Der Krisenverlauf

Krisen sind höchst individuell. Nicht nur unterscheiden sie sich von Person zu Person, sondern auch bei einem Selbst gleicht keine Krise der anderen. Und jeder von uns hat schon mindestens eine kleine oder größere Krise hinter sich. Und obwohl Krisen so subjektiv und eigen sind, gibt es eine grobe Struktur, wie eine Krise verläuft.

Der exemplarische Krisenverlauf (nach Prof. Dr. Julia Mangelsdorff) überschneidet sich teilweise mit den 6 Schritten der Resilienz, deshalb werden diese hier in der Erläuterung in kurzer Form miterwähnt. Eine ausführliche Erklärung finden Sie HIER.

Vom Überleben zum Wachstum – Die 7 Phasen der Krise

Der resiliente Krisenverlauf ist vergleichbar mit dem Posttraumatischem Wachstum; das Wohlbefinden und das Kompetenzerleben sind zum Ende der Krise höher als zu einem Zeitpunkt vor der Krise.

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Phase 1: Schock

Obwohl sich Stress meist schon in der Zeit vor der Krise häuft, so empfinden wir den Beginn einer Krise als unerwartet. Wir sind überrascht von den geänderten Umständen. Diese Überraschung erklärt auch, warum wir Krisen als so negativ empfinden: Überraschung ist eine Zwischenemotion, die die darauffolgende Emotion verstärkt. Wenn wir positiv überrascht werden ist die Freude umso größer. Bei einer Überraschung, die wir als negativ bewerten ist die unangenehmen Emotionen, wie Trauer oder Ärger ebenfalls intensiver. Eine Krise, die erwartet wird und auf die man emotional vorbereitet ist, hat auch weniger Auswirkungen auf unser Befinden. Prosilienz® (Proaktive Resilienz), das Lernen aus zukünftigen Krisen, ist eine wertvolle Kompetenz, diese Überraschung und die daraus resultierenden Affekte abzumildern.

In der 1. Phase sind wir mit der Notwendigkeit zur Veränderung konfrontiert, denn unsere gewohnten Muster funktionieren hier nicht mehr. Diese Phase entspricht dem 3. Schritt der Resilienz.

Eine wertvolle Ressource für diesen Beginn einer Krise ist Sicherheit. Gerade das Fehlen Sicherheit in dem bisher Gewohnten ist es, die den Schock auslöst. Sich daher Sicherheit in einem anderen Bereich zu suchen, beispielsweise bei einem schweren Verlust sich Unterstützung im sozialen Umfeld zu holen kann ein Gefühl der Sicherheit erzeugen.

Phase 2: Verleugnung

Menschen sind Gewohnheitstiere, sodass wir Veränderungen, besonders welche die uns überraschen, zunächst ersteinmal ablehnen. Aus evolutionsbiologischer Sicht war uns diese Grundhaltung sehr hilfreich, denn neu heißt potentiell gefährlich. Aus diesem Grund reagieren wir nach einem Schock oft mit Verleugnung und Ablehnung der Veränderung. Dieser Schutzmechanismus – das Problem als nicht real anzunehmen und mit gewohnten Mustern versuchen fortzufahren – kann jedoch auch dazu führen, dass wir den Kontakt zur Wirklichkeit verlieren. Dieser fehlende Bezug zur Realität verhindert nicht nur das Verarbeiten der Krise sondern auch die generelle Weiterentwicklung. Für Unternehmen zum Beispiel kann die Verleugnung der Notwendigkeit zur Veränderung letztendlich dazu führen, nicht mehr konkurrenzfähig und damit irrelevant am Markt zu werden.

Was Menschen, Organisationen und ganze Kulturen in dieser Phase der Krise brauchen ist Präsenz. Im Hier und Jetzt zu sein und die Realität mit all seinen unangenehmen Gegebenheiten wahrzunehmen. Denn nur so kann aus der Krise auch etwas Neues erwachsen. Hierbei ist es wichtig, nicht der Vergangenheit anzuhaften und auch nicht die Horrorszenario-Kompetenz unseres Gehirns für mögliche Katastrophenzukünfte zu trainieren. Es ist schwer und unangenehm sich mit der Krise zu konfrontieren, weshalb hier die Unterstützung und Außensicht des sozialen Netzwerks eine wirksame Unterstützung bieten kann.

Phase 3: Frustration

Diese Phase ist die direkte Konsequenz aus der vorherigen Phase. Durch die Verleugnung wiederholen wir die bisher bekannten Muster, die in der aktuellen Situation allerdings nicht funktionieren. Das Ergebnis daraus ist die Frustration. Unangenehme Emotionen wie Wut, Trauer, Kummer, Ärger, Angst schwelen und sorgen für eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

Eine wichtige Kompetenz in dieser Zeit ist das Selbstmitgefühl. Hierbei handelt es sich nicht um Selbstmitleid, denn das würde eine Haltung der Opferrolle lediglich verstärken, statt Kraft zu spenden. Selbstmitgefühl, im Sinne einer kognitiven Empathie mit sich selbst, bedeutet einen achtsamen Umgang mit sich und seinen eigenen Emotionen, Gedanken und Gefühlen.

Phase 4: Verzweiflung

Diese Phase ist der 4. Schritt der Resilienz und markiert den tiefsten Punkt der Krise. Es ist die Verzweiflung, die auf die Frustration folgt. Gleichzeitig markiert diese Phase den Wendepunkt in der Krise. Hier entsteht die Einsicht, dass wirklich keine der bisher bekannten Methoden wirkt, um mit der veränderten Situation funktional umzugehen. Aus der Verzweiflung kann Resignation werden. Dies würde Stillstand bedeuten, aus dem es nur schwer ist, heraus zu gelangen.

Mit emotionaler Akzeptanz hingegen kann nun der Prozess der Veränderung eingeleitet werden. Eine wichtige Ressource ist hier die Achtsamkeit. Es geht um das bewertungsfreie Wahrnehmen des Hier und Jetzt und die Annahme der aktuellen Situation. Wir lassen uns damit auf die notwendigen Änderungen ein. Das ist der erste Schritt aus der Krise heraus.

Phase 5: Versuch

In der 5. Phase und auch dem 5. Schritt der Resilienz geht es um das Finden neuer Wege. Bei diesem Versuch geht es auch ums Scheitern. Denn neue Muster, Lösungswege und Verhaltensweisen müssen hier erst erprobt und gelernt werden. Das beinhaltet auch das natürliche Wiederholen der so gut eingeprägten alten Verhaltensweisen und Muster. Diese Ehrenrunden sind ein normaler Bestandteil der Krise.

Ein Growth Mindset (nach Carol Dweck) ist hierbei eine wertvolle Ressource, um Wachstum zu fördern und resilient mit Ehrenrunden umzugehen. Das Growth Mindset beschreibt ein dynamisches Selbstbild, indem die Fähigkeit zur stetigen Verbesserung und lebenslangem Lernen verankert ist. Das beinhaltet auch die Fähigkeit aus Fehlern zu lernen. Mit dieser inneren Haltung gelingt es uns und Systemen im Allgemeinen sich aus einer Krise weiterzuentwickeln.

Phase 6: Entscheidung

In dieser Phase sind wir an dem Ausgangslevel an Wohlbefinden und Kompetenzerleben angekommen. Wir haben die Krise überlebt. Um nun daran zu wachsen und aus der Krise zu lernen, braucht es allerdings noch eine Sache: Entscheidung. Wie soll es jetzt weitergehen? Was wurde aus der Krise gelernt – was hat sich als wertvoll und was als hinderlich erwiesen? Aus dieser Reflexion kann die Erkenntnis erwachsen, dass die Krise auch etwas Gutes hatte. Zum Beispiel haben wir gelernt wie wichtig uns eine bestimmte Ressource ist oder aus der Krise ist ein innovatives neues Produkt entstanden.

Bei der Entscheidung, was ist zu behalten, was ist zu verlernen und was soll weiter ausgebildet werden, ist der Resilienzfaktor gesunder Optimismus hilfreich. Denn so nehmen wir die positiven Aspekte der Krise deutlicher wahr und können diese auch eher wertschätzen. Er ist der Wegbereiter für das Wachstum und die Zuversicht auf die Zukunft.

Phase 7: Integration

Dies ist die letzte Phase im resilienten Krisenverlauf und auch der letzte Schritt der Resilienz. Denn hier zeigt sich das neue, resiliente Ich. Die neuen Verhaltensweisen Denk-, Fühl-, und Handlungsmuster sind in den Alltag integriert und werden als selbstverständlich angesehen.

Was sich an diesem Zeitpunkt der Krise zumeist einstellt ist die Dankbarkeit. Obwohl eine Krise im Erleben äußerst unangenehm ist, werden die verarbeiteten Erfahrungen oft als wertvoll empfunden. Dankbarkeit hilft zudem dabei, die Krise abschließend zu verarbeiten und als Gesamtprozess zu würdigen.

Resilienz und Krisenimmunität

Es ist hilfreich zu verstehen, wie eine Krise abläuft, um den Übergang von einer Phase in die nächste zu erleichtern. Verstehbarkeit ist ein elementarer Teil der emotionalen Akzeptanz einer Krise. So können sie durch das Erkennen der jeweiligen Phase einordnen, welche Ressource Ihnen gerade besonders helfen kann.

Resilienz bedeutet nicht, dass Sie keine Krisen mehr erleben werden. Es gibt keinen absoluten Schutz gegen Krisen, dafür leben wir in einer zu komplexen und zu instabilen Welt. Doch Sie können sich gegen die Auswirkungen einer Krise auf Ihr System immunisieren – mit Resilienz oder sogar noch besser mit Prosilienz. Mit Resilienz bauen Sie die Kompetenz auf, unbeschadet aus Krisen hervorzugehen und Wachstum zu erlangen. Mit Prosilienz bauen Sie Ressourcen auf, die Sie für zukünftige Krisen nutzen können, ohne eine reale Krise zu durchleben. Mehr dazu erfahren Sie HIER.

 

Die Inhalte und die Grafiken sind für die eigene Resilienz und ausschließlich zur privaten Nutzung gedacht! Jede Form der Weitergabe, anderweitiger Nutzung, Nutzung im Training, in Medien o.ä. bedarf der Genehmigung von Sebastian Mauritz (Resilienz Akademie Göttingen).

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