Die Lebenskrisen – Erwartbare Krisen als Lebensbegleiter

Sicher haben Sie schon einmal von der Midlife Crisis gehört. Diese Krise tritt typischerweise – wie der Name schon verrät – in der Lebensmitte auf und wird meist von existenziellen Zweifeln begleitet. Was mache ich mit meinem Leben? Habe ich schon alles erreicht, was ich bis hier hin erreichen wollte? Und obwohl bei weitem nicht jeder eine Midlife Crisis erlebt, rechnet so gut wie jeder damit, ab einem bestimmten Alter diese Krise erfahren zu können. Dabei haben wir einige Krisen, die auf jeden Fall jeder von uns erlebt oder schon ‚überlebt‘ hat. Diese Lebenskrisen und ihre Verbindung zu Resilienz beleuchten wir hier.

Warum sollten wir Lebenskrisen erwarten?

Zunächst einmal ist es hilfreich sich zu vergegenwärtigen, warum erwartbare Krisen in erster Linie etwas Positives sind. Damit wollen wir nicht herunterspielen, welch gravierende Auswirkungen Krisen auf den Körper, den Geist und die Seele haben. Eine Krise ist ein einschneidendes Erlebnis und wirkt sich massiv senkend auf Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden aus.

Wir wollen hier allerdings den Fokus darauf legen, dass das Erwarten von Krisen einen positiven Einfluss auf die Resilienz und damit auf ein schnelleres und ressourcenreicheres Durchschreiten der Krise haben kann. Ein großer Faktor von erwartbaren Krisen, wie es bei den Lebenskrisen der Fall ist, ist die Vorwegnahme der Überraschung. Überraschung ist eine Emotion, die zwar nicht lange anhält, aber sich verstärkend auf jene Emotion auswirkt, die folgt. Wenn wir nicht mit einer Krise rechnen, überrascht sie und die unangenehmen Emotionen, die damit einhergehen (wie beispielsweise Angst) wirken anschließend stärker im System.

Ein anderer zentraler Punkt, ist das proaktive Stärken von Resilienz. Wir können uns gewissermaßen psychisch besser vorbereiten – zum Beispiel mit einem Resilienztraining und schon vor der Krise Ressourcen stärken, die dabei helfen, Stress zu minimieren und die Krise abzufedern. Prosilienz®, die proaktive Resilienz, hilft hierbei sehr gut weiter.

Was sind die Lebenskrisen?

Wir gehen im Folgenden die Lebenskrisen chronologisch durch. Bitte beachten Sie, dass einige dieser Krisen auf jeden Fall durchlaufen werden im Laufe eines Lebenszyklus, andere hingegen müssen nicht zwangsläufig auftreten oder werden nicht als solche wahrgenommen.

Die Geburt

Resilienz Akademie | Die Lebenskrisen – Erwartbare Krisen als LebensbegleiterDie Geburt ist tatsächlich die erste Krise, die wir erleben. Das bedeutet, wenn Sie diese Zeilen lesen, haben Sie mindestens eine Krise erfolgreich bewältigt. Vielleicht mag es irritieren, hier schon mit der Geburt anzufangen. Schließlich ist das keine Krise, die wir eigenmächtig und durch Nutzung von Resilienz überwinden – oder doch?

Die Geburt ist wahrscheinlich das einschneidendste Erlebnis eines jeden Menschen. Krise bedeutet im Ursprünglichen „Wendepunkt“. Und die Geburt ist die Wende vom vollkommen und rundum versorgt und abgeschirmt werden hin zum in der Regel eigenständigen Leben. Selbst atmen, selbst essen, selbst die Wärme halten, sich selbst in der Welt bewegen. Wir werden von einem in der Dunkelheit schwimmenden Wesen zu einem auf Erden wandelndem Säugetier. Wenn das mal kein Wendepunkt ist. Und es ist der Inbegriff des Selbstwirksam-Werdens, somit können wir durchaus sagen: der Mensch ist von Geburt an resilient.

Die Pubertät

Der nächste Wendepunkt in unserem Leben ist ein vor allem biologischer Prozess. Die Pubertät ist dabei nicht nur eine Krise für den jungen Menschen selbst, sondern oftmals für die Eltern oder Bezugspersonen gleich mit. Hier ist es sehr tröstlich zu wissen: Es ist nur eine Phase. Allerdings eine äußerst wichtige, und noch dazu eine, in der wir besonders vulnerabel sind.

In der Pubertät passieren neben der Geschlechtsreife, die den Betroffenen zu schaffen macht, extrem große Umbauprozesse im Gehirn. Kurz vor der Geburt und in der Pubertät ist die Hochzeit unserer Neurone. Zu keinem anderen Zeitpunkt bauen wir so viele neue Nervenzellen und neue Verbindungen auf, wie in diesen beiden Krisen. Mit dem Umbau im jugendlichen Gehirn geht allerdings auch einher, dass die normalen Muster des Gelingens nicht mehr so funktionieren. Mit der positiven Seite, dass das Gehirn nach der Pubertät einen wahren Qualitätssprung gemacht hat und die kognitive Leistung nach einem kurzen Abfall um einiges gesteigert ist.

Zusätzlich zeichnet diesen Wendepunkt aus, dass in dieser Phase die emotionale Abnabelung von den Bezugspersonen geschieht. Sehr zum Leidwesen der Erziehenden, denn wo vorher Liebe und Zuneigung war, übernehmen nun die Emotionen Ekel und Verachtung die ‚Pubertiere‘. Auch das ist ein wichtiger Prozess, um die Identität des Jugendlichen zu festigen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu schaffen. Nach der Pubertät sind wir körperlich und geistig Wort wörtlich aus der Krise gewachsen und sind eine neue Version unseres Selbst.

Die Quarterlife Crisis

Eine Krise, die viele womöglich nicht auf dem Schirm haben, sie aber trotzdem großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit haben kann, ist die Quarterlife Crisis. Während wir in der Pubertät zwar extremen vor allem körperlichen Veränderungen unterliegen, ist diese Krise vor allem emotional und mental.

Sie findet meist zwischen den Lebensjahren 18 und 30 statt. Der Wendepunkt bezieht sich hier insbesondere Akademiker:innen betreffend auf die Berufswahl. Hier ist die Frage vorherrschend: Welchen Weg möchte ich im Leben gehen? Junge Erwachsene sehen sich unter einem enormen Druck, die Erwartungen ihrer Umgebung zu erfüllen und gleichzeitig eine Wahl zu treffen, die sie nicht den Rest ihres Arbeitslebens bereuen wollen. Diese Zerreißprobe zwischen inneren und äußeren Ansprüchen kann eine Quarterlife Crisis auslösen.

Ausführlicheres zum Thema Quarterlife Crisis können Sie HIER in unserem Blog nachlesen.

Die Midlife Crisis

Das ist wohl die bekannteste der Lebenskrisen, die wie auch die Quarterlife Crisis, auftreten kann aber nicht muss. Durch die geläufige Verbreitung dieser Krise wird sie häufig auch nicht ernst genommen oder sehr schnell bei Mitmenschen ‚diagnostiziert‘. Es reicht schon, mit Mitte vierzig einen Motorradführerschein zu machen oder sich die Haare bunt zu färben und schon heißt es: „Das muss die Midlife Crisis sein“.

Die emotionalen und körperlichen Auswirkungen dieser Lebenskrise sind jedoch meist sehr viel gravierender. Die Krise findet meist zwischen 30 und 50 statt und wird zumeist dadurch ausgelöst, dass Betroffene sich festgefahren in ihrem Alltag fühlen, oder sich sehr in der Arbeit verlieren. Nicht selten tritt daher in dieser Lebensphase ein Burnout auf.  In diesem Lebensabschnitt ist häufig die Berufswahl getroffen, Familien gegründet und meist auch Wohnträume erfüllt. Hier stellt sich für viele die Frage nach der Zufriedenheit und nach bereits erreichten Zielen.

Die Midlife Crisis ist eine Existenz- bzw. Identitätskrise, in der besonders der Sinn des eigenen Handels oder gar des eigenen Lebens hinterfragt wird. „Wer bin ich eigentlich, habe ich mich auf meinem Lebensweg verloren und wo will ich eigentlich noch hin?“

Mehr zur Midlife Crisis und wie wir ihr resilient begegnen können, finden Sie HIER.

Der Renteneintritt

Ein weiterer Wendepunkt im Leben zeigt sich mit besonderem Bezug zum Arbeitsleben. Denn wer 35 Jahre (mehr oder weniger) seines Lebens gearbeitet hat, für den ist es eine enorme Umstellung nun jeden Tag seiner Woche für den Rest seiner Tage vollkommen unabhängig von beruflichen Verpflichtungen zu planen. Damit einher kann ein plötzlicher Verlust des Sinns gehen und eine Ratlosigkeit, wie dieser Sinn nun anderweitig gefüllt werden kann.

Zwar würden die meisten Arbeitenden behaupten, sie fiebern der Rente schon entgegen und freuen sich auf die neugewonnenen Freiheiten. Allerdings kann genau dieser Übergang auch eine Krise bedeuten, die nicht zu unterschätzen ist. Falls man Kinder hat, sind diese in der Regel zu dem Zeitpunkt ausgezogen und haben eventuell schon eine eigene Familie gegründet, sodass auch hier ein Gefühl des Gebraucht-Werdens nicht unbedingt vorhanden sein muss. Je nach körperlichem Befinden stellen sich viele Betroffene die Frage: „Wofür stehe ich jeden Tag auf?“

Der Tod

Diese Krise ist – wenig überraschend – die letzte im Lebenszyklus und jeder Mensch erlebt sie früher oder später. Wie sich diese Krise gestaltet ist so individuell wie das Leben, das zuvor gelebt wurde. Es kann ein sehr leiser Wendepunkt sein mit einem friedlichen Einschlafen. Oder ein sehr langer Leidensweg sein, begleitet durch Krankheit oder Gebrechen.

Im Vergleich zu den anderen erwartbaren Lebenskrisen, hat diese Krise die wohl größten unangenehmen Auswirkungen für das persönliche Umfeld. So kann es sein, dass man selbst seinen Frieden mit dem bevorstehenden Tod geschlossen hat, die Trauer bei den Hinterbleibenden jedoch trotzdem sehr schmerzhaft sein kann. Andererseits kann man selbst auch sehr mit dem eigenen Ableben hadern, sodass dieses Thema zum Großteil gemieden wird. Wir halten es dennoch für wichtig, sich auch zu Lebzeiten mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, um dieser letzten Krise möglichst ressourcenvoll entgegenzublicken.

Wie können wir resilient mit den Lebenskrisen umgehen?

Resilienz Akademie | Die Lebenskrisen – Erwartbare Krisen als LebensbegleiterNachdem wir wissen, welche Lebenskrisen wir eventuell schon hatten oder welche noch auf uns zukommen können oder werden, stellt sich die Frage: Was können wir dagegen tun? Schließlich ist eine Krise kein erstrebenswerter Zustand.

Dazu gibt es eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte ist: Krisen im Leben generell (unabhängig, ob es eine Lebenskrise ist oder nicht) können nicht vollkommen vermieden werden. Es gibt immer mal Situationen, in denen wir uns mit einer Herausforderung oder einem Schicksalsschlag konfrontiert sehen.

Die gute Nachricht ist, dass Resilienz in jeder Krise und damit auch in Lebenskrisen (abgesehen von Geburt und Tod) helfen kann, die Krise gesund zu bewältigen. Und Resilienz kann jederzeit gestärkt werden. Der Kern der Resilienz im Umgang mit Krisen ist, vor, während und nach Krisen im Kontakt mit den eigenen inneren Kraftquellen – den Ressourcen – zu bleiben. In einem Resilienztraining lernen Sie, die Ressourcen zu erkennen, auf die Sie schon natürlich zugreifen und lernen, den Zugang zu weiteren hilfreichen Ressourcen zu verbessern.

Für eine kleine Soforthilfe im Umgang mit Lebenskrisen, finden Sie hier drei kleine Resilienz-Helfer:

Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion stärken

Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion sind elementare Schutzfaktoren für eine starke Resilienz – und damit ein gelingender Umgang mit Krisen. Wenn Sie Stress frühzeitig bemerken und Ihre Gedanken und Gefühle reflektieren, kann das dazu führen, dass Sie eine Lebenskrise bemerken, bevor der schlimmste Punkt erreicht ist. So können Sie länger handlungsfähig bleiben und die Auswirkungen der Krise minimieren.

Eine kleine Übung, um die Selbstwahrnehmung zu stärken, ist der achtsame Körperscan. Nehmen Sie sich dazu einen ruhigen Augenblick. Richten Sie dann Ihre Aufmerksamkeit zunächst nur auf Ihren Atem und beobachten Sie, wie er ein- und ausströmt.

Lenken Sie dann Ihren Fokus auf Ihren Körper und gehen mit ihrer Aufmerksamkeit vom Kopf langsam abwärts – ein Körperteil nach dem anderen. Nehmen Sie einfach wahr, wie sich beispielsweise Ihre Schultern oder ihr Bauch anfühlen, ohne zu bewerten oder verändern zu wollen. Richten Sie anschließend Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Emotionen. Nehmen Sie einfach wahr, was Sie gerade fühlen, ebenfalls ohne zu bewerten. Abschließend können Sie die Aufmerksamkeit wieder auf Ihren Atem richten und ein paar achtsame Atemzüge tun.

Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit für den Körperscan, um Ihre Selbstwahrnehmung kontinuierlich zu verbessern.

Soziale Unterstützung

Bindung ist nicht nur einer der wichtigsten Schutzfaktoren für unsere Resilienz, sondern für unser Wohlbefinden und unsere psychische wie physische Gesundheit insgesamt. Sollte eine der oben genannten Lebenskrisen bei Ihnen besonders auf Resonanz stoßen und Sie an Ihre aktuelle Situation erinnern, sprechen Sie mit einer vertrauten Person darüber. Zuzugeben, dass es einem nicht gut geht, ist kein einfacher Schritt. Doch es ist Balsam für die Seele, zu vertrauen.

Resilientes Mindset

Was ebenfalls hilft, mit akuten Lebenskrisen umzugehen, ist ein resilientes Mindset. Damit ist die Überzeugung gemeint, dass der Mensch extrem anpassungsfähig ist und wir aus jeder überwundenen Krise lernen und wachsen können.

Die Fähigkeit, die uns so anpassungsfähig macht, heißt Neuroplastizität. Denn obwohl die Pubertät den letzten Zeitpunkt extremen Sprießens von Neuronen markiert, können wir unser Leben lang neue Neurone und Verbindungen aufbauen. Unser Gehirn ist in der Lage sich bis zum Tod zu verändern und zu entwickeln. So können wir uns an Veränderungen anpassen, neue Muster bilden und letztendlich auch aus Krisen wachsen.

Eine kleines Wort kann dieses Mindset, das gewissermaßen ein Growth Mindset (nach Carol Dweck) ist, stärken – das Wort „noch“. Probieren Sie im Alltag gerne mal aus, anstelle von „nicht“ ein „noch nicht“ zu sagen. Bald schon wird sich das Aussprechen in ein Mitdenken wandeln und Sätze wie „Ich habe da keine Lösung für“ werden zu „ich habe da noch keine Lösung“.

Wozu Lebenskrisen gut sind

Lebenskrisen können, obwohl sie mit Unsicherheit und emotionalen Turbulenzen einhergehen, letztendlich eine positive Funktion erfüllen. Sie dienen als wichtiger Meilenstein im Lebensverlauf und als Chance zur Selbstreflexion. Während dieser Zeit werden viele Menschen mit Fragen bezüglich ihrer Lebensziele, ihrer Identität und ihres Lebenssinns konfrontiert. Diese kritische Selbstbetrachtung ermöglicht es, bisherige Lebensentscheidungen zu überdenken, neue Ziele zu setzen und persönliche Wachstumschancen zu erkennen.

Indem Menschen die Herausforderungen wie beispielsweise der Midlife Crisis bewältigen, können sie gestärkt und mit größerer Klarheit in die zweite Lebenshälfte eintreten. Sie gewinnen ein besseres Verständnis für sich selbst und entwickeln eine tiefere Wertschätzung für die kommenden Lebensabschnitte, die reich an Erfahrungen und Möglichkeiten sein können. Lebenskrisen bieten daher die Gelegenheit, innere Stärke und Resilienz zu entwickeln und die Lebensreise mit neuer Energie und Entschlossenheit fortzusetzen.

Bildquelle:

Rebecca van der Linde – Resilienz AkademieRebecca van der Linde, M.A. Germanistik und Kulturanthropologie, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Resilienz Akademie. Als Resilienz-Trainerin und Resilienz-Coach betreut sie den Blog der Resilienz Akademie und unterstützt in der konzeptionellen Entwicklung. Zudem agiert als SEO-Managerin für die Website. Ihre Schwerpunkt liegt auf der digitalen Präsenz der Themen rund um individueller und organisationaler Resilienz.

 


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Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).

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