Sommer, Sonne, Besonnenheit?

Lange haben sie auf sich warten lassen – jetzt sind sie endlich da. Die warmen Sonnenstrahlen, nach denen wir uns in den letzten Wintermonaten doch so sehr sehnten. Zurecht! Denn Sonne ist existenziell für die Aufrechterhaltung unserer Gesundheit auf ganzheitlicher Ebene.

Unser Körper braucht das natürliche Sonnenlicht, das unsere Haut mit wertvollem Vitamin D versorgt. Durch die Sonneneinwirkung schüttet unser Körper schmerzlindernde und motivierende Hormone aus wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, die dazu beitragen, dass wir mehr Kraft und Energie haben. Und unsere Seele wird regelrecht durch die Sonne „geküsst“ – kennen Sie diesen Moment, in dem die ersten Sonnenstrahlen Ihre Haut berühren und gleich ein Stück Freude und neue Hoffnung aufblitzt?

Im wahrsten Sinne des Wortes geht es um die hellen Momente, die nach dunklen, stressigen Tagen wieder kommen dürfen. Unser Gehirn wird durch die Sonne zu neuen Impulsen und  kognitiver Leistungsfähigkeit angeregt. Wir sprechen hier von einem gesunden Maß an Sonneneinstrahlung, das uns aktiviert und nicht durch Hitzeschäden gefährdet. Es gibt Forschungsarbeiten, die sich mit den Auswirkungen von langer Sonneneinstrahlung auf das menschliche Gehirn beschäftigen. Ein „Sonnenstich“ kann im Extremfall die Hirnhaut angreifen oder – wie die meisten von uns schon erlebt haben – zu Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit und Trägheit führen.

Warum beschäftigten wir uns mit Besonnenheit?

Es gilt also auch hier, eine resiliente Balance zu finden! Man könnte sowas sagen wie, ein gesundes Maß der optimalen Lichtbestrahlung für Körper, Geist und Seele!? Es bedarf hier einer gute Portion Selbstfürsorge und Selbststeuerung. Mit Besonnenheit die Situation abzuwägen, Strapazen zu erkennen, sich zu disziplinieren und dann kluge Entscheidungen zu treffen, die die Gesundheit fördern, anstatt ihr zu schaden.

Besonnenheit ist eine der ältesten Tugenden. Wir finden sie in verschiedensten Kulturkreisen, Religionen und auch in großen Fragen der Politik. Sie ist unseres Erachtens ein spannender Schutzfaktor der Resilienz, um äußere Störfaktoren und Stressoren zu erkennen und Krisen mit Bedacht zu bewältigen.

Was steckt hinter der Tugend der Besonnenheit?

Besonnenheit (aus dem Altgriechischen: σωφροσύνη sophrosýne, Sophrosyne) wird laut Oxford Languages mit „Umsicht; besonnenes Wesen“ beschrieben und mit Begriffen assoziiert wie Disziplin, Vorsicht, Bedacht oder Diplomatie. Als zentrales Synonym findet sich auch die Gelassenheit, die aber eher auf „die emotionalen Anteile innerer Ruhe“ hinweist, wohingegen Besonnenheit die Rationalität beinhaltet (Wikipedia). Im Englischen wird Besonnenheit mit „sangfroi, prudence (Vorsicht, Vernunft) oder auch temperance (Mäßigung), sobriety (Nüchternheit), thoughtfulness (Bedachtsamkeit Tiefgang)“ beschrieben(WELEX Lexikon) .

 „In der heutigen Zeit beschreibt Besonnenheit die Eigenschaft von Personen, die in schwierigen Situationen die Fähigkeit bewahren, gelassen zu bleiben, sich dem Zustande, in dem sie sich befinden, bewusst zu sein sowie eine umfassende und klare Übersicht über die Gegebenheiten zu behalten. Dabei wird auf Zurückhaltung Wert gelegt und eher eine beobachtende (erkennende, wissende) Rolle eingenommen.“ (WELEX Lexikon)

Als gegenteiliger Begriff der Besonnenheit kann die Impulsivität benannt werden. Eine spontane Reaktion auf Außenreize und Emotionen, die mit Leichtfertigkeit und fehlender Selbstkontrolle beschrieben wird (Wikipedia). Wir wägen vorher die Konsequenzen unseres Handelns nicht ab, entscheiden in Sekundenschnelle und sind eher dazu bereit, Abenteuer und Risiken einzugehen. Bei allen auch positiven Eigenschaften, die Impulsivität ebenso in sich trägt, sind Selbststeuerung und bedachtes Vorgehen wichtige Resilienzfaktoren gerade in der heutigen, schnelllebigen Gesellschaft. Das gilt nicht nur für uns als Individuum, sondern auch für die Team- und organisationale Resilienz.

Ein gutes Bewusstsein für Impulsivität zu haben und diese entsprechend dem Kontext zu  trainieren, hilft, besser mit Stress und Krisen umzugehen. Das bedeutet, Impulse nicht zu unterdrücken, sondern sie funktional einzusetzen und beispielsweise Emotionen wie Ärger, besser regulieren zu können.

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Besonnenheit als seelischer Schutzfaktor

In der seelischen Resilienz beschäftigen wir uns unter anderem mit der Erinnerung an alte und neue Tugenden, die uns Sicherheit in unsicheren Zeiten geben. Es geht dabei um eher langfristige Strategien, die uns oft nicht sofort in den Sinn kommen. Oftmals sind es aber gerade diese Faktoren, die uns auf seelischer Ebene helfen, schwere Krisen zu bewältigen. Interessant ist auch der Hinweis im Wertelexikon zur Wortherkunft „sophrosýne“ als „(…) „gesunder Verstand, richtige Erkenntnis, Zurückhaltung; ursprünglich beschreibt es ´die Gesundheit des Zwerchfells´, in dem vermeintlich die Seele eines jeden sitzt.“ (www.values-academy.de)

Unser Blick wandert in der seelischen Resilienz in philosophische und religiöse Kontexte und den Dingen, die schon vor Jahrhunderten von Jahren Menschen geholfen haben, mit schwersten Widrigkeiten umzugehen. In der Philosophie findet man Besonnenheit in allen Denkrichtungen von Konfuzius über Sokrates, Platon, Epikus etc. Besonders Platon hat die Besonnenheit für den „begehrlichen Seelenteil“ hervorgehoben. In den vier Kardinaltugenden „Besonnenheit, Tapferkeit, Weisheit und Gerechtigkeit“, die später von Thomas von Aquin mit den christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung erweitert wurden. Auch für Aristoteles, Schüler Platons, gehörte Besonnenheit zu den ethischen „Charaktertugenden“ (Wikipedia). Lesen Sie HIER mehr zum Thema Tugenden und welche Bedeutung diese für unsere Resilienz haben.

In den Weltreligionen finden wir die „Besonnenheit“ auch überall. Im Islam steht in einer Überlieferung von Sahl Ibn Sa`d: Allahs Gesandter geschrieben: „Besonnenheit ist von Allah und Hast vom Teufel“. Im Christentum wird von dem „Geist der Besonnenheit“ gesprochen – im Bibelvers 2.Timotheus 1,7 steht: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Und im Buddhismus ist die Besonnenheit ebenso zentral in den „Regeln des achtfachen Pfad der Erkenntnis“ aus den „vier edlen Wahrheiten“. Hier steht: „Sei achtsam, denke und handle stets besonnen. Konzentriere dich, denke nach und meditiere.“

Wie stärken wir Besonnenheit?

Die Tugend der Besonnenheit ist unseres Erachtens ein wichtiger Schutzfaktor für eine starke Resilienz. Sie unterstützt wie gesagt wesentlich die Fähigkeit zur Selbststeuerung, die wir brauchen, um unsere Bedürfnisse zu erkennen und Entscheidungen mit Bedacht treffen zu können – auch in unübersichtlichen und stressigen Momenten. Das gilt auch auf Führungsebene und im Managementbereich, wenn drumherum alles hektisch und nervös wird. Hier die Fassung zu bewahren und die Auswirkungen des Handelns mit Bedacht abzuwägen, ist notwendig für den unternehmerischen Erfolg.

Selbstreflexion

Besonnenheit ist vor allem verbunden mit einer Haltung zum Leben. Wie nehmen Sie zum Beispiel die Welt und Ihre Handlungen wahr? Welche Beziehung haben Sie zum Thema Zeit? Welche Auswirkungen hat es, wenn Sie Besonnenheit im wahrsten Sinne des Wortes „ausstrahlen“? Was löst das bei Ihren Mitmenschen aus – zum Beispiel Ihrem Team?

Achtsamkeit

Achtsamkeit ist ein wichtiger Faktor, um Stress zu reduzieren und sich auf das Hier und Jetzt zu besinnen. Je mehr wir uns mit der gegenwärtigen Situation verbinden, desto stärker ist auch unsere Wahrnehmung und Bewusstheit für das, was wir gerade tun. Unsere Leistungsfähigkeit wird durch einen achtsamen Umgang mit uns selbst und unserer Umwelt maßgeblich gefördert. Um die Achtsamkeit zu trainieren, gibt es viele Tipps und Tricks, die Sie auch in verschiedenen Artikeln hier im Blog finden.

Pausen und Meditation

Immer wieder kurz innehalten und bewusst Ruhezeiten einzuräumen, hilft, um besonnen auf äußere Reize zu reagieren. Wichtig ist hier die Regelmäßigkeit. Pausen sollten in keinster Form als etwas Schlechtes abgetan werden, sondern im Gegenteil als ein notwendiges Element für mehr Leistungsfähigkeit. Regenerationszeiten sollten fest in den (Arbeits-)Alltag etabliert werden – beispielsweise kurzes Powernapping, das nachweislich zu mehr Energie führt. Schon in den alten Schriften der Philosohpie und Religionen wird deutlich, dass Ruhephasen und vor allem Meditation existenziell sind für mehr Besonnenheit. In der Stille beruhigt sich unser System. Gedankenspiralen lösen sich und Entscheidungen werden klarer. Außerdem wird die Zufriedenheit und Dankbarkeit gestärkt für das, was bereits da ist.

Zurücknehmen und Maßhalten

Besonnenheit hat auch mit der Fähigkeit zu tun, einen Schritt zurückzutreten, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Eine Situation nicht impulsiv zu „sprengen“ oder ein Gespräch zu unterbrechen, sondern Worte und Taten mit Bedacht zu wählen, um vorschnelles und unüberlegtes Handeln zu vermeiden. Resiliente Kommunikation spielt hier eine spannende Rolle, gerade auch im Führungskontext. Besonnenheit kann entsprechend auch gestärkt werden, in dem man sich in Selbstbeherrschung übt und nicht von Trieben und Anreizen (fremd-)steuern lässt.

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Tatkraft

Im Duden findet man zur Besonnenheit unter anderem die Synonyme Disziplin und Gefasstheit. Sie ist also keineswegs „nur“ sanft, sondern gleichzeitig kraftvoll und zentral für unsere Ziel- und Ergebnisorientierung. Besonnenheit steht für Klugheit, Klarheit, Fokussierung und Tatenkraft. Fassung zu bewahren – selbst dann, wenn Stressoren Überhand gewinnen und Krisen auf einen hineinstürzen. Diszipliniert anstehende Aufgaben erledigen und sich auf die Ziele konzentrieren, die wirklich wichtig sind. In die eigene Kraft und Mitte zu kommen und sich mutig und selbstbewusst neuen Herausforderungen stellen.

„Die höchste Krone des Helden ist die Besonnenheit mitten in den Stürmen der Gegenwart.“  – Jean Paul

Wohin uns mehr Besonnenheit führt

Man könnte sagen, in der Besonnenheit steckt schon das Bild der Sonne. Für einen Moment stille sein, entspannen, sich bestrahlen lassen von der lebensspendenden Sonnenenergie. Danken. Zurückhalten. Überlegen. Kluge Entscheidungen treffen. Mutig sein und gestärkt aus etwas hervorzugehen. Für eine starke Resilienz ordnen wir Besonnenheit den langfristigen Strategien zu, die uns helfen, selbst bei größten Widrigkeiten in unserer Mitte zu bleiben und uns auf das Wesentliche zu fokussieren. Man kann natürlich kurzfristig besonnen auf etwas reagieren – die wirkliche Kraft und Qualität der Besonnenheit zeigt sich wohl aber in der Haltung dem Leben gegenüber und wie sehr ein Mensch mit sich selbst in Kontakt ist und mit seinen Mitmenschen umgeht.

Summer- Depositphotos

*Für mehr Sonne im Leben noch ein kleiner Tipp:

Das natürliche Sonnenlicht ist eine Art Taktgeber für unseren Tag-Nacht-Rhythmus und ausschlaggebend für unsere Schlafqualität. Falls Sie keine Sonneneinstrahlung in Ihrem Schlafzimmer haben, empfiehlt sich ein Tageslichtwecker. Dieser simuliert einen Sonnenaufgang durch heller werdendes Licht und lässt Sie in einem natürlichen Rhythmus sanfter aufwachen. Nachweislich führt dies dazu, dass Hormone wie Serotonin, Cortisol und Dopamin ausgeschüttet werden und wir – wie anfangs beschrieben – energievoller und positiver in den Tag starten! :-)

Bildquelle: Depositphotos Ninja silhouette at sunset@adrenalina, Japan zen garden@filmfoto, Summer sun rays with lens flare@wwwebmeister


Resilienz Akademie | Sommer, Sonne, Besonnenheit?Christina Comnick, M.A. Management–Education–Diversity (Sozial- und Gesundheitsmanagement), ist Kooperationspartnerin der Resilienz Akademie und Expertin für „Seelische Resilienz“. Gemeinsam mit Sebastian Mauritz entwickelt sie das Konzept und leitet die dazugehörige Fortbildung. Sie ist Resilienz-Trainerin & Coachin, Antigewalt- und Kompetenztrainerin und setzt sich seit ca. 15 Jahren für die Prävention seelischer Gesundheit und Krisenintervention ein. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen: Sinn, Spiritualität, Intuition, Emotionsregulation und Deeskalation. (www.christinacomnick.de)


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Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).

 

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