Auf die Frage nach den liebsten Hobbys würden wohl nur die wenigsten Menschen „Gehen“ antworten. Warum auch? Wir nutzen Gehen zum Transport oder als körperliche Betätigung, um ein paar Gramm zu verbrennen. So richtiges Spazierengehen ist insbesondere bei der jüngeren und mittleren Altersschicht nicht wirklich der liebste Zeitvertreib. Die Macht des Spaziergangs wird meist verkannt – Lesen Sie hier, warum wir alle uns spazieren gehen zum Hobby machen sollten.
Warum wir spazieren gehen unterschätzen
Im direkten Vergleich zwischen eine weitere Folge der aktuellen Serie gucken, durch den Online-Shop der Wahl scrollen und spazieren gehen schneidet Letzteres wohl nicht sehr gut ab. Wir füllen unsere Freizeit gerne mit Dingen, die einen direkten Input geben, und sei es nur das Durchschauen von Twitter, Instagram, Facebook und Co.
Beim Spazieren gehen fehlt uns dieser direkte Input. Wir gehen meist Strecken, die wir eh schon kennen, und selbst Musik oder ein Podcast nebenbei übertönen kaum die Langeweile, die ein Spaziergang für so manche vermitteln mag. Dabei unterschätzen wir das Gehen gewaltig.
Welche Tätigkeit können Sie täglich ausführen, ohne spezielles Equipment und Zusatzutensilien, mit wenig Vorbereitung und so gut wie keinem Aufwand? Welche Tätigkeit können Sie auch mit Rücken- oder Nackenschmerzen durchführen, die gleichzeitig körperliche und geistige Gesundheit fördert? Welche Tätigkeit können Sie als ruhige Ich-Zeit wie auch für soziale Interaktion und Geselligkeit nutzen? Ich behaupte, ein Spaziergang trifft auf all diese Attribute zu.
5 Gründe zum spazieren gehen
Die Kombination aus leichter Bewegung und sich draußen aufhalten hat einen großen Einfluss auf unsere physische, wie auch psychische Gesundheit. Zum Beispiel konnten Studien feststellen, dass Naturerleben Stress reduziert. Neben den gesundheitsfördernden Aspekten, die Gehen mit sich bringt, zeigt die Kommunikationstrainerin Deborah Grayson Riegel in einem Gastbeitrag für die Harvard Business Review 5 weitere Gründe auf, warum wir alle mehr spazieren gehen sollten.
1. Für Perspektive
Genauer gesagt hilft ein Spaziergang für einen Perspektivwechsel. Ob wir nun unserem Alltag für einen kurzen Moment entfliehen wollen, oder einen bestimmten Problemfokus haben – bei einem Spaziergang, insbesondere in der Natur, erweitern wir unsere Wahrnehmung. Wir schaffen durch das Gehen Platz für neue Blickwinkel auf ein Thema.
2. Für Verbindung
Sie können die Zeit des Spaziergangs ganz für sich nutzen – müssen Sie aber nicht. Sie können sich mit einer Person zum Spazieren treffen (sicher und verantwortungsvoll in Zeiten von Corona), Ihren/ Ihre Lebensabschnittsgefährten oder -gefährtin zum gemeinsamen Gehen motivieren oder beim Gehen telefonieren. So verbinden Sie Bewegung, frische Luft und das Pflegen sozialer Kontakte. Denn Bindung und daraus folgende soziale Unterstützung sind wichtige Schutzfaktoren gegen psychische Belastungen.
3. Fürs Lernen
Beim Spazieren gehen kann man wunderbar die Gedanken und Probleme des Alltags loslassen und den Geist ebenfalls auf Wanderschaft schicken. Doch man kann auch seinen Kopf mit neuem Input füttern. Dafür eignen sich zum Beispiel Hörbücher und Podcasts, oder auch die Aufzeichnungen des Resilienz-Kongresses 2021. Ein Spaziergang kann die Zeit sein, die Sie Zuhause nicht mit diesen Inhalten füllen können oder wollen.
4. Für Produktivität
Haben Sie schon einmal von Walk and Talk gehört? Das ist eine Meeting-Methode, bei der man, wie der Name schon sagt, geht und spricht. Obwohl sich Menschen wie Steve Jobs, Mark Zuckerberg oder Jack Dorsey dieser Methode bedienen, ist sie nicht neu – Schon Aristoteles hielt seine philosophischen Ausführungen mit seinen Schülern im Gehen ab. Außerdem kann ein Spaziergang die Kreativität anregen. So können Sie neue Ideen sprudeln lassen oder Platz für Geistesblitze schaffen. Mit einer Notizapp oder der Sprachaufnahme können Sie Ihre Gedanken dann auch festhalten. Ein schöner Nebeneffekt, wenn Sie beim Spazieren etwas erledigen: Wenn Sie nach Hause kommen, können Sie etwas von Ihrer To-Do-Liste streichen.
5. Dankbarkeit
Wie oft bedanken Sie sich bei Ihrem Körper, dass er es Ihnen ermöglicht zu gehen? Spazieren gehen ist nicht selbstverständlich, denn es gibt viele Menschen, denen dies durch Behinderung, chronischen Schmerz oder Angst nicht möglich ist. Auch manche Verpflichtungen können das Spazieren verhindern. Wenn es Ihnen möglich ist, eine kurze Zeit Ihres Tages mit Gehen zu verbringen, dann ist das ein Grund zur Dankbarkeit. Sie ist eine enorm kraftvolle Ressource, die Sie mit einem Spaziergang aktivieren können, wenn Sie sich die Zeit für die guten Dinge in Ihrem Leben nehmen. Konzentrieren Sie sich ruhig auf die kleinen Dinge dabei, wie zum Beispiel die Dankbarkeit, dass es gerade nicht regnet und sie trocken nach Hause kommen können.
Wie Sie spazieren gehen zur Gewohnheit machen
Damit Sie dauerhaft von den Vorteilen eines Spaziergangs profitieren können, sollte das Gehen zur Gewohnheit werden. Gerade bei Bürotätigkeiten kommen die meisten Menschen auf keine empfohlenen 10.000 Schritte am Tag. Mit einem kleinen Spaziergang schaffen Sie das schon eher. Der Trick liegt in der Gewohnheit. Hier bekommen Sie zwei Tipps, die die Gewohnheitsbildung fördern:
- Machen Sie sich das Gehen attraktiv: Was wäre für Sie ein passender Ansporn für die regelmäßige Betätigung? Vielleicht hören Sie nur beim Spazieren dieses spannende Hörbuch, oder nach dem Spaziergang bringen Sie sich etwas Leckeres vom Bäcker mit? Je attraktiver die Belohnung (und das Durchhaltevermögen sich nicht selbst zu belügen), desto öfter wiederholen Sie die Tätigkeit, sodass ein Spaziergang sich wie von selbst in Ihren Tagesablauf integriert.
- Knüpfen Sie an bestehende Gewohnheiten an: Die meiste Zeit des Tages besteht bereits aus festen Routinen. Eine neue Gewohnheit zu etablieren funktioniert besonders dann gut, wenn sie sich an die Routinen des Tages anpasst. Zum Beispiel kann eine Mahlzeit mit einem anschließenden Spaziergang verbunden werden oder den Abschluss des Arbeitstages markieren. Werfen Sie nicht Ihren Plan durcheinander, sondern verknüpfen Sie Vorhandenes mit Neuem.
Spazieren gehen für mehr Gesundheit und Wohlbefinden
Ein abschließendes Wort: Manchmal tut es auch gut, gar kein Ziel mit dem Spaziergang verfolgen zu wollen. Einfach nur gehen und schauen, was passiert. Ob es die Achtsamkeit erhöht, neue Ideen bringt, entspannt oder mit anderen Menschen verbindet… Finden Sie für sich heraus, wie Sie Ihre Spaziergänge nutzen können und wollen.
Das Fazit ist nur: Gehen Sie, wann und wo Sie können. Körper, Geist und Seele werden es Ihnen danken.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienz-Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).
Danke für diese Impulse! Da gehöre ich dann wohl zur Ausnahme ;-) Für mich ist Gehen eindeutig eines meiner liebsten Hobbys, und mehr als das. Spazieren gehen ist fest in meinem Alltag verankert, auch in meinem Arbeitsablauf. Ich mag es, mich draußen zu bewegen – in einem Tempo, wo ich gut wahrnehmen kann. Es trägt erheblich zu meinem Wohlbefinden bei. Es ist sicherlich sehr hilfreich, sich Anker und Belohnungen zu überlegen (wie in Ihrem Artikel beschrieben), um sich das Gehen zur Gewohnheit zu machen.
Viele Grüße, Regina Schlager