Was brauchen wir, um Anpassungsfähigkeit und Regulationsfähigkeit – mit anderen Worten: Resilienz – zu trainieren? Wie können wir unseren Zustand so verändern, dass wir mit Stress besser umgehen können und emotional gesund bleiben? Dirk W. Eilert und Ruben Langwara geben innerhalb ihres Mesource®-Konzepts eine Antwort auf diese Fragen: die acht emotionalen Super-Ressourcen.
Warum brauchen wir überhaupt Ressourcen?
Machen wir ein kleines Gedankenexperiment. Nehmen wir an, Sie wollen einen Kuchen backen, allerdings dürfen Sie weder Eier, Butter, Milch, Wasser, Mehl noch eine Rührschüssel oder einen Schneebesen verwenden. Ach ja, und natürlich keine veganen, glutenfreien etc. Alternativen. Was tun Sie?
Genau so würde es sich anfühlen, wenn Sie Ihren Alltag ohne Ressourcen bestreiten müssten. Denn sie sind die Eigenschaften, Gegebenheiten und Mittel, um Herausforderungen zu meistern und Ziele zu erreichen. Ohne sie kriegen wir im Leben sprichwörtlich nichts gebacken. So wundert es nicht, dass wir im Umgang mit Stress und Krisen besonders auf unsere Ressourcen angewiesen sind.
Das Fatale dabei ist nur, dass uns unter Stress der Zugang zu diesen Ressourcen besonders schwerfällt. Hier herrschen eher die Emotionen Ärger und Angst vor, statt angenehme Emotionen. Das Besondere an den Super-Ressourcen, die Sie gleich kennenlernen werden, ist, dass sie nicht nur angenehme Emotionen und wohltuende Zustände sind, sondern Sie Ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation verbessern. Sie können dadurch also besser mit Stress und Krisen umgehen.
Was sind die Super-Ressourcen?
„Super“ soll hier nicht als Synonym für „Großartig“ stehen, sondern stammt vom Lateinischen „über“. Es handelt sich um übergeordnete Ressourcen mit einer weitreichenden Wirkung auf unser psychisches und auch physisches System. Schauen wir uns dazu zunächst die Struktur von emotionalen Ressourcen an.
Ressourcen und Super-Ressourcen
Prinzipiell lässt sich jede Emotion als Ressource verstehen. Denn auch die unangenehmen Emotionen erfüllen eine wichtige Funktion. So ist Ärger der Hüter der Werte oder Angst die Hüterin der Sicherheit. Doch diese Ressourcen helfen uns nicht, aus Krisen hinauszugelangen und nach Krisen zu wachsen. Allerdings tun das auch die angenehmen Emotionen wie beispielsweise Freude und Interesse nicht. Diese helfen vielmehr uns im Alltag voranzubringen, uns zu entfalten und Ziele zu erreichen.
Das sind dann die sogenannten Alltags-Ressourcen. Sie haben Einfluss auf unser Verhalten, doch ihnen fehlt ein entscheidender Aspekt, der besonders das persönliche Wachstum und den Ausbau einer starken Resilienz sowie Prosilienz® fördert: sie berühren nicht das Ich-Gefühl.
Und hier kommen die Super-Ressourcen ins Spiel. Denn sie zeichnen sich nach Eilert und Langwara durch mindestens eine der drei Qualitäten aus:
- Sie sind selbsttranszendent: Sie geben uns das Gefühl, dass wir Teil etwas Größerem sind und lassen das Ich kleiner werden.
- Sie sind selbstreflektiv: Sie basieren auf der Fähigkeit, dass wir über uns selbst nachdenken können.
- Sie berühren die existenzielle Ebene: Sie sind überlebensnotwendig.
Wobei letzteres nur auf eine der acht folgenden Ressourcen zutrifft.
Die acht Super-Ressourcen
Die acht Super-Ressourcen orientieren sich an dem von Dirk W. Eilert entwickelten Motivkompass®. Dieser besteht aus vier neurobiologischen Grundbedürfnissen: Durchsetzung & Einfluss, Ordnung & Stabilität, Harmonie & Geborgenheit sowie Inspiration & Leichtigkeit. Bestehend aus jeweils zwei dieser Grundmotive ergeben sich vier Zusatz-Motivsysteme, das psychische: Immunsystem, Sicherheitssystem, Assimilationssystem und Aktionsausdauersystem.
Was die Super-Ressourcen nun im Gegensatz zu den emotionalen Alltags-Ressourcen auszeichnet, ist, dass sie jeweils eines dieser Motivsysteme vollkommen erfüllen. Sie fungieren sozusagen als Hauptgeneratoren des jeweiligen Feldes im Motivkompass®. Diese Super-Ressourcen sind:
Stolz für Durchsetzung & Einfluss
Selbstkontrolle für das psychische Immunsystem
Sicherheit/Entspannung für Ordnung & Stabilität
Innerer Friede für das psychische Sicherheitssystem
Dankbarkeit für Harmonie & Geborgenheit
Positivitätsresonanz für das psychische Assimilationssystem
Ehrfurcht für Inspiration & Leichtigkeit
Flow für das psychische Aktionsausdauersystem
Wie stärken die Super-Ressourcen Resilienz?
Wie bereits erwähnt, sind diese Emotionen und emotionalen Zustände den Alltags-Ressourcen übergeordnet, da sie eine weitreichendere und tiefere Wirkung auf unser System haben. Sie berühren das Ich-Gefühl und können dadurch einen nachhaltigeren positiven Effekt entfalten. Und zwar auf psychischer und auf physischer Ebene. Die folgenden Wirkungen der Super-Ressourcen sind durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus Emotionspsychologie und Neurobiologie bestätigt.
Auf psychischer Ebene stärken diese acht Ressourcen die Resilienz, indem sie zum Großteil vor Depression und Stress schützen oder zumindest die Symptome abschwächen. Darüber hinaus stärken sie die Lebenszufriedenheit und das Glücksempfinden. Sie sorgen dafür, dass wir Herausforderungen mit einer größeren Selbstwirksamkeit entgegentreten, fördern prosoziales Handeln und steigern die Leistungsmotivation. Mit anderen Worten, sie fördern in Ihrer Synergie alle drei Kohärenzfaktoren und lassen Stress und Krisen bewältigbar erscheinen.
Auf physischer Ebene zeigt sich, warum wir mittels der Super-Ressourcen zu einer besseren Emotionsregulation fähig sind. Denn alle der oben beschriebenen Ressourcen hängen mit einer Aktivierung des Parasympathikus und damit einer Erhöhung der Herzratenvariabilität (HRV) zusammen. Eine hohe Herzratenvariabilität zeigt an, wie anpassungsfähig unser System ist und damit auch, wie resilient wir auf Probleme, Stress und Krisen reagieren können.
Die HRV macht vereinfacht gesprochen sichtbar, wie gut es unserem neuronalen Steuerungsnetzwerk – dem präfrontalen Cortex – gelingt, das neuronale Stressnetzwerk – vor allem die Amygdala – zu beruhigen und damit die parasympathische Unterdrückung aufzuheben. Das heißt, wir sind mit einer hohen HRV, durch Aktivierung der Super-Ressourcen, besser in der Lage Stress zu regulieren.
Wie können Sie die Super-Ressourcen trainieren?
Den ersten Schritt in Richtung stärkerer Resilienz haben Sie bereits getan, Sie kennen nun die emotionalen Ressourcen für mentale Gesundheit. Doch das Wissen allein führt nicht zu den oben benannten Wirkungen – es ist das Erleben dieser Emotionen und Zustände, das Wohlbefinden steigert.
Sie können sich sicher sein, dass Sie mit jeder dieser Super-Ressourcen schon einmal in Kontakt waren. Sie haben bereits Momente gespürt, in denen Sie stolz auf Ihr Handeln waren, in denen Sie vollkommene Zufriedenheit spürten oder einfach dankbar waren. Sie besitzen bereits alle Ressourcen, die Sie brauchen, um Stress bewältigen zu können. Es braucht lediglich eine Verfestigung dieser Gefühle, damit Sie auch in stressigen Zeiten Ihr neuronales Steuerungsnetzwerk aktivieren können.
Stellen Sie sich folgende Fragen und spüren Sie die Resonanz der Antwort darauf in Ihrem Körper. Wie fühlt sich Dankbarkeit, Flow oder Entspannung für Sie an und in welchen Momenten erleben Sie es?
Die Fragen sind:
Stolz: Was habe ich durch mein Handeln erreicht, auf das ich stolz bin?
Selbstkontrolle: In welcher Situation konnte ich willentlich einem attraktiven Impuls widerstehen, der mich sonst von meinen Zielen abgelenkt hätte?
Sicherheit/Entspannung: Wann habe ich mich sicher oder einfach nur entspannt gefühlt?
Innerer Friede: Was ist ein Moment, in dem ich eine vollkommene Zufriedenheit gespürt habe?
Dankbarkeit: Wofür bin ich dankbar?
Positivitätsresonanz: Wem habe ich eine Freude gemacht?
Ehrfurcht: Wo ist mir ein Wunder begegnet, wann habe ich Ehrfurcht gespürt?
Flow: Wann bin ich in einer Tätigkeit voll aufgegangen und habe alles um mich herum vergessen?
Beginnen Sie mit dem stärksten Ressourcenmoment, um in Kontakt mit dem Gefühl zu kommen. Für ein regelmäßiges Training und damit eine nachhaltige Stärkung des Ressourcenzugangs können Sie die Fragen auch am Ende jeden Tages für sich beantworten und sich Zeit nehmen, die jeweilige Ressource in Ihrem Körper zu spüren.
Wozu Sie die Super-Ressourcen täglich aktivieren sollten
Fassen wir an dieser Stelle noch einmal zusammen: Für eine starke Resilienz brauchen wir die Fähigkeit, unsere Emotionen regulieren zu können und uns an Situationen adaptieren zu können. Um also auch unter Stress selbstwirksam handeln zu können, müssen wir uns in einen guten Zustand bringen können.
Mein Grundsatz für eine hohe Resilienz lautet:
Was immer du tust, tue es aus einem guten Zustand heraus.
Die acht Super-Ressourcen helfen dabei, leichter in einen solchen guten Zustand zu kommen. Und das sogar nicht im Generellen, sondern auch sehr spezifisch: Nehmen wir mal an, in Ihrem Unternehmen steht eine große Veränderung an, die bei Ihnen Unsicherheit auslöst. Dann helfen Ihnen Sicherheit und Entspannung zunächst dieses Gefühl zu lösen. Anschließend können Sie ein Gefühl von Ehrfurcht aktivieren, um sich für Neues mental zu öffnen.
Gerade durch ihre Eigenschaft, die Fähigkeit zur Emotionsregulation zu erhöhen, spielen diese Super-Ressourcen auch eine entscheidende Rolle beim integrativen Emotionscoachingansatz emTrace®. Die Aktivierung von Ressourcen ist einer der zentralen Wirkfaktoren für erfolgreiche Veränderungsarbeit und ist unabdingbar, um emotional belastende Aspekte verarbeiten und lösen zu können. Im Buch von Dirk W. Eilert „Integratives Emotionscoaching mit emTrace“ erfahren Sie mehr dazu.
Damit die Aktivierung der Ressourcen auch in akuten Situationen funktioniert, sollten Sie die Super-Ressourcen möglichst oft und gerne auch mit verschiedenen auslösenden Situationen aktivieren. Das lässt sich zum Beispiel in Ihre bestehende Meditationspraxis einbinden, als Abendritual beim Zähneputzen oder im Bett kurz vor dem Einschlafen. Je öfter Sie das Ressourcenerleben aktivieren, desto einfacher wird Ihnen der Zugang fallen, wenn Sie ihn brauchen – nämlich in Stress und Krisen. So stärken die Super-Ressourcen Ihre Resilienz.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).