Was sind Kontrollüberzeugungen?
Ganz generell gefasst bedeuten Kontrollüberzeugungen die eigene Wahrnehmung darüber, inwiefern Situationen beeinflussbar sind. Dabei wird hauptsächlich zwischen den internalen und den externalen Kontrollüberzeugungen unterschieden. Wenn ein Mensch Erlebnisse als Ergebnis eigener Handlungen wahrnimmt, ist dies die internale Kontrollüberzeugung. Werden Umstände dahingegen eher äußeren Kriterien, wie beispielsweise Schicksal zugesprochen, ist die externale Überzeugung gemeint.
Zudem lassen sich die Kontrollüberzeugungen, ebenfalls wie beim Schutzfaktor Selbstwirksamkeitserwartung in allgemeine und spezifische Überzeugungen einteilen.
Kontrollüberzeugungen als Schutzfaktor
Insbesondere in der Resilienzforschung stellt eine internale Kontrollüberzeugung einen Schutzfaktor dar. In den meisten Studien darüber wurden besonders chronische Stressoren und Krankheiten in den Fokus gerückt.
In einer Studie, bei der deutsche und englische Mangerinnen und Manager untersucht wurden, zeigte sich die positive Wirkung internaler Kontrollüberzeugungen auf die Arbeitszufriedenheit und die Gesundheit (Kirkcaldy, Trimpop, Williams 2002). Eine Studie zu Feuerwehrmännern mit internaler Kontrollüberzeugung veranschaulichte ein geringeres Auftreten von Depression (Regehr u.a. 2000).
Diese und andere Studien zeigen auf, dass bei einer hohen Überzeugung von eigenmächtiger Einflussnahme auf die Situation die Zufriedenheit und die psychische sowie physische Gesundheit gestärkt werden. Einfach ausgedrückt: Es stärkt die Resilienz.
Wann wirken Kontrollüberzeugungen?
- Was ich mir vornehme zu kontrollieren hat direkten Einfluss auf meine Resilienz.
Generell weisen die empirischen Studien auf den Zusammenhang von einer hohen internalen Kontrollüberzeugung hin, jedoch gibt es hier eine Uneindeutigkeit. Wann wirkt der Schutzfaktor besonders protektiv?
Eine Studie zeigte beispielsweise, dass Studierende mit Parentifizierungserfahrungen (Rollentausch von Eltern und Kind) eine eher niedrige internalen Kontrollüberzeugung hatten und Depressivitätssymptome aufwiesen. Dabei zeigte sich jedoch, dass diejenigen mit vergleichsweise hohen internalen Überzeugungen dagegen weniger Symptome zeigten (Williams, Francis 2010). Der protektive Effekt des Schutzfaktors trat hier also nur unter direktem Einfluss des Stressors hervor.
In einer anderen Studie dagegen zeigte sich der Schutzfaktor besonders bei weniger Einfluss des Stressors. Hierzu untersuchten Gray-Stanley und Kollegen (2010) Fachkräfte in der Betreuung von geistig behinderten Menschen mit hohen internalen Kontrollüberzeugungen. Diese waren durch den Schutzfaktor weniger belastet. Das traf erstaunlicherweise besonders auf diejenigen mit eher geringerem Arbeitspensum zu.
Daran zeigt sich, dass man nicht genau sagen kann, ob der Schutzfaktor nun bei besonders großem oder eben eher geringen Einfluss des Stressors eine größere Wirkung hat. Auch gibt es kaum Studien dazu, inwiefern der Schutzfaktor nun bei Traumata wirkt, hier müsste noch weiter geforscht werden.
Gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugungen
Seit den 1980er Jahren lag ein besonderer Forschungsschwerpunkt auf dem Zusammenhang von Kontrollüberzeugungen und (physischer) Gesundheit. Grundsätzlicher Ausgangspunkt war hier, dass eine hohe internale Überzeugung von Kontrolle ein besonders gesundheitsbewusstes Verhalten mit sich ziehe. So würden Neuerkrankungen verhindert und Gesundheit besonders gefördert werden.
Doch schon Anfang der 90er wurde dieses Argument überdacht, da die Untersuchungen dazu zu inkonsequent waren (Vgl. Bengel 1993). Ein Erklärungsansatz hierfür ist, dass Art, Schweregrad und Dauer der Erkrankung eine große Rolle spielen und in einer Studie nicht repräsentativ untersucht werden können. Lohaus (1992) weist deshalb darauf hin, dass Kontrollüberzeugungen besonders da Einfluss haben, wo auch die Möglichkeit zur Kontrolle bestehe.
Wie wirken Kontrollüberzeugungen?
Eine Studie zu Patientinnen und Patienten mit einer Knieprothesenoperation zeigte auf, wie die Kontrollüberzeugungen wirken. Die Betroffenen mit einer hohen internalen Kontrollüberzeugung machten beispielsweise schnellere Fortschritte bei der Rehabilitation (Kendell u.a. 2001). Dies mag daran liegen, dass durch die Wahrnehmung der Kontrollmöglichkeiten, die Betroffenen motivierter waren und mehr Bereitschaft bei den Übungen zeigten. In diesem Fall hatten die Überzeugungen durchaus Einfluss auf den gesundheitlichen Fortschritt, allerdings eher als Anregung, um Handlungsspielräume besser zu nutzen.
In Studien zu chronischen Erkrankungen, bei denen nur eine geringe Kontrollmöglichkeit besteht, wie zum Beispiel Migräne (Lampl et al. 2003) oder Krebs (Knappe und Pinquart 2009) zeigte sich kein Zusammenhang von internaler Kontrollüberzeugung und Gesundheit, bzw. dem Wohlbefinden der Erkrankten.
Die internalen Kontrollüberzeugungen werden hier als Schutzfaktor dargestellt, doch was ist mit den externalen? Sich selbst positive Folgen eines Ereignisses zuzuschreiben stärkt die Selbstwirksamkeit und das Selbstvertrauen. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen externale Kontrollüberzeugungen angebrachter sind. Besonders bei chronischen Erkrankungen kann es emotional entlasten sich nicht selbst die Verantwortung dafür zu geben, sondern äußeren Umständen wie Zufall einem Ereignis zuzuschreiben. Hier geht es besonders darum, sich nicht selbst Schuld zu geben.
Eine Studie zu Müttern von behinderten Kindern zeigte auf, dass es einer differenzierteren Blickweise auf Kontrollüberzeugung bedarf (Lloyd und Hastings 2009). Die sozial-externalen Kontrollüberzeugungen, also kein Vertrauen in eigene Handlungsmacht, erwiesen sich hier als Risikofaktor. Wohingegen das Zuschreiben von Erlebnissen auf externe Faktoren wie Schicksal zu einem erheblich besseren mütterlichen Verhältnis zum Kind beitrug.
In den meisten Studien wird eine hohe externale Kontrollüberzeugung konsequent als Risikofaktor hervorgehoben. In manchen fällen kann sie jedoch auch einen Schutzfaktor darstellen. Wann und wie die persönlichen Kontrollüberzeugungen schützend wirken ist also situationsabhängig.
Generell lässt sich sagen, dass wir Resilienz dadurch stärken, wenn wir positive Folgen dem eigenen Handeln und negative Erlebnisse eher äußeren Umständen zuschreiben.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienz-Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).