Konstruktivismus – Wie Wahrnehmung entsteht

Der Konstruktivismus ist kurz gesagt eine Theorie der Entstehung von Wissen und der Wahrnehmung. Es geht darum, wie Menschen an Wissen gelangen und so auch fähig sind zu lernen. Zudem ist der Konstruktivismus eine wichtige Grundannahme der Resilienz, denn die Sichtweise hat Auswirkungen auf resiliente Kommunikation und persönliche Weiterentwicklung.

Was ist der Konstruktivismus?

Es handelt sich um eine Position der Erkenntnistheorie. Dabei gibt es in der Philosophie verschiedene Richtungen. Beispielsweise den radikalen Konstruktivismus oder den Erlanger Konstruktivismus. Allerdings haben alle unterschiedlichen Strömungen folgende Annahmen gemein:

Frau sitzt vor Glühbirne - Wahrnehmung
Wie geben wir Dingen eigentlich eine Bedeutung?
  • Es geht um die Entstehung der Dinge, statt um das Wesen an sich (Wie-Fragen anstelle von Was-Fragen).
  • Der Fokus liegt auf dem Beobachter und nicht auf der ‚Realität‘
  • Es herrscht die Annahme, dass es keine Objektivität und damit auch keine objektive Realität gibt. Der Beobachter erschafft sozusagen die Wirklichkeit durch seine eigene Wahrnehmung.

Normalerweise verstehen wir unsere eigene Wahrnehmung als Abbild der Wirklichkeit. Der Konstruktivismus geht allerdings davon aus, dass es keine Wirklichkeit gibt, sondern nur die individuellen Wahrnehmungen der einzelnen Menschen. Jeder Mensch erschafft seine eigene Realität, sozusagen eine innere Welt. Diese setzt sich vor allem aus den Erfahrungen und Erkenntnissen zusammen.

Konstruktivismus und Resilienz

Dieser konstruktivistische Ansatz schafft einen großen Vorteil, Wahrnehmung besser zu verstehen und somit die Resilienz zu stärken. Denn unsere innere Welt nimmt großen Einfluss auf die Widerstandskraft gegen Stress.   

Resiliente Kommunikation durch konstruktivistisches Denken

Der Ansatz, dass jeder Mensch nur seine eigene innere Welt kennt, birgt großes Potential für eine resiliente Kommunikation. Hierzu ein Beispiel:

Stellen Sie sich vor, Ihr gegenüber zeigt Ihnen eine Tasse und fragt Sie, auf welcher Seite der Henkel ist. Für Sie ist er wahrheitsgemäß auf der rechten Seite. Doch diese Wahrheit gilt nur für Sie. Denn für Ihren Gegenüber ist er links. Wer sagt nun die Wahrheit?

Wenn wir unsere eigene Sichtweise deutlich kommunizieren, beispielsweise ganz wörtlich sagen „In meiner Welt…“, dann können wir Konflikte vermeiden. Gleichzeitig würdigen wir die Sicht des anderen, indem wir nur von unserer eigenen Wahrnehmung sprechen. Diese Art des Mittteilens vermindert Stress und stärkt Bindungen in der Kommunikation.

Weiterentwicklung durch Konstruktivismus

Eine weitere zentrale Facette des Konstruktivismus ist die lerntheoretische Perswpektive. In der Lernpsychologie gehen Theoretiker dieses Ansatzes davon aus, dass Lernen sehr stark vom eigenen Erleben abhängt. Das bedeutet, wie wir lernen und uns weiterentwickeln wird zum Großteil durch unsere Erfahrungen und die eigene Konstruktion der inneren Welt bestimmt.

Eine resiliente Haltung ist das Reflektieren dieser Erfahrungen. Denken, Fühlen und Handeln ist damit nicht von äußeren, objektiven Einwirkungen bestimmt. Stattdessen liegt die Weiterentwicklung, und damit auch das über sich hinauswachsen in den eigenen Händen. Die Selbstwirksamkeit, die somit gestärkt wird, ist ein wichtiger Faktor für eine starke Resilienz und ermöglicht den Selbstschutz gegen Stress.


Resilienz Akademie | Konstruktivismus – Wie Wahrnehmung entstehtSebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).

 

2 Kommentare zu „Konstruktivismus – Wie Wahrnehmung entsteht“

  1. Sehr geehrter Herr Mauritz,

    ich würde Ihr Tassenbeispiel zum konstruktivistischen Denken für eine wissenschaftliche Arbeit zitieren. Könnten Sie mir das Entstehungsdatum des Beitrags mitteilen?

    Besten Dank.

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