Sicher kennen Sie den Begriff der Midlife Crisis, aber haben Sie schon einmal von der Quarterlife Crisis gehört? Auch hierbei handelt es sich gewissermaßen um eine Krise, die verknüpft mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters und Lebensabschnitts ist. Doch was steckt dahinter und wir können wir resilient mit einer solchen Krise umgehen?
Warum kommt es zur Quarterlife Crisis?
Die Quarterlife Crisis tritt bei jungen Menschen aufgrund einer Kombination aus verschiedenen Faktoren auf. Zum einen spielen die hohen Erwartungen und der Druck der Gesellschaft eine große Rolle. Denn in jungen Jahren werden uns oft bestimmte Lebenswege und Erfolgsmaßstäbe vorgegeben – sei es in Bezug auf Karriere, Beziehungen oder persönliche Entwicklung. Wenn wir dann feststellen, dass unsere tatsächlichen Erfahrungen und Emotionen nicht mit diesen Erwartungen übereinstimmen, kann dies zu einem Gefühl der Desorientierung und Frustration führen.
Ein weiterer Faktor ist die Suche nach Identität und einem Sinn im Leben. In den Zwanzigern durchlaufen viele Menschen einen Prozess der Selbstfindung, in dem sie ihre Werte, Interessen und Leidenschaften erkunden. Dieser Prozess kann mit Unsicherheit und Zweifeln einhergehen, da die individuellen Ziele und Träume möglicherweise noch nicht klar definiert sind.
Die Quarterlife Crisis kann also mit Unsicherheit und Unzufriedenheit verbunden sein. Allerdings kann sie auch Raum für die Reflexion über die eigenen Wünsche und Ziele bieten.
Was ist die Quarterlife Crisis?
Den Begriff der Quarterlife Crisis gibt es schon seit 1997, vor allem bekanntgemacht durch die US-amerikanischen Autorinnen Abby Wilner und Alexandra Robbins. Bevor wir uns genauer anschauen, was diese Krise eigentlich ist, lohnt es sich einen Blick auf die im Lebensweg benachbarten Krisen zu werfen.
Eher bekanntere Krisen sind die Pubertät und die Midlife Crisis. In der Pubertät finden insbesondere körperliche Prozesse statt, die einen starken Einfluss auf den psychischen Zustand haben. Das Verhalten der Teenager, das viele Eltern zur Weißglut oder zur Verzweiflung treibt, hängt unmittelbar mit den neuronalen und hormonellen Umbauprozessen in diesem bestimmten Lebensabschnitt zusammen. Allerdings befinden sich die meisten ‚Pubertiere‘ die äußeren Umstände betrachtend in einem stabilen Umfeld, sie gehen weiterhin zur Schule und wohnen in der Regel bei ihren Eltern oder Bezugspersonen.
In der Midlife Crisis sind es zum Teil körperliche Prozesse, wie beispielsweise die Wechseljahre bei den Frauen, die diese psychische Krise auslösen oder begleiten können. Meist kommt es hier zu einer Sinnkrise aufgrund eines Gefühls von Festgefahren-sein und der Vergänglichkeit des Lebens. Auch die Angst, etwas zu verpassen oder zu alt für bestimmte Erlebnisse zu werden, spielt hier eine große Rolle.
Im Gegensatz dazu wird die Quarterlife Crisis meist dadurch ausgelöst, dass man generell nicht weiß, wie es weitergehen soll. Sie beschreibt die Zeit zwischen 20 und 30 Jahren, in der (besonders Akademiker:innen betreffend) die Ausbildung abgeschlossen ist und der Übergang zum Berufsleben wartet. Ob es nun der abgeschlossene Schulabschluss und die Suche nach einem Ausbildungsplatz oder das abgeschlossene Studium und die Suche nach einem Job ist, ist weniger relevant. Die folgende Frage ist kennzeichnend für die Krise: „Welchen Weg möchte ich im Leben gehen?“
Wie können wir resilient mit der Quarterlife Crisis umgehen?
Braucht es für die Antwort auf diese Frage immer gleich ein Jahr Backpacking in Australien oder ähnliches? Jein. Für viele ist es enorm hilfreich, die Zeit zwischen Ausbildungsabschluss und Berufsstart als Orientierungsphase zu nutzen. Doch für eine solche Orientierung muss es nicht zwangsläufig das Ausland sein. Resilienz ist die Fähigkeit, flexibel mit Stress umzugehen und vor allem in Krisen die psychische Gesundheit zu schützen, um möglichst schnell wieder Wohlbefinden zu erfahren. Hier ein paar Resilienz-Tipps für Mittzwanziger, die auf der Suche nach ihrem persönlichen Weg sind.
Akzeptanz
Einer der wichtigsten Schutzfaktoren für Resilienz ist eine Haltung der Akzeptanz. Damit ist nicht gemeint, den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis der perfekte Job beispielsweise vom Himmel fällt. Es geht darum, die eigenen Emotionen, die in dieser Zeit der Unsicherheit herrschen anzunehmen und weder als positiv noch als negativ zu bewerten.
Obwohl man jetzt offiziell „erwachsen“ ist und somit auch die Erwartungen des Umfelds diese Tatsache betreffend spürt, ist es vollkommen legitim, noch keinen festen Plan im Leben zu haben und sich unsicher, ängstlich oder leer zu fühlen. Allein die Akzeptanz dessen hilft dabei, Stress zu regulieren und den Fokus weg von den Erwartungen anderer und hin zu den eigenen Wünschen zu richten.
Neuorientierung und Ausprobieren
Gerade weil diese Ansprüche an das Erwachsendasein nicht nur von außen sondern auch von innen heraus bestehen, kommt es nicht selten zu einem lähmenden Gefühl. Man müsste vorankommen und nun ins ‚tatsächliche‘ Leben starten, doch die Orientierungslosigkeit führt zu Hemmungen. Wenn wir Akzeptanz praktizieren und so schon einmal die Emotionsregulation anregen, geben wir der eigenen Selbstwirksamkeit auch eine Starthilfe. Und zwar bestenfalls in Richtung Ausprobieren. Ob es ins Ausland geht, in mehrere Praktika oder ins Ausbauen eines Hobbys – es kommt darauf an, sich die Erlaubnis zu geben, Dinge zu probieren, und am wichtigsten: zu Scheitern.
Soziales Netzwerk nutzen
Für Betroffene einer solchen Quarterlife Crisis ist es hilfreich zu wissen, dass sie damit nicht alleine sind. So kann es helfen, mit Mitschülern oder Kommilitonen über die aktuellen Erfahrungen und Gefühle zu sprechen, sich gegenseitig auszutauschen und Hilfe anzubieten. Der Schutzfaktor soziale Unterstützung ist in solch einer Identitäts- und Sinnkrise sehr wirksam. So kann es auch helfen, sich wohlwollenden Menschen wie Freunden und Freundinnen, Familienmitgliedern oder professionellen Begleitern, wie einem Resilienz-Coach, zuzuwenden und aktiv um Unterstützung zu bitten. Dadurch kann man emotionalen Beistand erfahren und neue Perspektiven gewinnen.
Wozu ein resilienter Umgang mit der Quarterlife Crisis führt
Ein resilienter Umgang mit der Quarterlife Crisis kann zu verschiedenen positiven Ergebnissen führen:
- Persönliches Wachstum: Durch die Auseinandersetzung mit der Quarterlife Crisis und die Entwicklung von Resilienz können Betroffene ein tieferes Verständnis ihrer eigenen Werte, Stärken und Schwächen gewinnen. Dieser Prozess der Selbstreflexion und Selbstentwicklung kann zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein und zu einem größeren persönlichen Wachstum führen.
- Klare Lebensrichtung: Eine Quarterlife Crisis kann als eine Zeit der Neuorientierung und des Entdeckens genutzt werden. Indem man sich auf die eigenen Interessen, Leidenschaften und Ziele fokussiert, kann man eine klarere Lebensrichtung definieren. Resilienz ermöglicht es, Rückschläge und Hindernisse als Teil des Prozesses anzunehmen und sich nicht entmutigen zu lassen. Dies kann zu einem Gefühl von Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit im eigenen Leben führen.
- Stärkere Bewältigungsfähigkeiten: Resilienz hilft dabei, Herausforderungen und Stresssituationen besser zu bewältigen. Betroffene lernen, mit Unsicherheit, Veränderungen und Misserfolgen umzugehen und sich davon nicht entmutigen zu lassen. Indem man sich selbst als widerstandsfähig erkennt, wird man in der Lage sein, zukünftige Krisen und Herausforderungen besser zu meistern.
Zusammenfassend ermöglicht resilienter Umgang mit der Quarterlife Crisis Betroffenen, die Krise als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung zu nutzen und gestärkt aus dieser Lebensphase hervorzugehen.
Quelle Bilder: Midjourney
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).