Kennen Sie diese kleine Stimme, die Sie dazu bringt, sich immer bei allem zu beeilen, 120% zu geben oder zu allen Ja sagen zu müssen? Dann sind Sie nicht allein. Jeder Mensch folgt einem solchen Leitgedanken, der sich unter Stress sogar noch verstärkt. Die Rede ist hierbei von den inneren Antreibern. Sie sind Persönlichkeitseigenschaften, die maßgeblich über unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen.
Innere Antreiber zeigen sich deutlich bei Stress und führen zu kritischem Arbeitsverhalten, wobei sie manchmal auch erst der Auslöser für Stress sein können. Seine eigenen Antreiber zu erkennen und sie zu deaktivieren führt zu einem höheren Wohlbefinden und einem stressfreieren Leben. Hier lesen Sie, was die inneren Antreiber sind und wie Sie resilient mit ihnen umgehen.
Was sind die inneren Antreiber?
Innere Antreiber beruhen auf Glaubenssätzen, die wir teilweise so stark verinnerlicht haben, dass sie uns nicht bewusst sind, wenn sie auf uns einwirken. Der Begriff beschreibt sehr treffend, was diese Glaubenssätze machen: Sie treiben uns von innen heraus an und bestimmen unsere Verhaltensweisen.
Von der Theorie in den Alltag
Das Modell der inneren Antreiber ist Teil der Transaktionsanalyse (TA), die in den 1950er und 60er Jahren von Eric Berne und Thomas Harris begründet wurde. Bei der TA ging es ursprünglich um die Erforschung psychischer Krankheiten und Störungen in Kommunikation und Kooperation. Es geht also darum die inneren Haltungen und Einstellungen von Menschen (benannt als „Scripte“) bezogen auf die Handlungen im Umgang miteinander (die sogenannten „Transaktionen“) zu analysieren.
Taibi Kahler entwickelte 1977 in Anschluss an die Transaktionsanalyse das Modell der inneren Antreiber. Seine Verhaltensbeobachtungen zeigten, dass Menschen bestimmte Verhaltensgewohnheiten gemeinsam haben und zu manchen eher neigen als zu anderen. Er fasste diese Verhaltensweisen in fünf Typologien zusammen – die inneren Antreiber.
In der Theorie mag das abstrakt klingen, im Alltag zeigen sich diese Verhaltensweisen meist deutlich, nur, dass wir sie anderes benennen. Vielleicht kennen Sie einen richtigen „Strahlemann“ im Freundeskreis, die ewige „Perfektionistin“ im Team oder den „Hektiker“ im Büro. Diese zugeschriebenen Typen beruhen auf den jeweiligen inneren Antreibern, die am stärksten ausgeprägt sind und sich demnach auch so deutlich anderen gegenüber zeigen.
Die fünf inneren Antreiber
Das sind die fünf inneren Antreiber:
Nach Kahler besitzt jeder Mensch alle Antreiber. Jedoch ist meist einer von ihnen besonders oft aktiv oder sehr stark ausgeprägt. Das ist dann der „Primärantreiber“. Dabei sind wir nicht dauerhaft angetrieben, vielmehr zeigt sich der stärkste Antreiber in stressigen Situationen oder im Zusammenhang mit anderen Menschen.
Der Ursprung, welcher Antreiber sich besonders entwickelt, liegt meist in der Kindheit. Wir erlernen schon früh bestimmte Verhaltensweisen und verinnerlichen Glaubenssätze. Zum Beispiel entwickelt jemand, der in der Kindheit oft „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, „Gefühle zeigen ist eine Schwäche“ oder „Nur die Harten kommen in den Garten“ gehört hat, sehr wahrscheinlichen einen besonders aktiven „Sei stark!“-Antreiber.
Wie uns die inneren Antreiber stressen
Im Grunde genommen steht hinter jedem inneren Antreiber eine positive Eigenschaft. Harmoniebedürfnis, Fleiß, Perfektion, Mühe und Eile sind eigentlich Persönlichkeitseigenschaften, die im Job oder in der Zusammenarbeit mit anderen viele Vorteile mit sich bringen. Doch bei den Antreibern gilt: Die Dosis macht das Gift. Zu viel von einem dieser Antreiber verursacht Stress. Die Krux dabei ist, dass Stress den stärksten inneren Antreiber quasi befeuert und wir so in eine Abwärtsspirale treiben, die im schlimmsten Fall im Burn-out endet.
Innere Antreiber und Bedürfnisse
Die inneren Antreiber stehen in enger Verbindung zu unseren Bedürfnissen. Kahler beschreibt, dass sich die Antreiber durch die Motivation ausprägen, die Grundbedürfnisse zu erfüllen. Zu diesen Bedürfnissen gehört unter anderem Selbstbestimmung und Autonomie, Bindung und Anerkennung, Selbstschutz, Leistungsstreben, Unlustvermeidung und Wohlbefinden.
Wir lernen, dass diese Bedürfnisse durch bestimmte Verhaltensweisen erfüllt werden und übernehmen dieses Verhalten dann als automatisches Reaktionsmuster, wenn das Bedürfnis nicht erfüllt wird. Zum Beispiel befriedigt der Antreiber „Sei perfekt“ unser Bedürfnis nach Leistung und Anerkennung.
Unsere Antreiber werden dann aktiviert, wenn ein wichtiges Bedürfnis nicht erfüllt wird. Unsere Antwort darauf ist dann die automatische Reaktion mit dem erlernten Verhaltensmuster. Das Verhalten wird dann gar nicht erst hinterfragt und reflektiert, sondern einfach abgespult. Das führt dazu, dass es oft nicht angepasst auf die Situation ist und sie dementsprechend auch nicht löst.
Ein Beispiel: Für Tim ist gerade besonders viel zu tun. Der Stress und das Bedürfnis nach Leistung und Kompetenz aktivieren seinen inneren Antreiber „Mach schnell“. Das heißt, er legt einen Zahn zu bei der Arbeit. Dadurch passieren jedoch mehr Fehler, die er korrigieren muss und die Arbeit staut sich so noch weiter auf. Anstatt eine andere Herangehensweise zu versuchen, folgt Tim der Stimme des Antreibers, ganz nach dem Motto „Viel hilft viel“ und erhöht erneut das Tempo. Stress ist vorprogrammiert, denn der Antreiber suggeriert Tim, dass es erst wieder in Ordnung wird, wenn er möglichst schnell alles erledigt.
Die Vor- und Nachteile von Antreibern bei der Arbeit
Besonders in Arbeitssituationen zeigen sich die inneren Antreiber deutlich. Das muss nicht immer schlecht sein oder mit Stress enden. Denn die Eigenschaften der Antreiber sind im Grunde genommen wertvoll und nützlich. Unter Stress werden sie jedoch verschärft und rufen dadurch nur weiteren Stress hervor. Wir glauben, dass die Verhaltensweise des Antreibers zur Bewältigung der Situation beiträgt, setzen uns dabei aber nur weiter unter Druck. Der Psychotherapeut Gert Kaluza nennt die Antreiber deshalb auch „persönliche Stressverschärfer“.
Die Tabelle zeigt Ihnen, welche positiven Eigenschaften die inneren Antreiber fördern, und was passiert bei zu viel Antrieb.
Antreiber | Vorteile im Arbeitsverhalten | Nachteile im Arbeitsverhalten |
Sei stark | Autorität, hohes Durchhaltevermögen, hohe Belastbarkeit | Keine Hilfe annehmen, keine Gefühle zulassen, misstrauisch und Einzelkämpfer |
Sei perfekt | Blick für Details, hohe Arbeitsqualität, hohe Planungskompetenz | Langsames Arbeiten, hoher Informationsbedarf, Verzettelung in Nebensächlichkeiten |
Mach es allen recht | Hohe Empathie, gute Teamworkfähigkeiten, Harmoniesuchend | Geringe Kritikfähigkeit, Voreilige Zustimmung, Sorgen um andere und vernachlässigen eigener Bedürfnisse |
Streng Dich an | Begeisterungsfähig, engagiertes Arbeiten, Streben nach Verbesserung, hohe Kreativität | Schnelle Überforderung, geringes Durchhaltevermögen, Übertreten der geistigen und körperlichen Grenzen |
Mach schnell | Schnelles Arbeiten, hohe Entscheidungsfreudigkeit | Hohes Redetempo und Unterbrechung anderer, geringe Arbeitsqualität, unvorbereitetes Handeln, geringe Übersicht |
Stress durch innere Antreiber lösen
Innere Antreiber werden also vor allem durch stressige Situationen ausgelöst und verursachen darüber hinaus noch weiteren Stress. Es scheint ein Teufelskreis zu sein, aus dem Sie jedoch ausbrechen können.
Teil der Resilienz ist es, Stress selbst herunter zu regulieren und hier lesen Sie, wie Sie resilient mit Ihren persönlichen Antreibern umgehen können.
Aktive Antreiber wahrnehmen
Der erste Schritt Stress selbstständig zu regulieren ist, in erst einmal wahrzunehmen. Hierfür ist die Selbstwahrnehmung eine wichtige Fähigkeit. Bei der Selbstwahrnehmung geht es zum einen darum einen guten Kontakt zum Körper aufzubauen. Stress hat deutliche Auswirkungen auf den Körper und diese lassen sich mit einer trainierten Wahrnehmung leicht erkennen.
Ein wertvoller Tipp, der einfach im Alltag umzusetzen ist, ist die One-Minute Meditation. Nehmen Sie sich 60 Sekunden Zeit, in der Sie einfach nichts tun, außer Atmen. Das hat sich evolutionstechnisch schließlich ziemlich bewährt.
Diese Ruhepause wird Ihnen helfen, sich mehr auf den Körper zu konzentrieren. Spüren Sie vielleicht Anspannungen im Körper, rasen Ihre Gedanken oder atmen Sie schneller als gewohnt? Das sind Anzeichen für Stress.
Der nächste Schritt der Selbstwahrnehmung ist zu überprüfen, welches Bedürfnis Sie gerade erfüllen wollen. Dazu gehen Sie Ihrer Motivation auf den Grund. Welches Ziel wollen Sie mit Ihrem Verhalten gerade erreichen und was bedeutet die Erreichung des Ziels für Sie? Die Beantwortung der Fragen fällt Ihnen leichter, je öfter Sie sich diese stellen. Außerdem kann es helfen, die eigenen Werte zu kennen.
Eine weitere Möglichkeit, Ihren Antreiber herauszufinden, ist ein Antreibertest. Hier kommen Sie zur PDF Antreibertest.
Antreiber durch Erlauber lösen
Den Stress zu erkennen ist ein wichtiger Schritt. Doch Sie können noch mehr tun, Sie können den Stress lösen, indem Sie Ihren Antreiber identifizieren und ihn anschließend mit Erlaubern lösen.
Erlauber sind Glaubenssätze, die den Zwang des Antreibers lösen. Jeder innere Antreiber hat solche ‚Konter-Glaubenssätze‘, die Druck und Belastung entfernen. Die folgenden Erlauber sind Beispiele für aktive Antreiber. Sie können natürlich auch individuelle Erlauber trainieren, die Ihnen dabei helfen die bestimmte Verhaltensweise herunter zu fahren.
Sei stark:
- Ich darf meine Wünsche mitteilen
- Ich darf um Hilfe bitten
- Ich darf anderen vertrauen
- Ich darf Gefühle zeigen
Sei perfekt:
- Ich bin wertvoll und gut genug so, wie ich bin
- Ich darf Fehler machen. Ein Fehler ist ein „Ja“ zu meiner Menschlichkeit
- Ich gebe mein bestes und das ist gut genug
Mach es allen recht:
- Meine Bedürfnisse und Wünsche sind mir auch wichtig
- Ich habe die längste Beziehung mit mir selbst
- Ich darf „Nein“ sagen
Streng dich an:
- Es darf auch leicht gehen
- Meine Kraft gehört mir
Mach schnell:
- Ich darf mir Zeit nehmen
- Meine Zeit gehört mir
- Ich darf mich regenerieren und Pausen machen
- Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht
Ihr persönlicher innerer Antreiber begleitet Sie schon sehr lange und es braucht Zeit gewohnte Verhaltensmuster zu verändern. Sie brauchen Übung Ihren Antreiber zu erkennen und noch mehr Übung, sich selbst die Erlaubnis zu geben ihn zu lösen. Haben Sie Geduld mit sich und Ihren bisher trainierten Mustern. Mit Geduld, Übung und Wertschätzung sich selbst gegenüber schaffen Sie es, Stress zu regulieren und der kleinen Stimme dankend „Auf Wiedersehen“ zu sagen.
Die Antreiber unter der Lupe
Hier geht es zu unseren Artikeln, in denen die einzelnen Antreiber genau erklärt werden:
Verletzlichkeit als Tabu? – Der innere Antreiber „Sei stark“ | Perfektionismus – Der innere Antreiber „Sei perfekt“ | Harmoniesucht – der innere Antreiber „Mach es allen recht“ | Ohne Fleiß, kein Preis? – Der innere Antreiber „Streng Dich an“ | Stress durch Hektik – Der innere Antreiber „Mach schnell“
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).
Mein name ist samuel hofbauer und ich mochte es diesen text durch zu lesen