Ein wichtiger Hinweis! Resilienz- Zitat

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“  – aber Moment mal, wer hat´s geschrieben?

Kennen Sie dieses Zitat? Es ist mittlerweile sehr gebräuchlich und auch ich habe es zielsicher Viktor E. Frankl (Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse) zugeschrieben. Die Recherche zeigt jedoch, dass es von dem Autor Stephen R. Covey stammt.

Hierzu an dieser Stelle eine Erklärung – mit dem besten Dank an Daniel Röse, den Weg zu ihm und dem Viktor-Frankl-Zentrum in Wien für die Klarstellung.

Autor Stephen R. Covey

In der Kurzversion findet sich das Zitat „Zwischen Reiz und Reaktion hat der Mensch die Freiheit zu wählen.“ im Buch „Die 7 Wege der Effektivität“ (2004) von Stephen Covey.

Stephen Covey_Der Weg zum Wesentlichen22005 hat er im Vorwort zum Buch von Alex Pattakos „Gefangene unserer Gedanken“ beschrieben, wo er dieses Zitat gefunden hat: in den 1960er Jahren hat er Frankls Bücher gelesen und Jahre später hat er in einer Universitätsbibliothek in Hawaii in einem Buch eines unbekannten Autors die Bestätigung von Frankls Lehren gefunden hat.

Das Zitat des unbekannten Autors lautet: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Hiatus. In diesem Hiatus liegt unsere Freiheit, weil er uns ermöglicht, uns für eine Reaktion zu entscheiden. Mit unserer Reaktion beeinflussen wir unser Wachstum und unser Glück.“ Hiatus kann hier aus der Medizin kommend als Öffnung, bzw. Spalt verstanden werden.

2007 hat Stephen R. Covey in seinem Buch „Der Weg zum Wesentlichen“ das Zitat in der geläufigen Version aufgeschrieben: Der Autor ist also Stephen R. Covey.

Bezug zu Viktor E. Frankl

Viktor E. Frankl schreibt in seinem Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“ über die innere Freiheit:

„Wo bleibt die menschliche Freiheit? Gibt es denn keine geistige Freiheit des sich Verhaltens, der Einstellung zu den gegebenen Umweltbedingungen? Ist es wirklich so, dass der Mensch nichts weiter sei als ein Produkt vielfacher Bestimmtheiten und Bedingtheiten, seien sie nun biologisch gemeint oder psychologisch oder soziologisch? Ist der Mensch also wirklich nicht mehr als das zufällige Resultat seiner leiblichen Konstitution, seiner charakterologischen Disposition und seiner gesellschaftlichen Situation?“ Kann sich der Mensch den Einflüssen dieser Daseinsform, der er gezwungener-maßen unterstellt ist, gar nicht entziehen? Dass er diesen Einflüssen unterliegen muss? Dass er „unter dem Zwang der Verhältnisse“, der dort im Lager herrschenden Lebensverhältnissen gar „nicht anders kann“. Buchcover_Viktor E. Frankl_Trotzdem Ja zum Leben sagen

Nun, diese Frage können wir sowohl erfahrungsgemäß als auch grundsätzlich beantworten. Erfahrungsgemäß insofern, als das Lagerleben selber uns gezeigt hat, dass der Mensch sehr wohl „auch anders kann“. Es gäbe Beispiele genug, oft heroische, welche bewiesen haben, dass man etwa die Apathie eben überwinden und die Gereiztheit eben unterdrücken kann; dass also ein Rest von geistiger Freiheit, von freier Einstellung des Ich zur Umwelt auch noch in dieser scheinbar absoluten Zwangslage, äußeren wie inneren, fortbesteht.

…Menschen, die hier ein gutes Wort, dort den letzten Bissen Brot gespendet haben – sie haben Beweiskraft dafür, dass man dem Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen. Und es gab ein So oder so!

Und jeder Tag und jede Stunde im Lager gab tausendfältige Gelegenheit, diese innere Entscheidung zu vollziehen, die eine Entscheidung des Menschen für oder gegen den Verfall an jene Mächte der Umwelt darstellt, die dem Menschen sein Eigentliches zu rauben drohen – seine innere Freiheit – und ihn dazu verführen, unter Verzicht auf Freiheit und Würde zum bloßen Spielball und Objekt der äußeren Bedingungen zu werden und sich von ihnen zum „typischen“ Lagerhäftling umprägen zu lassen.“

Quelle: VIKTOR FRANKL ZENTRUM WIEN (Mag. Gerhard Breitwieser, Öffentlichkeitsarbeit)

Zur Bedeutung im Resilienz Coaching und Training

Wieder einmal zeigt sich: Quellen sollte man – wenn irgendwie möglich – IMMER nennen. Quellenamnesie, als Begriff mir von Vera F. Birkenbihl bekannt, erlebe ich immer als ein Abschneiden der Menschen von den Wurzeln des Wissens. Es lohnt sich deshalb, noch einmal mehr zu prüfen, ob es nicht doch noch präziser geht.

Coaching Figur

Richtig zitiert eignet sich das Zitat wunderbar für ein Resilienz Coaching und Training, da es uns auf die Selbstwirksamkeit im Umgang mit Problemen, Stress und Krisen hinweist.

Die Ausführungen von Viktor E. Frankl ermutigen dazu, dass wir – trotz widrigster und schwerster Bedingungen – Einfluss auf Situationen haben und Entscheidungen treffen können, die unseren Werten und Streben nach Sinnhaftigkeit entsprechen. Es gehe im Kern um die innere Freiheit, für die es sich zu kämpfen lohnt. Diese Freiheit bleibt auch in schwersten Tagen bestehen. Sie schenkt inneren Frieden und neue Kraft.

Es muss aber nicht immer um schwere Krisen und Leiderfahrungen gehen. Das Zitat lässt sich im Sinne von Stephen R. Covey sehr gut im Bereich der mentalen Resilienz auf Stress im Alltag beziehen. Denn dysfunktionaler Stress blockiert unsere Effektivität und Lösungswege. Fragen Sie sich gerne einmal: Was passiert, wenn Sie Stress haben und wie reagieren Sie darauf? Denken Sie, dass Sie eine Wahl haben und wenn ja, wie fällt Ihre Entscheidung aus?

Zitat- S.Covey

Stress verkürzt den Raum der Reaktion

Wenn wir aus neurowissenschaftlicher Perspektive auf dieses Thema blicken, dann wird deutlich, dass unter hohem Stress unsere Amygdala im limbischen System aktiviert wird, die unser emotionales Erleben steuert. Gleichzeitig fährt der präfrontale Cortex herunter, der für das logische Denken und Urteilsvermögen zuständig ist. Wenn er sich abschaltet, verlieren wir den Zugang zu unseren Kompetenzen und Fähigkeiten. Wir schaffen es dann kaum noch, sachlich zu argumentieren oder Dinge miteinander abzuwägen.

Das Denken in Auswirkungen lässt nach und wir reagieren auf einer Art und Weise, die wir später vielleicht sogar bereuen. Die Reaktion kann sich wie fremdgesteuert anfühlen und den eigentlich wichtigen Werten widersprechen. Entgegen unserer Werte zu handeln, verstärkt wiederum den Stresskreislauf und führt zu innerer Selbstabwertung.

Kurz ein praktisches Beispiel hierzu: Angenommen, Sie hätten viel Stress über einen langen Zeitraum bei der Arbeit und es kommt zu einer Zuspitzung, in der Sie richtig ärgerlich werden. Hier lassen Sie Worte an Ihre Kolleg:innen fallen, die verletztende Wirkung haben und Ihre Beziehungsebene schädigen. Eigentlich sind Ihnen Ihre Kolleg:innen, und Werte wie Harmonie und Wertschätzung, besonders wichtig  – die hohe Arbeitslast als Stressauslöser führte aber zu dysfunktionalem Ärger und einem „verkleinerten Raum“ Ihrer Reaktion.

Selbstwirksamkeit vergrößert den Raum der Reaktion

Um Auswirkungen wie diese bestmöglich zu vermeiden, ist es wichtig, den Raum der Reaktion zu vergrößern. Ziel eines Resilienz Coachings ist es deshalb immer, bestmöglich funktional auf Stresseinladungen und äußere Reize zu reagieren und die „Gefühlsfernbedienung“ wieder in die eigene Hand zu nehmen.

Das bedeutet nicht, dass wir in einer akuten Stress- oder Notsituation nicht mehr in den Alarmmodus kommen. Das wäre auch Blödsinn, denn dieser hat eine wichtige, evolutionäre Schutzfunktion für uns. Vielmehr heißt es, dass wir unser System vorher schon in die Richtung „trainieren“ können, dass sich die Amygdala im Gehirn schneller beruhigt und der präfrontale Cortex aktiviert wird, um uns wieder in einen ressourcenreichen Zustand zu versetzen. Hier helfen besonders gut Techniken zur Emotionsregulation, die vor allem regelmäßig anwendet werden sollten, um sich präventiv auf stressige Situationen und den Umgang mit äußeren Reizen vorzubereiten.

Der Schutzfaktor Selbstwirksamkeit ist deshalb unter dem Blickwinkel des Zitats zentral. Er hilft dabei, aus der Opferrolle herauszutreten, den möglichen Einflussraum zu erkennen und die Selbststeuerung zurück zu gewinnen.


Sebastian Mauritz - Resilienz-AkademieSebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).

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