Resilienz-Hack: Stiller Moment

Wann haben Sie das letzte Mal ganz bewusst einen stillen Moment eingelegt? Und wie ging es Ihnen dabei? Möglicherweise meditieren Sie bereits viele Jahre – vielleicht geht es Ihnen aber auch so, wie vielen Menschen, die in der Hektik des Alltags kaum einen stillen Moment finden und nicht wissen, wie sie mehr Ruhe in ihr Leben integrieren können. Im Rahmen unserer Reihe der „Resilienz-Hacks“ möchten wir Ihnen deshalb gerne kurz und knapp ein paar Hinweise geben, warum und wozu es sinnvoll ist, mehr Stille zu kultivieren und wie Sie stille Momente für Ihre Resilienzförderung nutzen können.

Warum wir mehr stille Momente brauchen

Körper, Geist und unsere Seele – sie lieben die Stille. Doch neben der Tatsache, dass wir Menschen häufig meinen, keine Zeit für stille Momente zu haben, zeigt sich auch ein weiteres Phänomen: Dass es einigen Personen sehr schwer fällt, Stille überhaupt „auszuhalten“. Durch die tagtägliche Überflutung von Informationen und Sinneseindrücken, kann ein stiller Moment, ohne Handy und Geräuschkulisse, bereits eine großes Herausforderung sein. Und das ist auch völlig normal – denn ihr System ist schlichtweg nicht mehr daran gewöhnt.

Antreiber: Mach schnell! (… und am besten alles gleichzeitig!)

Resilienz Akademie | Resilienz-Hack: Stiller MomentStille Ruhephasen werden in leistungsorientierten, schnelllebigen Kontexten teilweise als unnötiger Luxus oder gar Zeitverschwendung angesehen. Die Erfüllung von Aufgaben und Erwartungen scheint eine höhere Priorität einzunehmen, als Pausen einzuhalten. Dabei wissen wir heutzutage, dass das Prinzip „schneller, höher, weiter“ und Antreiber, wie „Mach schnell!“, „Sei perfekt!“ oder „Sei stark!“ eher kontraproduktiv für die Qualitätssicherung sind. Denn sie können uns kurzfristig zwar motivieren und führen zu schnellen Ergebnissen, langfristig treiben sie uns aber eher in dauerhaften, dysfunktionalen Stress und vielleicht sogar ins Burnout.

Die Annahme, multitaskingfähig sein zu müssen und damit als leistungsfähiger zu gelten, hält sich bis heute hartnäckig. Dagegen zeigen Studien, dass es für unser Gehirn kaum möglich ist, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten und wirkliche Produktivität am Besten durch „Singletasking“ entsteht. Das bedeutet – wir können mehr Leistung abrufen, wenn wir uns auf 1, anstatt auf 10 Dinge gleichzeitig konzentrieren. Der Kontext spielt dabei selbstverständlich eine zentrale Rolle. Denn die Realität in Großraumbüros oder im Home Office zeigt, dass das „Singletasking“ oft nur schwer umzusetzen ist.

Eine Studie (Next Work Innovation 2022) zeigte, dass Beschäftigte zwei mal pro Stunde versuchen, konzentrationsbedürftige Aufgaben parallel zu bearbeiten. Die Zeit für die Aufgabenbewältigung wird dadurch in Summe aber nicht kürzer, sondern länger! Dazu stieg in der Umfrage durch den ständigen Aufgabenwechsel die Fehlerquote bis zu 18%. Der Kreislauf setzt sich oft, wenn dies Fehler zu weiteren inneren und äußeren Konflikten führen. Im privaten Umfeld erleben wir häufig Ähnliches, wenn wir Dinge vergessen oder „halbherzig“ begleiten. Zu viele Dinge auf einmal überfordern Menschen – gerade in unserer heutigen VUCA- Welt, die als unbeständig, komplex, unsicher und mehrdeutig beschrieben wird. Umso wichtiger ist es, Strategien zu entwickeln und sich persönlich kleine stille Momente einzuräumen, die für das Gehirn und letztlich auch für das soziale Miteinander essentiell sind.

Was ein stiller Moment bewirkt

Bevor wir auf die Wirkung schauen, erst einmal die Frage: Was bedeutet Stille eigentlich für Sie? Rein theoretisch lässt sich ja die äußere von der inneren Stille unterscheiden. Doch welche beeinflusst Ihrer Erfahrung nach mehr Ihr persönliches Stresssystem?

Äußere und innere Stille

Resilienz Akademie | Resilienz-Hack: Stiller MomentWelche Geräuschkulisse umgibt Sie im Alltag? Sind Sie bei der Arbeit und/oder im Privatleben einem hohen Lärmpegel ausgesetzt? Viele Menschen sind sich über die ständige Beschallung, die sie umgibt, gar nicht bewusst – durch Medien, Straßenlärm, Handyklingeln, Gespräche, Dauerrauschen etc. Wichtig ist, im ersten Schritt die Wahrnehmung hierfür zu schärfen und zu schauen, in wie weit hierauf auch Einfluss genommen werden kann. In der Regel haben wir Einfluss, um die äußere Geräuschkulisse zumindest etwas zu reduzieren und damit unserem Stresssystem etwas Gutes zu tun.

Blicken wir auf die „innere Stille“ wird deutlich: Hier geht es nicht um das Fehlen von Geräuschen, sondern vielmehr um eine bewusste Entscheidung. Die Entscheidung, Raum für innere Ruhe und Reflexion zu schaffen. Es geht darum, einen Schritt zurückzutreten und Gedankenkarusselle zu unterbrechen. In der Stille kommen wir mit den Aspekten in Kontakt, die für eine starke Resilienz elementar sind: Unsere Emotionen und Grundbedürfnisse. Stille führt zu mehr Klarheit und sie führt uns zu unserem Herzen und den Dingen, die wichtig für unser Wohlbefinden sind. Sie gibt uns die Möglichkeit zu lernen, mit uns selbst im Reinen zu sein, ohne äußere Bestätigung oder ständige Beschäftigung.

Stille für Körper, Geist und Seele

Wenn unser Geist entspannt, folgt auch unser Körper – und andersherum. Stresshormone, wie Cortisol nehmen nachweislich ab, der Schlaf verbessert sich, neue Energie wird mobilisiert und Entzündungswerte werden gesenkt. Durch die Stressforschung wissen wir, dass stille Momente vielfältige positive Auswirkungen auf unser Gehirn haben, einschließlich der Förderung der Gedächtniskonsolidierung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Regelmäßige Phasen der Stille können das Gehirn dabei unterstützen, neue Zellen im Hippocampus zu bilden – dem Bereich, der für unser Gedächtnis und neues Lernen entscheidend ist. Dieser Prozess, bekannt als Neurogenese, spielt eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung unserer mentalen Widerstandsfähigkeit.

Eine Studie (Wamsley 2019), zeigte, dass kurze Ruhephasen nach dem Lernen die Konsolidierung neuer Erinnerungen erleichtern. Dieser Effekt wird mit gedächtnisbezogener Gehirnaktivität während der ruhigen Ruhe assoziiert und legt nahe, dass unbeschäftigte Ruhephasen in unserem täglichen Leben eine wesentliche kognitive Funktion erfüllen könnten. Das bedeutet – Pausen, und seien sie noch so kurz, sind elementar für neues Lernen und Wachstum. Ruhephasen bieten die perfekte Möglichkeit, Gelerntes zu festigen und neue Inhalte zu verknüpfen. Entsprechend ist Stille keine „Zeitverschwendung“, sondern vielmehr eine kluge Investition in eine gesunde, produktive Zukunft :-)

Dazu ist der Weg in die Stille in keinster Weise eine neue Idee, sondern ist die wohl älteste Resilienzpraktik unserer Menscheitsgeschichte. Durch „innere Einkehr“ wird ein stiller Moment zu einer meditativen Praxis, die uns mit unserer Seele verbindet. Jeder stille Moment bringt uns ein Stück mehr Heilung durch den Kontakt zu unserer inneren Welt und stärkt das Vertrauen in unsere seelische Resilienz. In der spirituellen Praxis kann ein stiller Moment beispielsweise mit einem Gebet, Dankbarkeitsritualen oder der Natur verbunden werden. Sie können ja einmal für sich prüfen: Wie verbingen Sie in der Regel stille Momente? Richten Sie sich diese bewusst sein, um in der lauten Welt Ihrer Seele etwas Ruhe zu schenken oder ergeben sich vielleicht auch Momente automatisch, die Sie innerlich still werden lassen?

Wie Sie mehr stille Momente in Ihren Alltag bringen

Phone off - depositphotos- Resilienz AkademieWo auch immer Sie gerade sein mögen – zu Hause, im Zug, im Büro, an der Bushaltestelle oder Supermarkkasse: Versuchen Sie sich einen stillen Moment einzuräumen und damit Ihrem Körper, Geist und Ihrer Seele etwas Gutes zu tun. Bereits eine Minute kann schon wahre Wunder wirken, wenn unser Stresssystem gerade auf Hochtouren läuft.

Besonders effektiv ist es, wenn Sie stille Momente regelmäßig in Ihren Tagesablauf integrieren. Je regelmäßiger Sie ihr System zur Stille einladen, desto automatischer wird es irgendwann. Halten Sie sich immer vor Augen: Es geht nicht um 30 Minuten Meditation, sondern in diesem Schritt lediglich darum, dass Sie für einen kurzen Moment innerlich ruhig werden und sich einem Zustand der Nicht-Ablenkung hingeben.

Um die Vorteile des stillen Moments zu erleben, ist es hilfreich sich immer wieder kleine Erinnerungen im Alltag dazu einzubauen. Das kann bedeutetn, dass Sie sich zum Beispiel 5 Minuten am Frühstückstisch nehmen, bevor der Tag beginnt, und dann vor einem wichtigen Meeting oder Telefonat eine kurze Minute still werden und sich dadurch zentrieren. Der Schlüssel liegt letztlich darin, eine Praxis zu finden, die für Sie persönlich nachhaltig und sinnvoll ist.

Um Ihren stillen Moment zu unterstützen, können Sie zusätzlich…:

  • … Ihr Handy abschalten. Wenn möglich, achten Sie darauf, mögliche Ablenkungsfallen für diesen Moment beiseite zu legen.
  • … einen Timer stellen – beispielsweise für 1-5 Minuten.
  • … Ihre Augen schließen.
  • … Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung richten. Wichtig: In diesem Schritt geht es erst einmal nicht darum, wie genau sie atmen, sondern, dass sie atmen. Der stille Moment hilft Ihnen, Ihre Wahrnehmung zu verbessern, ohne Dinge zu bewerten. Es geht vorrangig darum, die Luft, die während der Ein- und Ausatmung durch Ihre Nase oder den Mund strömt, zu spüren.
  • … Ihre somatischen Marker prüfen. Das bedeutet: Wenn Sie innerlich ruhig werden – wie und wo spüren Sie das in Ihrem Körper? Merken Sie eine Körperreaktion? Verändert sich beispielsweise Ihre Haltung oder merken Sie eine Reaktion im Brust- oder Brustbereich? Wenn ja: Wie fühlt sich das an? Versuchen Sie neugierig zu sein und diese Empfindung zu erforschen. Ist sie eher hart oder weich? Kalt oder warm? Leicht oder schwer? Auch hier gilt: Versuchen Sie nichts groß zu bewerten, sondern die Empfindungen einfach wahrzunehmen, die sich zeigen.
  • … Ihr System einladen, sich zu entspannen. Das bedeutet nichts weiter, als sich innerlich diese Einladung zuzusprechen. Zum Beispiel in einem Satz, wie: „Ich erlaube mir, zu entspannen. Ich lasse hier und jetzt los.“ Vielleicht fällt Ihnen auch eine aktivierende Affirmation oder ein Lieblingsmantra ein, das Ihnen persönlich Energie und Kraft gibt?
  • … nach Beendigung Ihres stillen Momentes einmal tief ein- und ausatmen, sich strecken und: Stolz darauf sein, dass Sie gerade aktiv Ihren Akku geladen haben!

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Wohin stille Momente führen

Durch stille Momente leisten Sie proaktiv einen Beitrag für mehr Gesundheit und Wohlbefinden in Ihrem Leben. Jeder stille Moment ist ein Stück Selbstfürsorge! Durch die regelmäßige Einbindung von Stille in unser Leben entwickeln wir eine tiefere Verbindung zu uns selbst und unserer Umwelt. Diese innere Ruhe und Klarheit verbessert nicht nur unsere Fähigkeit, stressige Situationen zu bewältigen, sondern eröffnet auch neue Perspektiven auf unsere Probleme und Herausforderungen. Mit der Zeit stärkt diese Praxis unsere Resilienz auf ganzheitlicher Ebene und ermöglicht es, zu tieferen (spirituellen) Erkenntnissen und neue Zielvorstellungen zu kommen.

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Quellen
  • Next Work Innovation (2022) Starker, V.; Roos, K.; Bracht, E. M.; Graudenz, D.: Kosten von Arbeitsunterbrechungen für deutsche Unternehmen. Auswirkungen von Fragmentierung auf Produktivität und Stressentwicklung.
  • Bernardi, L., Porta, C., & Sleight, P. (2006). Cardiovascular, cerebrovascular, and respiratory changes induced by different types of music in musicians and non-musicians: the importance of silence. Heart92(4), 445-452.
  • Wamsley, E. in: Trends in Cognitive Sciences (2019): Memory Consolidation during Waking Rest.
  • Bildquelle: www.depositphotos.com: Man hands holding mobile@Rawpixel, Man in office holding phone@prykhodov, Modern Open Plan Office@monkeybusiness, stretching in modern office@HayDmitriy.

Resilienz Akademie | Resilienz-Hack: Stiller MomentChristina Comnick, M.A. Management–Education–Diversity (Sozial- und Gesundheitsmanagement), ist Kooperationspartnerin der Resilienz Akademie und Expertin für „Seelische Resilienz“. Gemeinsam mit Sebastian Mauritz entwickelt sie das Konzept und leitet die dazugehörige Fortbildung. Sie ist Resilienz-Trainerin & Coachin, Antigewalt- und Kompetenztrainerin und setzt sich seit ca. 15 Jahren für die Prävention seelischer Gesundheit und Krisenintervention ein. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen: Sinn, Spiritualität, Intuition, Emotionsregulation und Gewaltprävention. (www.christinacomnick.de)


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Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 240 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de) sowie des Resilienz-Podcasts Rethinking Resilience (www.Rethinking-Resilience.com).

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