Der Zusammenhang von Körper und Geist
Der Begriff Embodiment heißt übersetzt so viel wie „Verkörperung“. Hier ist die Verkörperung unseres Bewusstseins gemeint. Zum Beispiel ist weit verbreitet, dass unsere Körperhaltung von unserer Stimmung beeinflusst wird: wenn wir traurig sind lassen wir die Schultern hängen, zum Beispiel.
Doch seit den 90er Jahren wird der Fokus auf einen zweiten Aspekt gelegt: Unser körperlicher Zustand beeinflusst unsere Psyche!
Das ist es, was Embodiment ausmacht. Es gibt eine Wechselwirkung von Körper und Geist. So können Gefühle oder Stimmungen durch die Körperhaltung oder die Mimik verändert, bzw. beeinflusst werden.
Ein Bleistift im Mund macht fröhlich?!
Es gibt ein sehr klassisches Experiment zum Thema Embodiment. Es wurde erstmals 1988 von dem Sozialpsychologe Fritz Strack durchgeführt. Dabei sollten seine Probanden einen Bleistift quer in dem Mund nehmen, damit die Mundwinkel automatisch nach oben gezogen werden. Nun sollten sie sich Cartoons ansehen.
Das Erstaunliche: Die Probanden empfanden die Cartoons mit Bleistift im Mund deutlich lustiger als ohne Stift. Daraus schloss Strack – Schon unbewusstes, gar ungewolltes Lächeln stimmt Menschen fröhlicher.
Wie funktioniert Embodiment?
Eine weitere Reihe von Experimenten bestätigt, dass der Körper die Psyche beeinflusst. Wie kommt es dazu? Um das Phänomen zu verstehen ist es notwendig zu begreifen, wie unsere Wahrnehmung funktioniert.
Wir nehmen die Welt nicht objektiv und vollkommen wahr, sondern wir erstellen Konzepte und Vorstellungen davon in unserem Gehirn. Und solche Vorstellungen von Gegenständen basieren stets auf unseren körperlichen Erfahrungen (entweder mit dem Objekt selbst oder mit etwas Vergleichbarem).
Das bedeutet, dass Assoziationen immer mit dem Körperlichen vereint sind. So kommen beispielsweise auch Assoziationen mit der Körperachse zustande. Wir verbinden „oben“ mit „viel“ und „besser“, während wir „unten“ mit „weniger“ und „schlechter“ verbinden. Das gilt ebenfalls für rechts und links. Das Zusammenspiel von Assoziationen, Wahrnehmung und Körperhaltung macht den Einfluss auf die Psyche möglich.
Verbindung von Selbstwahrnehmung und Körperhaltung
So sind nicht nur Konzepte von Gut und Schlecht an das Körperliche gebunden, auch unsere Selbstwahrnehmung ist eng verknüpft mit dem Körper. Die Wissenschaft zeigt auf, dass eine aufrechte Haltung Sicherheit verleiht und Selbstvertrauen steigert. Umgekehrt macht eine gekrümmte Haltung unsicherer und demütig.
Ein Experiment zeigte, dass sogar menschliche Eigenschaften im Embodiment inbegriffen sind. Es zeigte sich, dass Menschen mit einer warmen Tasse in der Hand freundlicher zu ihren Mitmenschen waren, als jene mit einer kalten Tasse.
Embodiment in der Forschung
Die Erforschung von Embodiment findet schon in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung und Zuspruch. Beispielsweise wird dieses Phänomen in der Philosophie „Leib-Seele-Dualismus“ genannt. Der Dualismus wird ebenfalls in der Sozial- und klinischen Psychologie wissenschaftlich behandelt. Zum Beispiel geht es um das Phänomen der Synchronisation.
Synchronisation bedeutet in diesem Kontext ein Prozess von körperlicher Angleichung, der in sozialer Interaktion stattfindet. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Mutter-Kind-Interaktion. Dabei spielen auch psychische Elemente wie Spiegelneuronen eine Rolle. Spiegelneuronen sind maßgeblicher Antrieb für Empathie. Sie ermöglichen, dass wir körperliche Ausdrücke von Emotionen erkennen und in unserem Gehirn simulieren können.
Potentiale des Embodiments nicht komplett erforscht
Embodiment ist ein Phänomen, das sich in allen Lebensbereichen zeigt. Es ist jedoch noch nicht vollständig erforscht, welche Möglichkeiten sich durch Embodiment ergeben.
Die Ergebnisse aus Experimenten und Studien zeigen zwar deutlich auf, was Embodiment bedeutet, jedoch stammen die Ergebnisse aus Einzeluntersuchungen. Es lässt sich keine allumfassende Bestimmung von Embodiment machen. Es müsste zunächst erforscht werden, welche mentalen Vorgänge die Verknüpfung von Körper und Psyche ermöglichen. So kann herausgefunden werden wie Begriffe und Konzepte in unserem Gehirn gebildet werden.
Störung beim Embodiment?
Wenn unsere Körperfunktionen dazu beitragen, Stimmungen zu erzeugen oder wahrzunehmen, was passiert, wenn Bewegungen beispielsweise im Gesicht nicht mehr gewährleistet sind? Diese Frage wurde sich auch vor einem Experiment gestellt, bei dem Frauen mit einer Botox-Behandlung untersucht wurden. Es zeigte sich, dass diese Frauen weniger präzise dazu in der Lage waren, in Gesprächen emotionale Untertöne herauszufiltern.
Der Erklärungsansatz hierfür ist, dass das Nervengift Botox die Spiegelneuronen behindert. Dadurch können bestimmte Areale im Gehirn nicht mehr angeregt werden und Emotionen werden schwerer erkannt. Kurz gesagt: Das Gehirn bekommt vom Körper zu wenig Rückmeldung.
Nutzen des Embodiments (durch Priming)
Wenn keine Störung des Embodiments vorliegt, hat es einen enorm praktischen Nutzen. Es findet Anwendung in der Psychotherapie, dem psychologischen Coaching und der Körpertherapie. Die Tatsache, dass wir durch unsere Körperhaltung die Selbstwahrnehmung verändern können, kann so sehr positiv genutzt werden.
Der Vorgang wird „Priming“ genannt. Es handelt sich darum, bewusst eine Körperhaltung einzunehmen, die dann unbewusst die mentalen Konzepte, nach denen gehandelt wird, beeinflusst. Eine aufrechte Körperhaltung schafft mehr Selbstvertrauen, ein Lächeln macht fröhlicher, etc.
Sogar die Selbstheilungskräfte können durch Embodiment angeregt werden. So können Stress oder Essstörungen beispielsweise mit der Körpertherapie behandelt werden.
Embodiment ist eine Universalpraxis!
So kann man zusammenfassend sagen, dass Körper und Geist untrennbar miteinander in Verbindung stehen. Nicht nur unsere Psyche beeinflusst den Körper, auch die Körperhaltung und mentale körperliche Vorstellungen beeinflussen unseren Geist. Embodiment findet permanent in allen Bereichen unseres Alltags statt. Das bedeutet letztendlich, dass ein gutes und gesundes Körpergefühl die Basis für unser Wohlbefinden ist.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienz-Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).
Guten Tag,
ich habe im Zuge meiner Ausbildung zum Mentaltrainer von Embodiment erfahren. Embodiment war dann auch Teil meiner Abschlussarbeit.
Könnten Sie mir bitte mitteilen, wo ich konkrete Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich finde ?
Mit freundlichen Grüßen
Karin Poitinger
Vielen Dank für diesen Artikel über Embodiment. Ich möchte Mentaltrainer werden und versuche mich so gut es geht über mentale Gesundheit zu informieren. Ich wurde selber vor einem Jahr von einem Mentaltrainer begleitet und das hat mir sehr geholfen. Besonders interessant finde ich den Begriff des „Leib-Seele-Dualismus“. Mich hat schon immer der Zusammenhang zwischen Körper und Seele interessiert.