeitserleben kommt.
Das Modell von Antonovsky spielt deshalb eine zentrale Rolle im Resilienz Coaching und Training und ist fester Bestandteil der Ausbildungen in der Resilienz-Akademie. Der Fokus richtet sich auf die stärkenden Aspekte – im Gegensatz zu pathogenetischen Ansätzen, die sich auf die Ursachen und Behebung von Krankheiten konzentrieren.
Kohärenz – Von dem Warum zum Wofür
Ein zentraler Bestandteil des Salutogenesekonzepts ist nach Antonovsky der „Kohreänzsinn“. Kohärenz (lat. cohaerere zusammenhängen) meint das „Gefühl von Stimmigkeit“ und die Wahrnehmung einer Person, dass das Leben verständlich, handhabbar und sinnvoll ist. Ein gestörter Kohärenzsinn kann sich zum Beispiel darin zeigen, dass ein Mensch das Gefühl hat, keinen Platz in dieser Welt zu haben und es ihr/ihm an Orientierung und Sinn im Leben fehlt.
Ziel ist es, Krisen und Leiderleben ernst zu nehmen und Raum zu geben– und dann den Blick auf die Lösungen und jene Faktoren zu richten, die das Vertrauen ins Leben wieder stärken. Die Kohärenzfaktoren helfen hierbei sehr gut und führen eine Person automatisch von dem „Warum“ zum „Wozu/Wofür“:
Verstehbarkeit (Comprehensibility) | Menschen mit einem hohen Kohärenzsinn sind dazu fähig, die Geschehnisse im Leben zu verstehen und zu strukturieren. Sie können kognitiv das Leben analysieren und Zusammenhänge von Geschehnissen herstellen. Hier wird dem „Warum“ nachgegangen. Ein Beispiel wären Fragen, wie: Warum ist es zu dieser Zuspitzung gekommen? Welche Faktoren führen dazu, dass ich das Gefühl habe, keine Zeit für Selbstfürsorge zu haben? |
Handhabbarkeit/ Machbarkeit (Manageability) | Menschen mit einem hohen Kohärenzsinn haben das Vertrauen, dass Ressourcen vorhanden sind, um Herausforderungen zu bewältigen. Sie wissen, dass sie durch ihr Fühlen, Denken und Handeln Einfluss nehmen und Probleme lösen können. Durch die Handhabbarkeit wird unmittelbar die Wirksamkeit gestärkt und der Frage nach dem „Was“ und „Wie“ nachgegangen. Beispielsweise könnte hier reflektiert werden: Was kann ich konkret tun, um mehr Zeit für Selbstfürsorge zu haben? Wie kann ich meine vorhandenen Ressourcen (Kenntnisse, Fähigkeiten, soziales Netzwerk etc.) dafür nutzen? |
Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit (Meaningfulness) | Ein starker Kohärenzsinn impliziert, dass Menschen einen Sinn in den verschiedenen Aspekten ihres Lebens suchen, erkennen und dieser Sinn sie motiviert, Schwierigkeiten zu bewältigen. Durch das Gefühl, mehr Sinn zu erleben und Sinnhaftes zu tun, erhalten Menschen Kraft, sich mit den Herausforderungen des Lebens auseinanderzusetzen und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Die Sinnhaftigkeit steht wie gesagt mit dem „Wofür“ in Verbindung. Der Blick wird defokussiert und neue Möglichkeitsräume sichtbar. Fragen könnten hier sein: Wofür lohnt es sich, mehr Zeit für Selbstfürsorge einzuräumen? Wofür war mein Zusammenbruch vielleicht hilfreich – worauf möchte er mich hinweisen? Wohin führt mich mein Weg in 1, 10, 100 Jahren, wenn ich mehr auf meine Gesundheit achte? |
TIPPS für mehr WOFÜRSORGE im Leben
Abschließend möchten wir Ihnen gerne ein paar Ideen noch mit auf den Weg geben, die Ihnen dabei helfen können, Ihr persönliches „WOFÜR“ zu entdecken.
Achtsamkeit
Praktizieren Sie Achtsamkeit, in dem Sie bewusst Ihre Aufmerksamkeit auf Ihr Fühlen, Denken und Handeln in dem jeweiligen Moment richten. Ein Trick ist, bereits bestehende Gewohnheiten zu verlangsamen und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Neue Dinge zu etablieren fällt uns, gerade unter viel Stress, oft sehr schwer. Doch morgendliche Rituale, wie der Weg zur S-Bahn, die Tasse Kaffee oder das Eincremen im Bad, lassen sich wunderbar mit Achtsamkeitstechniken kombinieren. Sinnesübungen oder eine ruhige Atmung tragen zur Stressreduktion bei und sorgen für einen fokussierten Start in den Tag.
Selbstmitgefühl und Intuitionstraining
Selbstfürsorge hat, wie erwähnt, nichts mit Eigennutz oder Selbstoptimierung zu tun. Es geht vielmehr um die Hinwendung zu unserem authentischen Selbst. Weg von ständigem Selbstoptimierungswahn – hin zu mehr Selbstmitgefühl und den Faktoren, die uns in Kontakt mit unserem körperlichen, mentalen und seelischen Wohlbefinden bringen. Besonders im Kontext der seelischen Resilienz spielt der Aspekt, zurück zu sich selbst zu finden und in Verbindung zu treten, eine wichtige Rolle. Gerade in schweren Krisen ist es wichtig, dass wir uns selbst mitfühlend begegnen, loslassen und auf die Ressourcen vertrauen, die bereits da sind und uns durch die Krise tragen.
Um die seelische Resilienz zu stärken und den Zugang zu sich selbst zu verbessern, bietet sich Intuitionstraining an. Mit kleinen Übungen kann erforscht und geprüft werden, was die Seele gerade braucht und wonach sie sich in Zukunft sehnt. Intuitionstraining hilft dabei, auf natürliche Weise zu spüren, wann das System Ruhe und Regeneration braucht und wann es auch wieder Zeit ist, aufzustehen und „für andere“ da sein zu können.
Suche nach Sinnhaftigkeit
Wie erwähnt steht die Suche nach Sinnhaftigkeit im Mittelpunkt, wenn das „Wofür“ gesucht wird. Wichtig: Es muss dabei nicht direkt um „den großen Sinn des Lebens“ gehen. Die japanische Lebensphilosophie Ikigai gibt zum Beispiel schöne Impulse, um den Blick auf die kleinen Dinge im Alltag zu richten, die das „Leben lebenswert machen“ und Grund geben, am nächsten Morgen wieder aufzustehen. (Vgl. Tonn 2023).
Vor allem erfahren wir Sinnhaftigkeit, wenn wir wissen, wofür wir etwas tun und unsere Ziele in Einklang mit unseren Werten und Bedürfnissen stehen. Richten Sie Ihren Blick deshalb auf Ihre Werte, die Ihnen wirklich wichtig sind. Sie können hierzu auch in unterschiedlichen Kontexten denken: Welche Werte erkennen Sie in Ihrem Arbeitskontext und welche Werte leben Sie in Ihrem privaten Kontext? Wie stehen die Werte in Verbindung mit Ihren Bedürfnissen? Was können Sie tun, um in Zukunft mehr nach Ihren Werten (beispielsweise für mehr Vertrauen, Leichtigkeit oder Wertschätzung) zu leben?
Austausch und Unterstützung
Bindung ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen und gehört zu den zentralen Resilienzfaktoren. Versuchen Sie sich Zeit für Austausch zu nehmen. Teilen Sie Ihre Gedanken, Erfahrungen und Sehnsuchtsziele mit anderen. Das kann im privaten Kontext passieren oder wie erwähnt auch im Rahmen einer Therapie oder eines Coachings. Hier gibt es Raum und einen geschützten Rahmen, um Sorgen auszusprechen, Gedanken zu ordnen und neu zu sortieren.
Ziele und Visionen
Versuchen Sie, nur rein experimentell, sich kurz frei zu machen von „starren“ Zielvorgaben – ein Ziel müsse immer spezifisch, messbar, konkret, anwendbar etc. sein. Zielformulierungen, die bestimmte Kriterien erfüllen, können kontextabhängig durchaus eine Unterstützung sein. Für das „Wofür“ lohnt es sich aber einmal mehr loszulassen und Freiheit im Denken zuzulassen. Ein Ziel kann sich auf die nächsten 3 Minuten, 3 Stunden, 3 Tage, 3 Wochen, Monate oder Jahre beziehen. Ganz egal – es können berufliche, persönliche oder gesundheitsbezogene Ziele sein, die unterschiedliche Gründe und Wünsche in sich tragen. Gehen Sie einmal mehr auf Spurensuche. Sie werden merken, dass schon hinter kleinsten Tätigkeiten, ein großes „Wofür“ stecken kann! Wenn Sie einmal näher hinsehen, wird ihnen (möglicherweise) jede Zielformulierung leichter von der Hand gehen.
Darüber hinaus bietet sich die Arbeit mit infiniten Zielen und Visionen an! Unter finiten Zielen verstehen wir Ziele, die einen Endpunkt haben, wie ein Projekt, das in einem Monat abgeschlossen sein muss. Ein infinites Ziel hingegen ist ein Ziel ohne Endpunkt. Das bedeutet, es hat auch kein konkretes Ergebnis und wir erhalten nicht unbedingt eine Rückmeldung darauf. Hierzu zählen beispielsweise generative Handlungen oder soziales Engagement. Ein infinites Ziel kann die Hilfe für Menschen in Not sein oder die Vision, ein Refugium aufzubauen, in dem Menschen zusammenkommen und Heilung erfahren. Vor allem geht es darum, den Blick zu defokussieren – weit zu machen und mit Gedanken zu spielen, die einen träumen lassen und von innen heraus zu etwas Größerem antreiben.
Finden Sie dafür ruhig kreative Wege, um Ihre Gedanken für sich persönlich auszudrücken. Hier gibt es kein richtig oder falsch oder irgendwelche Begrenzungen. Jede Art von Kreativität fördert die Inspiration und Flow-Erlebnisse, durch die wir auf neue Ideen kommen.
Das Land der Träume
Ein ausgeruhter Geist ist besser in der Lage, mit Herausforderungen konstruktiv umzugehen. Schlaf spielt eine entscheidende Rolle beim Abbau von Stress und dient als Zeit der Regeneration und Erholung. Ein gesunder Schlaf kann unterstützt werden zum Beispiel durch regelmäßige Schlafenszeiten, Begrenzung von Koffein und Bildschirmzeit oder der Kultivierung von Entspannungsritualen vor dem Schlafengehen.
Und unterschätzen Sie für ein starkes WOFÜR nie das Land der Träume! Träume können eine natürliche Form der Verarbeitung von Stress sein und uns auf wichtige Bedürfnisse hinweisen. In Träumen werden Gefühle und Erfahrungen reflektiert und emotionale Eindrücke verarbeitet. Dazu können Träume Symbole und Metaphern enthalten, die tiefergehende Bedeutungen haben. In Träumen werden auch unbewusste Wünsche oder Lösungen für Probleme sichtbar. Dann, wenn unser System Ruhe findet. Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, resilienter gegenüber Herausforderungen zu werden und Visionen für die Zukunft zu gestalten.
Fokuszeiten der Stille
Gerade durch die fortschreitende Digitalisierung sind wir einer wahnsinnigen Reiz- und Informationsflut täglich ausgesetzt und uns wird vermittelt, dass Multitasking Erfolg verspreche. Dabei ist es das Gegenteil. Unser Gehirn liebt die Stille und findet durch so genanntes „Single-Tasking“ zu neuen Lösungen. Ständige Unterbrechungen und Ablenkungen führen nachweislich zu mehr Energieverbrauch und mehr dysfunktionalem Stress. Um sich also dem „WOFÜR“ zu nähern, kann es hilfreich sein, bewusste Fokuszeiten der Stille einzuräumen und Abstand von digitalen Geräten zu nehmen. Nutzen Sie Entspannungstechniken wie Meditation und Atemübungen, um Geist und Seele Ruhe zu schenken. Natürlich lädt auch das Jahresende zur inneren Einkehr und Besinnung ein. Nutzen Sie diese Momente und lassen Sie sich überraschen, welche Erkenntnisse sich zeigen.
Ein Geschenk
Machen Sie anderen und sich selbst ein Geschenk. Wem können Sie gerade die Hand reichen? Für wen können Sie etwas Gutes tun? Die Hilfe für andere wirkt sich nachweislich positiv auf unser Sinnerleben und die seelische Gesundheit aus.
Gönnen Sie sich dazu selbst kleine Freuden als Anerkennung für Ihre Bemühungen und zur Aufmunterung. Suchen Sie nach Dingen, die für Sie persönlich sinnvoll und erfüllend sind. Hier geht es nicht um Konsum, sondern um die Aspekte, die Ihnen ein kleines (großes) Lächeln auf Ihr Gesicht zaubern und Ihre Augen zum Funkeln bringen. Das kann ein Zitat sein, das plötzlich wieder auftaucht, eine Lieblingsplaylist, die Ihre Seele berührt oder ein guter Podcast, der sie inspiriert und Raum zum Denken schenkt.
…Und ein letzter Tipp: Seien Sie sich selbst ein Geschenk. Richten Sie Ihren Blick auf die vielen Ressourcen, Kompetenzen und Begabungen, die Sie haben – die Ihnen in diesem Leben geschenkt wurden und die Sie Tag täglich weiterentwickeln. Was wäre, wenn auch Sie das „WOFÜR“ für einen anderen Menschen sein können und bereits schon sind? Schenken Sie sich einen Moment der Dankbarkeit für all´ die Dinge, die Sie bis heute schon bewältigt haben.
„Jeder Mensch ist resilient und der Beweis, dass sie / er bisher stärker war als das Leben!“ Dr. Gunther Schmidt
Quellen:
- sysTelios Gesundheitszentrum Siedelsbrunn GmbH & Co. KG: www.systelios.de/klinik/infobox/wofuersorge
- Weltgesundheitsorganisation (WHO): Self-care interventions for health (2022): Self-care interventions for health (who.int)
- Bilder: www.depositphotos.com: Beige satin bow@Baks, Snow Shoeing into the Sunset @karenfoleyphotography, Flying Snowflake Joyful@OlyPhotoStories, Glitter vintage lights background-focused@tomert, A boy snow@alenka2194.
Christina Comnick, M.A. Management–Education–Diversity (Sozial- und Gesundheitsmanagement), ist Kooperationspartnerin der Resilienz Akademie und Expertin für „Seelische Resilienz“. Gemeinsam mit Sebastian Mauritz entwickelt sie das Konzept und leitet die dazugehörige Fortbildung. Sie ist Resilienz-Trainerin & Coachin, Antigewalt- und Kompetenztrainerin und setzt sich seit ca. 15 Jahren für die Prävention seelischer Gesundheit und Krisenintervention ein. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen: Sinn, Spiritualität, Intuition, Emotionsregulation und Deeskalation. (www.christinacomnick.de)
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).