Die emotionale Intelligenz ist ausschlaggebend für den persönlichen und privaten Erfolg von Menschen. Doch was verbirgt sich hinter diesem Intelligenz-Konzept? Die rationale Intelligenz, also der Intelligenz-Quotient (IQ) ist allgemein bekannt. Allerdings treten insbesondere in Führungspositionen die fachlichen Kompetenzen und der Intellekt in den Hintergrund und die Soft Skills der emotionalen Intelligenz (EQ) haben größeren Einfluss auf den Erfolg.
Bei der emotionalen Intelligenz geht es sowohl um die Gestaltung der Beziehung zu sich und zu anderen, um das Leben gesund und kompetent zu meistern.
Was ist emotionale Intelligenz?
Das Konzept der emotionalen Intelligenz besteht schon seit 1920, wobei der amerikanische Psychologe Edward Lee Thorndike sie als „soziale Intelligenz“ bezeichnete. 70 Jahre später wurde der Begriff dann von den Psychologen Peter Salovey und John Mayer in „emotionale Intelligenz“ umgetauft. Doch richtig populär machte erst Daniel Goleman den Ausdruck 1995 in seinem Buch „EQ. Emotionale Intelligenz“.
Das Konzept, dass Menschen nicht nur über eine einzige Intelligenz verfügen, stammt von Howard Gardner. Demnach besitzt der Mensch beispielsweise neben der logisch-mathematischen Intelligenz auch eine sprachliche, eine körperliche oder eine musikalische Intelligenz. Allerdings seien die interpersonale und intrapersonale Intelligenz, die Grundbausteine der emotionalen Intelligenz, nach Gardner jene Kompetenzen, die uns zu richtigen Entscheidungen und damit zum Erfolg verhelfen.
Bei dem Konzept der emotionalen Intelligenz handelt es sich um eine Erweiterung des klassischen Intelligenzbegriffs, der einen Erklärungsansatz dafür bietet, warum manche Menschen besser mit einigen Situationen umgehen können. Damit ist der EQ auch ein wichtiger Bestandteil der Resilienz, denn er drückt die innere emotionale Stärke aus, um souverän mit Krisen und Belastungen umzugehen.
Elemente der emotionalen Intelligenz
Der US-amerikanische Psychologe und Wirtschaftsjournalist Daniel Goleman beschreibt in seinem Buch, in Anlehnung an Salovey/ Mayer und Gardner, fünf grundlegende Fähigkeiten, welche die emotionale Intelligenz bedingen. Die Fähigkeiten umfassen das Erkennen, Beeinflussen und in die Tat Umsetzen von Emotionen, Empathie und den Umgang mit Beziehungen. Durch diese Faktoren sind wir in der Lage unser Leben besser, entspannter und erfolgreicher zu gestalten. Im Folgenden sind die Faktoren genauer erklärt.
Selbstwahrnehmung
Die Selbstwahrnehmung ist eine der sieben Säulen der Resilienz und ein Kernelement für eine gesunde Beziehung zu sich selbst. Bei der Selbstwahrnehmung geht es darum Gefühle wahrzunehmen, zu erkennen und auch sich die Gedanken und Urteile über diese Gefühle bewusst zu machen.
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und verfallen leicht in Wahrnehmungs- und Verhaltensgewohnheiten. Die Selbstwahrnehmung zu trainieren bedeutet diese Gewohnheiten zu erkennen und auch zu hinterfragen. Denn sie ist die Grundlage für die emotionale Selbstregulation, um aus Verhaltensmustern auszubrechen, wenn diese hinderlich für das Wohlbefinden sind.
Zudem ist die emotionale Selbstwahrnehmung wichtig für das resiliente Treffen von Entscheidungen. Sie ist der Zugang zu unserem Bauchgefühl, denn sich ausschließlich auf den IQ zu verlassen führt zu Entscheidungen, die möglicherweise den eigenen Werten entgegen sprechen und das Wohlbefinden und die Gesundheit senken.
Selbstregulation
Die emotionale Selbstregulation kann nur dann erfolgen, wenn wir unsere eigenen Gefühle erkennen und einordnen können. Es geht hierbei um die Fähigkeit, Gefühle so zu beeinflussen, dass sie jedem selbst zum Vorteil werden. Das heißt, mit einer starken Fähigkeit zur Selbstregulation schaffen wir es zum einen unerwünschte oder situativ unpassende Emotionen wie Trauer, Ärger oder Angst herunter zu regulieren. Zum anderen können wir positive Emotionen verstärken.
Das ist eine grundlegende Kompetenz im Umgang mit Problemen und Krisen. Denn in solchen Situationen reagiert der Körper stark mit Stress. Und Stress verstärkt das Empfinden, bzw. den Wahrnehmungsfokus auf negative Emotionen. Wenn wir diese Emotionen also regulieren können, sinkt damit gleichzeitig unser Stressempfinden.
Ein effizientes Mittel zur Selbstregulation ist das sogenannte Refraiming, also eine Umdeutung der Gefühle. So wird aus überwältigender Trauer eine engagierte Hüterin der Werte. Der Effekt: Wir bringen mehr Verständnis für unsere eigenen Emotionen auf, können sie akzeptieren und gewinnen so die Überhand über die Emotion. Mit der Selbstregulation nehmen wir die eigene Gefühlsfernbedienung selbst in die Hand.
Selbstmotivation
Die Selbstregulation ist wiederum das Fundament für eine gelingende Selbstmotivation. Denn hierbei geht es darum, die Emotionen so zu beeinflussen, dass sie bei der Erreichung eines Ziels unterstützen. Die emotionale Selbstmotivation ist die grundlegende Fähigkeit für persönlichen Erfolg. Denn durch sie sind wir in der Lage Impulsen auch mal zu widerstehen und kurzzeitigen Belohnungen zu entsagen um ein langfristiges Ziel zu erreichen.
Wer es schafft seine Emotionen zur Motivation zu nutzen, kommt zu höherer Kreativität und wird häufiger Erfolgserlebnisse feiern. Hoffnung, Optimismus und Selbstvertrauen sind Komponenten, die gelingende Selbstmotivation stärken, und so intellektuelle, akademische, künstlerische oder sportliche Erfolge erst möglich machen. Selbstmotivation trägt zudem zu einer Ausdauer bei, Herausforderungen so lange anzugehen, bis sie überwunden werden.
Empathie
Empathie ist die Fähigkeit, Emotionen bei anderen Menschen zu erkennen. Auch hierfür ist die Selbstwahrnehmung eine wichtige Grundlage, denn nur wenn Menschen ihre eigenen Gefühle erkennen, nehmen sie diese auch eher bei anderen wahr. Es geht darum, die Gefühle anderer korrekt zu ‚lesen‘ und auch angemessen auf sie zu reagieren. Damit ist Empathie die Grundlage aller zwischenmenschlichen Beziehungen. Menschen mit dieser Fähigkeit können schneller oder besser auf Menschen in der Umgebung reagieren, da sie die Bedürfnisse erkennen.
Obwohl Empathie nicht in direktem Zusammenhang mit dem IQ steht, ist diese Fähigkeit oft ausschlaggebend für das Vorankommen im Leben. Empathische Menschen sind emotional ausgeglichener, können Beziehungen besser aufrechterhalten, sind meist beliebt und bekommen so öfter soziale Unterstützung.
Soziale Kompetenz
Die soziale Kompetenz umfasst den kompetenten Umgang mit Beziehungen. Die Grundlage hierfür ist die Selbstregulation und die Empathie. Durch das Zusammenspiel von Emotionen bei anderen richtig erkennen und die eigenen Emotionen angepasst auf die Situation auszudrücken führt zu einer hohen sozialen Kompetenz.
Im sozialen Umgang sind Gefühle deswegen so wichtig, weil wir sie als ansteckend empfinden. Mit anderen Worten fühlen wir uns bei Menschen wohler, die liebenswert und charmant wirken. Das hat Auswirkungen auf den persönlichen und auch den beruflichen Erfolg, denn über den entscheiden nicht nur Qualifikationen, sondern maßgeblich andere Menschen.
Für Gardner gehört zur sozialen Kompetenz, als Teil der „interpersonellen Intelligenz“: soziale Analysefähigkeiten, Organisationstalent bei Gruppen (Leadership), Lösungsorientierung und Konfliktmanagement, und Bindung herstellen können.
Wozu brauchen wir emotionale Intelligenz?
Der EQ ist auf zwei Arten besonders wichtig für ein erfolgreich gestaltetes Leben. Auf der einen Seite ist er die Meta-Befähigung, um Intellekt überhaupt zu nutzen. Denn wir sind nur in der Lage, unsere Ressourcen zu nutzen, wenn wir Zugriff auf sie haben. Und starke emotionale Zustände verhindern diesen Zugriff. Besonders die Emotionen Ärger, Angst und Trauer führen unreguliert zu Impulshandlungen oder Starre. Das heißt, nur durch die Meta-Kompetenz der emotionalen Intelligenz können wir kompetent mit übersteigerten Gefühlen umgehen und uns so Zugang zu den Fähigkeiten verschaffen, die uns bei der Bewältigung der schweren Situation helfen.
Auf der anderen Seite brauchen wir emotionale Intelligenz in allen Lebensbereichen. Zum Beispiel ist der EQ das Fundament für eine funktionierende Partnerschaft, denn hierbei kommt es beinahe ausschließlich auf emotionaler Selbstkontrolle, Selbstwahrnehmung, Empathie und die Fähigkeit, andere mit positiven Emotionen anzustecken, an.
Im Berufsleben sorgt eine hohe emotionale Intelligenz für bessere Kooperation in Teamarbeiten, mehr Toleranz und Verständnis im kollegialen Umfeld und verbessert auch den persönlichen Umgang mit Kritik. Besonders Führungskräfte profitieren von einem hohen EQ, da sie so eine gesundheitsfördernde Unternehmenskultur gestalten, Mitarbeitende motivieren und langfristig binden und erfolgreicher die Unternehmensziele erreichen können.
Und zuletzt ist auch die Gesundheit von der emotionalen Intelligenz betroffen. Studien der Psychoneuroimmunologie haben den Zusammenhang von Gefühlen und Gesundheit ausgiebig ergründet, und es besteht kein Zweifel, dass Stress und negative Emotionen das Immunsystem senken. Zudem ist belegt, dass starke emotionale Bindungen zu den gesundheitsfördernden Schutzfaktoren gehören.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).