Buchempfehlung: Jenseits der therapeutischen Beziehung

Warum ist das Buch lesenswert im Kontext von Resilienz?

Wenn Sie auf der Suche nach einem Resilienz-Coach sind, wird Ihnen schnell auffallen, dass es vielfältige berufliche Hintergründe und Expertisen auf diesem Gebiet gibt. Einige Kolleg:innen beschäftigen sich bereits lange Jahre mit psychologischen Schulen und begleiten Menschen im therapeutischen Kontext. Andere sind zum Beispiel seit vielen Jahren als Führungskraft eines Unternehmens tätig und coachen Einzelpersonen oder Teams gezielt zu Themen, wie Stressregulation und Burnout-Prävention.

Was haben sie aber alle gemeinsam? Mit hoher Wahrscheinlichkeit: Die Neugier, welche Interventionen es sind, die besonders gut wirken, um den Coachingprozess bestmöglich zu gestalten und Menschen in ihrer Krisenbewältigung zu unterstützen. 

Resilienz Akademie | Buchempfehlung: Jenseits der therapeutischen Beziehung

Denn klar ist: Ziel eines Resilienz Coachings sollte immer sein, Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken und bei der Entwicklung neuer Lösungskompetenzen zu begleiten. Dafür ist es notwendig, die eigene Haltung zu überprüfen und die Fähigkeiten als Coach regelmäßig zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Dr. Jochen Peichl gibt in seinem Buch „Jenseits der therapeutischen Beziehung: Was wirkt in Hypnotherapie und hypnotherapeutischer Teiletherapie? eine Vielzahl an wertvollen Impulsen aus der hypnotherapeutischen Arbeit, die unseres Erachtens auch für die Praxis im Resilienz Coaching sehr hilfreich sind.

Wer ist der Autor?

Dr. Jochen Peichl ist Facharzt für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Neurologie mit einer Vielzahl an Weiterbildungen. Bis Ende 2010 war er als Oberarzt in der Klinik für Psychosomatik am Klinikum Nürnberg tätig. Ein zentrales Thema in seiner Arbeit ist die Behandlung von Traumafolgestörungen und die Beschäftigung mit „inneren Anteilen“.

Er ist Gründer und Leiter des „Instituts für hypnoanalytische Teilearbeit und Ego-State-Therapie“ mit den Schwerpunkten auf somatoforme Störungen, Borderline Störungen und traumaassoziierte Störungen) und heute mit eigener Kassenpraxis als Trainer für Ego-State-und Traumatherapie tätig. Ein zentrales Thema in seiner Arbeit ist, neben der Behandlung von Traumafolgestörungen, die Beschäftigung mit „inneren Anteilen“.

Was erwartet Sie in dem Buch?

Im seinem neuen Buch „Jenseits der therapeutischen Beziehung: Was wirkt in Hypnotherapie und hypnotherapeutischer Teiletherapie?“ nimmt Dr. Jochen Peichl die Leser:innen mit auf eine besondere Spurensuche. Eine Suche nach den Wirkfaktoren, die neben der „therapeutischen Beziehung“ relevant sind und seines Erachtens noch zu wenig reflektiert werden. Denn die „Therapeutische Beziehung“ gehört zu den wichtigsten Faktoren für die Wirksamkeit einer Psychotherapie und steht häufig in Diskussionen im Fokus.

Jochen Peichl, Jenseits der therapeutischen Beziehung_BuchcoverDas Buch enthält folgende Kapitel:

  • Die therapeutische Beziehung: Alles oder nichts oder …? Wirkfaktoren in der Psychotherapie aus hypnotherapeutischer Sicht
  • Wirkfaktoren in der Psychotherapie aus systemischer Sicht (Bezug zu Dr. Gunther Schmidt)
  • Dauerhafte Veränderung durch Rekonsolidierungsprozesse
  • Wirkfaktor: Nebeneinanderstellungs-Erfahrung
  • Was wirkt in der hypnotherapeutischen Traumatherapie?
  • Enaktive Therapie und Konstruktivismus: Die Konstruktion einer gemeinsamen therapeutischen Realität
  • Duale Aufmerksamkeit als genereller Wirkfaktor
  • Die Verbindung zwischen Defaultmodus – Netzwerk und Wirkfaktoren
Fünf Wirkfaktoren nach Grawe (2005)

J. Peichl beleuchtet im Buch unterschiedliche Wirkhypothesen und verbindet diese mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse und Studien, beispielsweise aus der Gedächtnis- und der Hirnforschung. Die fünf Wirkfaktoren nach Klaus Grawe dienen hier als wichtige Grundlage. Sie werden als Merkmale für Therapien mit besonders guter Wirkung beschrieben. (vgl. Grawe 2005):

  1. Ressourcenaktivierung
    Die Ressourcen des Klienten werden wahrgenommen und für das therapeutische Vorgehen und den Veränderungsprozess genutzt.
  2. Problemaktualisierung:
    Hierbei geht es darum, Probleme, „erfahrbar“ zu machen und im Erleben zu aktualisieren. Ein Beispiel dafür sind Imaginationsübungen.
  3. Problembewältigung:
    Die Therapie erzielt dann eine gute Wirkung, wenn der/die Klient:in bei der Klärung und Bewältigung des Problems unterstützt wird.
  4. Motivationale Klärung:
    Der/die Klient:in wird dabei unterstützt, ein Bewusstsein für das Problemerleben und Verhalten zu entwickeln.
  5. Therapiebeziehung:
    Sie steht für die professionelle Beziehung zwischen Therapeut:in und Patient:in/Klient:in und wird als wichtigstes Fundament für den therapeutischen Prozess und Erfolg einer Therapie verstanden.

Die Hintergründe zu den Wirkfaktoren werden durch J. Peichl erläutert. Dazu geben aktuelle Forschungsansätze Auffschluss zu der Wirkung der Wirkfaktoren. Hierfür zeigt J. Peichl unterschiedliche Schulen und Ansätze der Psychotherapie auf und stellt die Verbindung zur hypnotherapeutischer Praxis her. Während dessen gibt er den Leser:innen immer wieder Fallbeispiele und Metaphern zur Hand. Diese „Übersetzungshilfe“ trägt zur besseren Verstehbarkeit und Verknüpfung der Inhalte bei.

Wirkfaktoren der hypnotherapeutischen Teiletherapie (nach Dr. J. Peichl 2023)

In Anlehnuung an die Wirkkonzepte von Michael Harrer (2008) hebt J. Peichl folgende Aspekte besonders hervor, die seines Erachtens für die Teiletherapie zentral sind.

Lenkung der Aufmerksamkeit Wie sehen wir die Welt und wie nehmen wir eigentlich Informationen wahr? Der Konstruktivismus beschäftigt sich mit diesen Fragen und dem Phänomen, dass wir es selbst sind, die unser Erleben erzeugen. Die Frage ist, worauf wir unsere Aufmerksamkeit legen. J. Peichl beschreibt diese auch als „Selbstorganisierte Form des assoziativen Zusammenfügens von sinnlichen Erlebniselementen“. Die „Aufmerksamkeitslenkung“ ist zum Beispiel in Tranceinduktionen ein zentraler Wirkfaktor. Als Beispiel benennt Peichl hier die hypnoanalytische Technik der „Affektbrücke“ nach J. Watkins (1997). Hier wird der Blick auf einen bestimmten Affekt (z.B. Scham) oder ein Körpersymptom gerichtet und die Verbindung zwischen einem Ereignis und einer (in der Vergangenheit erlebten) Emotion hergestellt. Die Methode hilft bei der therapeutische Auseinandersetzung und Aufarbeitung, auch von Aspekten, die uns bisher nicht bewusst sind.

Denn wir bilden ständig „willkürlich oder unwillkürlich“ Muster (neue Verbindungen und Verkopplungen), die unser Erleben beeinflussen. Nach Peichl ist deshalb die zentrale Frage„(…) mit welchen Erlebnisnetzwerken man gerade assoziiert und mit welchen man gerade dissoziiert ist“ (Peichl 2023). Je nachdem variiere auch das Erleben und die Wahrnehmung der Welt.

Ressourcenaktivierung und Kompetenzfokussierung Der Blick auf die Ressourcen und Fähigkeiten der/des Klient:in ist ein weiterer zentraler Wirkfaktor der hypnotherapeutischen Teiletherapie. Wichtig ist, dass Fähigkeiten, Kompetenzen, Potentiale hier nicht nur wahrgenommen, sondern sie „konsequent“ gewürdigt und gestärkt werden. „Die Potenzialhypothese nach Gunther Schmidt (2004) geht entsprechend davon aus, dass in praktisch allen Fällen die Grundkompetenzmuster, die für eine gesunde Lösung von psychischen, psychosomatischen und/oder interaktionellen Problemen verwendet werden, im Erfahrungsspektrum der Beteiligten – oft nur als unbewusstes Wissen – gespeichert sind.“ (Peichl 2023) 
Aktivierung bzw. Aktualisierung der „Problemtrance“ J. Peichel beschreibt, dass aus hypnotherapeutischer Sicht davon ausgegangen werden kann, dass „belastende Ereignisse, Bindungserfahrungen und vor allem Traumata in de früheren bis späteren Kindheit Entwicklungshemmnisse erzeugt haben, die auch für viele Einschränkungen der Persönlichkeit heute verantwortlich sind.“ Auf Grund dessen sei es zielführend, „Seelenkatastrophen“ nachzuspüren und diese durch „Aktualisierung“ bewusst zu machen.

Die Parallele findet sich hierzu in den Wirkfaktoren von Klaus Grawe in der „Problemaktualisierung“. Methodisch können unterschiedliche Techniken eingesetzt werden. Um das „Problem-Erleben“ zu erkunden bietet sich zum Biespiel die Arbeit mit inneren Anteilen an.

Vermittlung neuer Erfahrungen In diesem Punkt bezieht sich J. Peichl auch auf die Ausführungen von K. Grawe (1998) und beschreibt, dass wir Menschen dazu neigen „jeglichen Kontext immer nur im Sinne der Bestätigung unserer Vorannahmen (dysfunktionale Schemata) wahrzunehmen.“. Wenn wir neue Dinge lernen möchten, ist ein Perspektivwechsel und Umfokussierung notwendig. Dysfunktionale Schemata können erkannt, geklärt und geändert werden, wenn die Wahrnehmung und Emotionen mit einbezogen werden.

Veränderung könne nach J. Peichl letztlich nur da entstehen, wo auch „emotionale Betroffenheit“ ist. Dafür müssen die „problemrelevanten neuronalen Netze“ aktiviert sein. Wenn die Problemaktualisierung erfolgt ist, kommt es zur „Veränderung der Selbstorganisation durch korrigierende Neuerfahrung“. Es gehe letztlich darum, unterschiedliche Seiten, Aspekte und Anteile der Persönlichkeit zu integrieren. Und das passiere durch „synergistische Aktionen“, die dem „Individuum mehr Freiheitsgrade und Entwicklungspotentiale ermöglichen.“ (Peichl 2023).

Wozu hilft das Buch im Resilienz Coaching?

Resilienz Akademie | Buchempfehlung: Jenseits der therapeutischen BeziehungJ. Peichl bietet in seinem Buch den Leser:innen unterschiedliche Perspektiven und Wirkhypothesen an, die unseres Erachtens wertvoll für den Praxistransfer im Resilienz-Coaching sind. Für Coaches ist es vor, während und nach einer Ausbildung wichtig, sich in Fragen der Haltung und Einsatz von Interventionen weiterzubilden.

In der Integrativen Coachingausbildung (IHK) der Resilienz-Akademie Göttingen nimmt die Vermittlung psychologischer Grundlagen und die Beschäftigung mit den 5 Wirkfaktoren (nach Grawe 2004/ Eilert 2019) eine zentrale Rolle ein. Integrativ bedeutet hier, dass unterschiedliche wissenschaftliche Coachingansätze und psychologische Schulen miteinander verbunden werden immer mit dem Ziel, fundierte Kenntnisse zu erlangen und Interventionen zu finden, die zur Ressourcenaktivierung beitragen und den Klient:innen bestmöglich im Umgang mit Problemen, Stress und Krisen helfen.

Hypnotherapeutische Methoden, wie die Aufmerksamkeitsfokussierung, Seitenarbeit und Tranceinduktionen, sind Teil der integrativen Coachingausbildung (IHK). Denn durch Trance und  (Tiefen-)Entspannungsübungen kann ein besserer Umgang mit Angstzuständen, Stress, physischen Schmerzen und auch traumatischen Erfahrungen ermöglicht werden. Das Buch von J. Peichl bietet sich entsprechend für Coaches besonders gut zur Vertiefung und Kenntniserweiterung an. Es ermöglicht die Reflexion der Wirkmechanismen und das Verstehen von psychotherapeutischen Ansätzen und neuen Perspektiven für die Praxis.

Hinweise


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Dann schauen Sie auf unserer Seite: „RESILIENZ-BÜCHER“ nach. Dort fügen wir regelmäßig Bücherempfehlungen rund um das Thema Resilienz hinzu in Verbindung mit einer kurzen Rezension. Viel Freude beim Entdecken!


Resilienz Akademie | Kalender und Resilienz – wie passt das zusammen?Christina Comnick, M.A. Management–Education–Diversity (Sozial- und Gesundheitsmanagement), ist Kooperationspartnerin der Resilienz Akademie und Expertin für „Seelische Resilienz“. Gemeinsam mit Sebastian Mauritz entwickelt sie das Konzept und leitet die dazugehörige Fortbildung. Sie ist Resilienz-Trainerin & Coachin, Antigewalt- und Kompetenztrainerin und setzt sich seit ca. 15 Jahren für die Prävention seelischer Gesundheit und Krisenintervention ein. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen: Sinn, Spiritualität, Intuition, Emotionsregulation und Deeskalation. (www.christinacomnick.de)


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Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 200 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).

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