Demokratie braucht Resilienz – Prof. Dr. Judith Mangelsdorf im Gespräch

In einem eindrucksvollen Interview im Rahmen des Resilienz-Kongresses 2024 spricht Prof. Dr. Judith Mangelsdorf über die Verbindung von gesellschaftlicher Resilienz, Demokratie und der Wissenschaft der positiven Psychologie. Im Gespräch mit Resilienz-Experte Sebastian Mauritz wagt sie einen Brückenschlag zwischen individuellen psychologischen Ressourcen und kollektiven gesellschaftlichen Entwicklungen. Ihr Appell: Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie muss gelebt, geschützt und immer wieder neu gestaltet werden.

Kernaussage: Vom „Wir und die da“ zum inklusiven Miteinander

Das Herzstück des Interviews ist die Frage, wie wir in polarisierten Zeiten ein „Wir“ entwickeln können, das auch die Menschen einschließt, deren Haltungen oder politische Entscheidungen uns fremd oder gar bedrohlich erscheinen. Dabei geht es Prof. Mangelsdorf nicht um naiven Optimismus, sondern um eine resiliente Haltung, die menschliche Würde, Dialogfähigkeit und Mitgefühl ins Zentrum rückt.

Gesellschaftliche Herausforderungen: Widerstand oder Resilienz?

Anhand aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen – wie den großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus oder der Stärke populistischer Strömungen – beleuchtet sie, wie wichtig es ist, zwischen Resistenz (dem reinen Dagegen-Sein) und Resilienz (dem konstruktiven Umgang mit Krisen) zu unterscheiden. Nur mit innerer Klarheit, einem „Ja“ zu sich selbst und dem echten Wunsch nach Verbindung kann gesellschaftlicher Zusammenhalt wachsen.

Positive Psychologie als Ressource für die Gesellschaft

Die positive Psychologie, erklärt sie, liefert wertvolle Erkenntnisse für dieses Ziel: Selbstmitgefühl, positive Identität und eine würdeorientierte Haltung bilden das Fundament für ein Miteinander, das auch in der Krise tragfähig bleibt. Besonders bewegend ist ihre Bezugnahme auf Ruth Cohns Konzept des „Wir und Die da“ und Michelle Obamas Motto: „When they go low, we go high“. Diese Gedanken unterstreichen, dass es nicht reicht, „gegen“ etwas zu sein – wir müssen für etwas einstehen.

Ein Plädoyer für Dialog und Mitmenschlichkeit

Prof. Mangelsdorfs Vortrag ist ein leidenschaftliches Plädoyer für einen Paradigmenwechsel: Weg vom Polarisieren, hin zum würdevollen Dialog. Sie zeigt, dass die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht nur politische oder wirtschaftliche Antworten brauchen, sondern auch eine psychologische und menschliche Tiefe.

Jetzt anschauen: Video-Interview mit Prof. Dr. Judith Mangelsdorf

Kapitelübersicht mit Zeitangaben

0:04 – 1:50 | Begrüßung & Inspiration durch frühere Vorträge

Sebastian Mauritz eröffnet das Gespräch, würdigt Judith Mangelsdorfs Vortrag bei der Positiven Psychologietour und hebt ihre Arbeit hervor. Beide stellen den Rahmen her: Resilienz als individuelles wie gesellschaftliches Thema.

1:51 – 21:17 | Demokratie in Gefahr: Wir und die da

Judith spricht über die aktuellen Demonstrationen gegen Rechts, die Ambivalenz zwischen „Nie wieder ist jetzt“ und ausgrenzenden Parolen wie „Kein Platz für Nazis“. Mit einem Zitat von Ruth Cohn verdeutlicht sie die Gefahr des „Wir/Diese“-Denkens und formuliert die Leitfrage: Wie schaffen wir ein inklusives „Wir“?

21:17 – 25:59 | Positive Psychologie & kollektives Wachstum

Sie erläutert die vier Wellen der Positiven Psychologie und wendet sie auf Demokratie und Gesellschaft an. Anhand historischer Daten und dem Beispiel der Flüchtlingshilfe in Berlin zeigt sie: Gesellschaften können durch Krisen auch wachsen – Stichwort kollektives posttraumatisches Wachstum.

25:59 – 59:31 | Resistenz oder Resilienz? Wege zur inneren Haltung

Mangelsdorf unterscheidet zwischen Resistenz (dagegenhalten) und Resilienz (anpassen, gestalten). Sie zeigt Modelle, die individuelle und kollektive Resilienz verknüpfen, und stellt drei zentrale Zugänge der Positiven Psychologie vor:

  1. Selbstmitgefühl – Frieden zuerst in sich selbst finden.
  2. Mitgefühl für andere – auch für Andersdenkende, ohne eigene Werte aufzugeben.
  3. Würdigung der Welt – die Welt als prinzipiell guten Ort sehen, um Vertrauen, Optimismus und Teilhabe zu ermöglichen.

59:36 – 1:13:12 | Dialog statt Abwertung: Akzeptanz und funktionaler Ärger

Im Gespräch mit Sebastian wird deutlich, dass reine Ablehnung („gegen etwas sein“) Positionen verhärtet. Akzeptanz als Resilienzfaktor bedeutet zu verstehen, welche Bedürfnisse hinter Verhalten stehen. Sebastian betont den Unterschied zwischen funktionalem Ärger (wertebasiert, führt zu klaren Zielen) und dysfunktionalem Ärger (zerstörerisch).

1:13:15 – 1:16:25 | Wehrhafter Gleichmut: Mitgefühl mit Grenzen

Sebastian schildert seine Erfahrung mit der Liebenden-Güte-Meditation, die ihm zu „wehrhaftem Gleichmut“ verhalf: innere Ruhe mit klaren Grenzen. Er beschreibt, wie Mitgefühl und Liebe heilende Kräfte für Gemeinschaften entfalten können.

1:16:26 – 1:17:26 | Würde anerkennen, Verhalten ablehnen

Judith fasst die Quintessenz: Gesellschaftliche Entwicklung gelingt nur, wenn wir klar gegen entmenschlichendes Verhalten auftreten, gleichzeitig aber die Würde jedes Menschen achten.

1:17:28 – 1:17:43 |Abschluss & Dank

Beide Gesprächspartner zeigen sich tief berührt und dankbar. Das Gespräch endet mit der klaren Botschaft: Zukunft braucht ein großes Wir, getragen von innerem Frieden, klarer Haltung und menschlicher Würde.

 

Hier finden Sie das Transkript des Interviews als PDF zum Download: 

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