[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Herzlich willkommen mal wieder bei uns im Denkraum. Hallo lieber Ruben, schön, dass du auch heute wieder hier bist. Schön, dich zu treffen.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Hallo Sebastian, ich finde es wie immer auch sehr schön.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Ja, wir haben ja über die verschiedenen Themen der Resilienz bisher gesprochen und seit jetzt schon fast acht Jahren ist dieses Thema der Prosilienz®, der proaktiven Resilienz . Etwas, was mir damals im Studium, ich habe damals ja nochmal systemische Beratung studiert, so in den Sinn kam. Also wenn andere Menschen reden und mein Arbeitsspeicher gut gefüllt ist mit systemischem Wissen, das weiß ich noch, das war eine Vorlesung zu Systemtheorie, Luhmann und so weiter. Naja und so an den Grenzen meiner mentalen Komplexitätskompetenz entwickelt sich dann relativ viel Kreativität und dann dachte ich so Resilienz, Resil…oh ja. Und seitdem denke ich an diesem Thema rum, auch ja jetzt seit einiger Zeit mit dir und darüber möchte ich gerne heute mit dir sprechen. Das habe ich mitgebracht. Als du das das erste Mal hörtest, ist ja schon ein bisschen her, kannst du dich noch daran erinnern, was du da so zu dachtest?
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Da dachte ich erst einmal: Genial. Aus Marketingsicht auch. Ja genau, Marke ist angemeldet, ah der Fuchs! Das ist richtig, richtig gut. Und dann war es wirklich dieses Thema, ja proaktiv, Weiterdenken an diesem Konzept. Und dann war es ja auch, als ich mich mehr mit der positiven Psychologie beschäftigt habe, Martin Seligman, der ja jetzt auch ein Buch rausgebracht hat, ja vor einigen Jahren schon, der Homo Prospectus, ob das dann auch irgendwie in Richtung prospektive Resilienz geht, also die vorausschauende Resilienz. Ich fand es wirklich erst mal genial, Resilienz vorausschauend zu denken und irgendwie kommt die Hirnforschung da jetzt auch genau da drauf, dass das genau das ist, wo sich die Forschung gerade hin bewegt. Ich finde es ja auch total schön zu sehen, wie auch einer deiner großen Lehrer, wie Gunther Schmidt, auf einer Bühne vor einem MEG-Kongress der Milton Erickson-Gesellschaft steht und dann auch wieder vor tausenden Menschen sagt: Hey ja, Prosilienz, das ist so das, wie ich es besser finde eigentlich, wie man es eher nennen sollte. Und das war spannend auf der Bühne. Er wollte ja immer Maui sagen und dann hat er von Sebastian Mauritz gesagt. Ja und irgendwie hast du da einen Nerv erwischt und ich bin ganz gespannt, was daraus entsteht, weil diese Zukunftsresilienz hat extrem viel Zukunft, das sehe ich als Konzept.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Genau und das Interessante ist ja, wenn man so ein bisschen, wie soll ich sagen, also wenn ich so eine abschätzige Haltung dem Thema Resilienz entgegenbringen würde, dann würde ich sagen, ja, das ist wieder ein neues Affix oder Suffix oder irgendwie so ein Wort davor oder danach. Also egal, ob systemische Resilienz oder was auch immer für eine Resilienz es ist, ist immer die Frage, ist das Thema Marketing schon angesprochen? Muss ich das jetzt machen, um irgendwie ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren, um mit Macht irgendwie einen Unterschied herauszustellen, der eigentlich gar keiner ist? Wenn man genauer hinguckt, gibt es das alles schon oder wo ist die Unterscheidung?
Du hast das gerade so schön gesagt, auch mit der Wissenschaft und der Prospektion. Das habe ich gefühlt irgendwie so aus Loyalität zu Problemen entwickelt. Ich habe ja sehr viele Seminare bei Matthias Varga von Kibéd, bei Gunther Schmidt, bei Stephen Gilligan und so weiter und so fort gemacht, wo es ganz viel um Lösungsfokussierung geht – oder wie Tom Andreas immer so schön sagt – das Lösungsfokussierende. Also als Prozess, das Ganze eher beschreibend. Wo es immer um Lösungen geht und in diesem, auch oft Missverstandenen von Steve de Shazer „Problem talk creates problems and solution talk creates solutions“ – haben es Probleme nicht so einfach. Also wäre ich ein Problem, wäre ich glaube ich irgendwie, ja, ich würde mich nicht so gesehen fühlen. Und natürlich muss ich jetzt vielfach nicht verstehen, um vielleicht über eine Lösung sprechen zu können und gleichzeitig ist die Beschäftigung mit Problemen ja so die Grundlage der mentalen Resilienz.
Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, wenn ich Probleme durchspiele, was ich immer schon gerne gemacht habe: Was wäre, wenn. Ich habe dann so getan als ob. Und das hat mir immer schon geholfen, mir auch immer total Spaß gemacht, mich in Problemzustände zu versetzen und zu überlegen, was würde ich dann machen? Und wenn ich „Problem“ sage, dann ist das was, wo ich sage, ja mal gucken, ich schaue es mir an. Ich habe da erstmal keine Berührungsängste. Gunther hat ja auch dieses schöne Buch geschrieben „Liebesaffären zwischen Problem und Lösung„, was ich ja auch zauberhaft finde und dann denke ich mir so, ja, warum nicht mit auch den dunklen Seiten beschäftigen, warum nicht auch mit den unangenehmen Emotionen.
Ich bin ja auch so ein Fan von Ärger. Wenn ich das alles so erzähle und die Leute kennen mich nicht, denken die ja auch, was ist das für ein komischer Typ? Hat Probleme und Ärger, Lieblingsfarbe schwarz, sein Hobby ist kaputt machen oder so. Aber das ist tatsächlich eher so die Freude an Dingen, wo ich meinem Gehirn bei der Arbeit einfach zusehen kann und dann diese Lösungen, die von irgendwoher emergieren. Aber es braucht erstmal eine Unzufriedenheit oder ein Problem. Und genau da ist auch die Prosilienz® daraus entstanden, weil natürlich die Frage besteht: Wie kann ich mich auf die Zukunft bestmöglich vorbereiten? Da sagen wir ja, ein Aspekt ist, spiele Probleme durch, trainiere Stress, also die sogenannte Stressinokulation. Ich sage jetzt bewusst nicht Impfung, weil Impfung als Begriff hat die letzten Jahre etwas gelitten. Und halt auch eine Krise mal durchzuspielen, ist etwas, was ja ein Teil der Prosilienz® ist. Wenn du sagst, die Wissenschaft ist da gerade drin – du hast ja ein unglaubliches Talent, Wissenschaft zu recherchieren, Dinge zusammenzutragen, viele Dinge auch wissenschaftlich zu fundieren, auch bei uns in der Akademie oder für die Resilienz-Initiative, wenn ich dich so als wissenschaftsfundierender Mensch ansprechen würde – was sagt denn die Wissenschaft zur Prosilienz®?
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Ja und da hast du vollkommen recht. Ich sage gerne Dinge nach von Menschen, die sehr viel klüger sind als ich definitiv und da zähle ich die ganzen Wissenschaftler dann auch entsprechend dazu.Ich finde gerade auch dieses Thema „Unsicherheit vermeiden“, dadurch, dass ich die Zukunft plane, genau das ist so das Thema und die Stressforschung geht jetzt ja auch immer mehr rein in dieses Thema des Free-Energy-Prinzips nach Karl Fristen. Die Kernaussage dieses Modells ist es, dass das Gehirn ein Vorhersageapparat ist, der entsprechend ständig versucht, Überraschungen zu minimieren und dabei entsteht diese Free-Energy für die Differenz zwischen dem, was wir erwarten, unsere mentale Vorhersage, was gleich passieren wird und dem, was dann auch tatsächlich passiert. Also diesen sensorischen Input, den wir bekommen. Und je größer diese Differenz ist, desto höher ist auch unser Energieverbrauch – sowohl psychisch als auch physisch.
Also dieses Thema Stress entsteht scheinbar, wenn Menschen nicht wissen, was sie als nächstes tun sollen. Stress ist dann eine erlebte Unsicherheit und es geht halt für uns immer wieder darum, wirklich gute Vorhersagen zu treffen. Und deswegen dann auch die Zukunft irgendwie so zu planen oder uns darauf vorzubereiten, dass wir auch entsprechend gute Vorhersagen treffen. Und Stress ist dabei ein Element, was dann entsteht, wenn dann dieser „Prediction error“ da ist, also der Vorhersagefehler. Wenn dann diese Differenz so groß ist und dann sorgt es dafür, dass wir unsere Aufmerksamkeit fokussieren, Bewusstsein aktivieren, eine Reflexion anregen und entsprechend ja auch Lernprozesse anregen.
Ich meine, das ist ja die Organfunktion unseres Gehirns, Lernen und Wachstum und dass wir dann auch entsprechend ein immer besseres Modell von der Welt entwickeln, damit wir ja bessere Vorhersagen treffen, um entsprechend Unsicherheit zu reduzieren. Also es geht immer wieder auch um dieses Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle und vor allen Dingen dann der Zukunft, weil unser Gehirn nun mal ein Vorhersageapparat ist. Und da hast du halt echt voll ins Schwarze getroffen, Sebastian. Aus meiner Sicht, was dieses Thema der Prosilienz® angeht, weil wir entsprechend nicht so sehr auf das reagieren, was in der Vergangenheit war, weil wir es ja eh nicht mehr ändern können, sondern was können wir jetzt für die Zukunft tun, um diese besser zu kontrollieren.
Wir richten uns in die Vergangenheit, um uns zu orientieren, um entsprechend ein Weltmodell und ein Selbstmodell zu kreieren. Und diese Brille nutzen wir dann auch, um die Zukunft entsprechend irgendwie vorherzusagen, aber die wollen wir auf irgendeine Art und Weise kontrollieren und da ist dieser Fokus auf Zukunft total genial. Also die Prosilienz® und Prospektive. Dieses Thema Homo Prospectus, der vorhersagende Mensch, so funktioniert unser Gehirn, ist super und das ist ja auch irgendwie der Default-Mode unseres Gehirns.
Was macht eigentlich unser Gehirn, wenn es nichts tut? Es geht auf Reisen. Es geht auf Wanderschaft und vor allen Dingen dann auch gerne in die Zukunft. Dieses Thema des Default-Mode-Networks. Dann muss man halt aufpassen, weil ich finde das total spannend, als du gerade darüber gesprochen hast, mit dem Fokus auf Probleme. Manche Menschen machen das auf eine Art und Weise, die halt dysfunktional ist. Im Sinne einer sogenannten Rumination, also dieses Grübeln. Das finde ich ja total spannend. Es heißt ja so in der Biologie, also das Wiederkäuen von Nahrung von Kühen und bei uns auch dieses Rumkauen auf unseren eigenen Gedanken. Da gibt es halt den Unterschied, auch in der Forschung, zwischen Brooding und Reflection.
Brooding ist dieses Brüten. Dieses“ auf etwas sitzen“ und immer wieder diese Schleifen drehen und Schleifen drehen und Schleifen drehen, aber nicht zu einer Lösung kommen. Das ist ja nicht im Sinne der mentalen Resilienz, sondern es kommt darauf an, das so auf eine Art und Weise zu reflektieren und zu nutzen und zu planen, damit ich zu einer Lösung komme, die ich dann auch nutze. Dann ist die Aktivität unseres Ruhezustands-Netzwerks auch wirklich eine super Sache und hilft total mit diesen Problemvorhersagen, die wir treffen, diese Unsicherheit zu minimieren.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Was ich ja dabei so spannend finde und ich habe mich daher auch sehr intensiv reflektiert die letzten Jahre und habe immer wieder irgendwelche Szenarien mir erdacht oder Themen mir genommen, die zum Teil vorhersehbar waren, zum Teil aber auch dann so aus dem Nichts kamen. Und das für mich Interessante war, dass ich eine Veränderung auf mehreren Ebenen erlebt habe. Also erst mal, wenn du bestimmte Dinge durchspielst, das ist ja so die klassische Szenario-Technik, dann lernst du Abläufe. Du hast einen Drill, du lernst als erstes dies, als zweites das, als drittes das. Und wiederholst das so lange bis es wirklich auch in Stresssituationen oder Extremsituationen drin ist. Das ist ja, sag ich mal, eine Lernebene, wenn man sich so die Lernebene nach Bateson anschaut. Eine nächsthöhere ist ja sowas wie „Lernen zu lernen“.
Natürlich lerne ich und weiß dann irgendwelche Modelle, Heuristiken, Prozeduren. Spannend ist ja zu lernen, wie man sowas lernt oder wie man sowas entwickelt. Also Kreativitätstechniken. Dinge, wo Auswirkungsbewusstsein geschult wird, Entscheidungen treffen, Blick auf Emotionen, Blick auf Auswirkungen, kurz-, mittel- oder langfristig. Das habe ich bei mir auch gemerkt, dass ich so denke, ach guck mal, okay, jetzt machst du wieder das, probier es doch mal so aus und ich spreche dann mit mir auch in der dritten Person, sodass ich mich dann selber irgendwie coache. Das können wir ja auch. Das fand ich sehr spannend. Und sag ich mal, die nächsthöhere Ebene ist dann sozusagen noch mal ein Schritt zurück und sich anzuschauen: Wie lerne ich eigentlich zu lernen? In welchen Situationen mache ich das? Mit welchen Anlässen mache ich das?
Im Prinzip noch mal auf eine Art Meta-Ebene gehen und sich auch das noch mal anschauen. Und was lohnt sich eigentlich in Bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und halt auch Zukunft? Dann dachte ich so, naja, wann lerne ich eigentlich am meisten oder wann habe ich am meisten in meinem Leben gelernt? Und das war nicht, wenn alles gut lief. Das war immer dann, wenn die Krise da war. Probleme, Stress und so weiter. Dann habe ich wesentliche Entscheidungen getroffen. Natürlich auch, wenn Dinge gut liefen und ich das reflektiert habe. Nur mein Drang, was zu verändern, auch was Wesentliches, war meistens in Krisen. Sodass eine Krise für mich immer auch den Fokus auf das schärft, wo ich sage, da möchte ich hingucken.
Das geht ja mir momentan so. Können wir auch bei LinkedIn lesen. Mein Vater ist vor ein paar Wochen gestorben. Überraschend. Und mit allen Themen drumherum hat mich das sehr, also sehr mitgenommen und nimmt mich immer noch mit. Zumal das jetzt irgendwie gefühlt jedes Jahr war es ein Elternteil. Vor zwei Jahren meine Bonusmutter, letztes Jahr mein Bonusvater, jetzt mein Vater. Das ist irgendwie auch eine komische Reihe. Naja, gut. Und da habe ich halt so gemerkt, ich habe mich darauf vorbereitet. Ich habe mich auf verschiedene Szenarien vorbereitet, weil mein Vater irgendwann sagte, du, ich möchte nicht ins Heim. Ich möchte auch bestimmte andere Sachen nicht. Ich möchte am liebsten hier aus dem Haus. Im Haus mit den Füßen zuerst. Allein so ein Gespräch zu führen, ist einfach nur doof. So gezeigt bekommen: Du pass auf, hier ist dies; hier ist das; da musst du dran denken; die Vollmacht und so weiter. Das ist, während man das macht, echt ätzend. Das macht keinen Spaß.
Da ist Trauer mit dabei. Da ist Leugnung mit dabei. Da ist im Endeffekt alles, was so der psychologische Trennungsbaukasten mental bereithält und emotional ist, alles da. Und gleichzeitig bin ich jetzt echt dankbar, dass wir das damals gemacht haben, weil es ist jetzt „nur“ ein, in Anführungsstrichen, nur ein Abarbeiten dieser Themen, ohne noch zusätzlich viel Stress mit: Wo ist dies; ich habe die Vollmacht nicht; wo ist der Schlüssel; wo liegt jenes… Also dieser zusätzliche Stress, der es dann auch echt ätzend und lang macht, der ist weg. Das heißt, ich kann im guten Kontakt mit meiner Trauer diese Sachen bearbeiten und abarbeiten. Und das habe ich auch meinem Papa gesagt. Damals habe ich gesagt, du, pass auf, lass uns das angehen, weil dann kann ich schneller trauern. Und dieses schneller in die Trauer kommen und schneller sozusagen sich dem auch zu öffnen und nicht in so einer operativen Stresshektik zu sein. Ich habe das Gefühl, je später man anfängt zu trauern, so aus meiner inneren Wahrnehmung so, desto schwieriger ist das. Das heißt, eine gute Oszillation aus abarbeiten und dabei trauern ist zumindest für mich gerade ein ganz guter Weg.
Zurück zur Prosilienz®. Wie haben wir das gemacht? Na ja, ich habe das mit jedem einmal durchgespielt. Wir haben alle Szenarien, sind wir durchgegangen. Und dann haben wir halt diskutiert und habe ich nur gesagt, du, ja, ich kann dir hier vieles versprechen, nur es muss auch für mich praktikabel sein. Und dann haben wir über die Zwickmühlen gesprochen, haben über Ausnahmeregelungen gesprochen und so weiter, sodass ich mich da auch gut entsprechend vorbereitet gefühlt habe und die Zeit dann noch besser genießen konnte. Und das mal so als eine der Krisen, mit der die meisten Menschen ein Riesenproblem haben. Also die erste Krise ist ja das Auf-die-Welt-Kommen, wie du mal so schön gesagt hast, im Mutterleib ist alles gut. Also da hat man noch keinen Stress. Oder man hat Stress, aber dann ist der von der Mutter. Da ist die Welt noch heile. Na ja, und dann hat man halt so sein Leben.
Die letzte Krise für viele ist der eigene Tod. Und wie man damit umgeht, das kann man zumindest mal simulieren. Spannend finde ich, wie wenig kompatibel viele Menschen mit dem Thema Tod sind. Ganz interessante Rückmeldungen – umfokussieren, eigenes Einfrieren, Starre und so weiter. Da sind wir, glaube ich, als Gesellschaft nicht so gut dabei, nur so als Gefühl.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Nee, da bin ich bei dir. Und der Tod deines Vaters hat ja auch sehr viel in mir ausgelöst. Du hast ja auch selber gesagt – das, was dir am meisten geholfen hat, ist, dass alles geklärt war. Damit du entsprechend nicht zu viel Stress hast, um dann angemessen trauen zu können. Und das hat mich dann natürlich auch dazu angeregt, diese Gespräche mit meinen Eltern zu führen und mit meiner Frau zu führen. Und jetzt sozusagen in die Klärung zu gehen, weil klar sind das ganz unangenehme Gespräche.
Aber wenn du da bist, dann ist einfach die Ladung nicht mehr so hoch. Weil jetzt ist natürlich noch mehr die Energie da, um das zu machen, um es zu tun, um eine Unsicherheit dann in dem Sinne zu reduzieren. Das ist genauso wie meine Mutter, die mir damals sagte, also jetzt ein anderes Thema, aber meine Mutter, die mir damals auf den Ohren hing wegen Ehevertrag, weil sie Familienanwältin ist. Wenn was ist, dann ist es geklärt. Dann ist nicht dieser Rosenkrieg da, weil sie das entsprechend immer wieder sieht, bei den Familien, die sich dann streiten und scheiden wollen, dass da nichts geklärt ist. Und dann leiden alle darunter. Deswegen schwere Gespräche führen, um leichtere Beziehungen zu diesem Thema dann auch entsprechend zu haben. Ich bin bei dir. Bei dem Thema Tod ist das genau so.
Deswegen ist es ja auch irgendwo, das habe ich mal gehört, das fand ich eine interessante Theorie, Kinder auf den großen Tod vorzubereiten von geliebten Menschen, indem man sie mit dem kleinen Tod vortrainiert. Sprich mit Haustieren, mit Hamster, Katze und so weiter. Also Tiere, die nicht so lange leben. Um schon mal sowas gespürt zu haben, damit die Überraschung nicht so groß ist. Aber sowas dann auch noch mal im Erwachsenenalter noch mal durchzuspielen, weil ich hatte jetzt erst am Montag ein Gespräch mit einer Frau. Das war ein Auftrag, den ich hatte. Sie hat sich mir gegenüber im Einzelgespräch sehr geöffnet. Und der kleine Bruder ihres Mannes ist jetzt vor kurzem gestorben. Sie hat sehr viel darüber geredet, wie schwer ihrem Mann das fällt, das zu verarbeiten. Und sie hatte schon mehrere Menschen in ihrem Leben verloren. Und sie hat auch selber gesagt, da gibt es keinen Trainingseffekt. Nicht so sehr, was das angeht. Das ist immer noch irgendwo schlimm.
Dennoch hat sie das Gefühl, dass der Umgang damit dennoch besser ist, dadurch, dass sie nicht den Tod als eine Unmöglichkeit ansieht, sondern als integraler Bestandteil des Lebens. Und das fand ich so inspirierend von dir. Was du da berichtet hast, da habe ich extrem viel davon gelernt, auch wie ich damit umgehen möchte. Gott bewahre, wie lange es noch dauert. Aber diese Vorbereitung ist so wichtig.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Ja, und du hast das vorhin so schön gesagt. Das Überraschungselement, das wird weniger, das wird geringer. Und das habe ich irgendwann mal in der Ausbildung gehört, wo du auch drin warst bei Dirk damals. Oder warst du da drin? Oder ich? Das ist auf jeden Fall schon echt lange her. Und dann ging es um Überraschungen als Übergangsemotion. Da war so eine Kernaussage, dass die Emotionen, die danach kommen, drei bis fünfmal stärker sind. Weil quasi Überraschung, diese Vorhersage so sehr daneben lag. Und wie lerne ich gut? Na ja, mit einer höheren emotionalen Ladung. Das heißt, immer wenn Überraschung im Spiel ist, ist das nochmal wie so ein Lernturbo.
Wie so ein Beschleuniger. Quasi wie so ein gelber Marker, wo gesagt wird, ey, da lagen wir richtig daneben. Das ist wichtig! Was aber natürlich auch heißt, dass wenn diese Sachen so überraschend sind, kann einen das noch mehr aus der Bahn bringen, was die emotionale Komponente angeht. Es ist bald Ostern, da kann man sich auch mal mit dem Tod auseinandersetzen. Das finde ich dann auch schon angemessen. Natürlich gibt es da viele Probleme, die dann erst mal da sind.Es ist halt anders, als es eigentlich sein sollte, weil ich hatte geplant, ein paar Tage dahin und einen kleinen Männertrip und so weiter. Also es gibt einen Ist-Soll-Unterschied. Dann kommt die Emotion dazu, Trauer. Auch, ja weiß ich nicht, hatte so einen kurzen Schuldmoment, weil es dann in mir eine sehr verbundene Seite gibt, die dann sagt, naja, hätte ich mal mehr, wäre ich mal öfter. Ich war kurz da und dann habe ich aber diese Schuldseite in mir sehr gut, sagen wir mal, hab dir ein paar gute Argumente dagegen gegeben. Hab gesagt, du überleg einfach mal, guck dir die ganzen Fotobücher an, guck dir die ganzen Trips an. Und das war wirklich sehr intensiv, die letzten zweieinhalb Jahre, was wir zusammen gemacht haben.
Dann merkte ich, wie die Schuld irgendwie sich beruhigte. Dann merkte ich manchmal noch Ärger, wo ich denke, boah, jetzt muss ich mich um den Mist kümmern. Dann habe ich mir meinen Vater vorgestellt und hab gesagt: Vater, also das hätten wir auch anders machen können. Auch wieder spannend. Und all diese Aspekte der Emotion haben mir geholfen da einfach anders mit umzugehen. Und wie du sagtest, es befreit davon nicht. Die Sachen sind da, die Sachen sind jetzt auch da, ich merke das. Und gleichzeitig fokussiere ich halt um. Also ich fokussiere auf das, wofür ich dankbar bin, was gut war. Und es übernimmt mich nicht. Und das ist so das, was Stephen Gilligan mal so schön gesagt hat, bei den Emotionen „be with it, without becoming it.“ Also wenn Trauer da ist, dann heiß die Trauer willkommen. Wie in diesem schönen Text von Rumi. Das menschliche Leben ist ein Gasthaus. Heiße alle Emotionen als Gäste willkommen. Und die dürfen bleiben. Die dürfen sein. Die dürfen dann irgendwann auch wieder gehen, weil sie halt eine Nachricht, wie es bei ihm heißt, aus einer anderen Welt mitbringen.
Ich glaube, wenn man die Nachricht der Gäste schneller versteht und angemessen damit umgeht, dann fühlen sich Gäste einfach auch besser behandelt. Und deswegen finde ich, Emotionen auch so als Gäste und auch, wie du ja entwickelt hast, dieses Thema der Glücks-Guides nach den drei Formen des Glücks, nach Tobias Esch, Hinweisgeber auf verschiedene Formen des Glücks zu sehen, finde ich total hilfreich. Natürlich war, als die Krise da war, das Erste, was bei mir hochpoppte, der Krisenverlauf mit den verschiedenen Phasen der Krise und diese „Stages of Grief“, also die Phasen der Trauer. Ich hatte die beiden Modelle als mentale Modelle und dachte, ja, da gehst du jetzt mal wieder durch. Und ich bin da nicht zum ersten Mal durchgegangen. Und der Weg ist auch immer echt nicht so richtig schön.
Der Weg führt aber dadurch, weil die Krise jetzt halt da ist. Und da merke ich einfach, wie wichtig es ist, auch im Sinne von Prosilienz® den Weg schon mal gegangen zu sein. Das Modell schon mal sich vergegenwärtigt zu haben, einfach, um dann auch im salutogenen Sinne eine Verstehbarkeit für die eigenen Reaktionen zu haben, eine Handhabbarkeit zu entwickeln, was mache ich, wenn? Und dann auch im Sinne von Sinnhaftigkeit zu sagen, okay, das macht gerade Sinn, dass ich nicht so leistungsfähig bin oder dass ich mit dem Kopf gerade woanders bin oder dass immer mal so Ärger hochkommt.
Ich denke, wo kommt denn der Ärger her? Ich meditiere doch so viel und ich erwarte auch eigentlich mal weiter. Ja, Ehrenrunden. Und das finde ich so spannend. Und das ist halt so die Grundidee von Prosilienz® . Wirklich die Wege schon mal gegangen zu sein, damit quasi die Generalprobe schon durch ist und dann die Premiere einfach noch mal anders gelingt. Und das ist ja so dieser zweite Teil der Prosilienz®. Ich habe jetzt nicht beim ersten angefangen, aber das Leben läuft ja auch nicht immer linear.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Und du hast gerade so schön gesagt, das Prozessmodell hat da sehr geholfen. Und ich finde da wirklich Prozessmodelle allgemein. Da kann man das Prozessmodell der Resilienz nehmen, was mir sehr vertraut ist durch meine Arbeit auch damals in Berlin in der Eilert Academie – die Heldenreise nach Joseph Campbell. Da haben wir auch bei der Entwicklung dieses Themas Emotionscoaching auf Identitätsebene genau diese Struktur dieser zwölf Phasen auch für die Zukunft genutzt.
Das finde ich halt auch in dem Sinne total spannend, da zu sehen und für sich zu verstehen und zu wissen, bei jeder Heldenreise, die ich gehe, gibt es irgendwann den Punkt der tiefsten Hölle oder tiefsten Höhle, wie es im Original heißt. Und da muss ich auch durch und den wird es dann auch entsprechend geben. Deswegen war eine Intervention, da bin ich draufgekommen, die Timeline „Test Drive“ zu nennen. Also im Sinne von auf der Timeline gehen und da schon mal so einen Test Drive da zu machen. Also seine Lebenslinie entlang zu gehen. Also Dirk entwickelt, ich benannt. Und das fand ich auch wirklich extrem spannend und total kongruent zu deiner Idee einfach dieser Prosilienz®. Das mal wirklich auf dieser Lebenslinie durchzuspielen. Und auch gerne mit einem Prozessmodell im Kopf, mit der Erwartung, dass irgendwann es mal nicht so geil läuft und dass ich echt mal einen Dip haben werde. Und das dann auch in dem Sinne okay ist.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Du hast mal so schön gesagt, dass im Kern Resilienz das Thema ist: Wie reagiere ich oder wie gehe ich mit dem Vorhersagefehler um? Also im Kern geht es immer um Probleme. Problem als Unterschied zwischen ist und soll. Also Abgleich, wie ist es? Wie habe ich es erwartet? Und je nachdem, wie der Vorhersagefehler aussieht, muss ich halt mit der Situation umgehen. Und das, was ich an dieser Zeitlinienarbeit so schätze – also entwickelt oder zurückgehen tut sie auf Milton Erickson, wahrscheinlich auch noch auf andere davor, aber Milton Erickson hat mit seiner Glaskugeltechnik für eigentlich fast alle großen systemischen Aspekte die Grundlage gelegt – ist das ja so interessant, weil das Gehirn kennt eigentlich immer nur die Gegenwart und es erzeugt die Vergangenheiten und Zukunfte aus dem Hier und Jetzt heraus.
Das heißt, nicht weil die Vergangenheit so war, ist die Zukunft so. Also diese Einladung zur Linearkausalität haben wir über unser Denken ja ein Stück weit erst mal gelernt: „Weil es früher so war, ist es später so“. Das muss nicht sein, sondern wir haben immer das Hier und Jetzt. Was ich an diesen Zukunftsszenarien so spannend finde, ist, dass wir auch ganz im hypnotherapeutischen Sinne zum Beispiel bestimmte Ressourcen, bestimmte Zustände, bestimmte Möglichkeiten mit Themen umzugehen. Als Beispiel hatte jetzt vor drei Wochen eine Führungskraft, die ich im Coaching auf ein Gespräch mit ihrem Chef und ihrer Chefchefin vorbereitet habe. Und dann habe ich nur gesagt, naja, also wenn sie daran so denken, wenn sie den Termin im Kalender sich so angucken, dann hat sie zwei Wochen nach vorne geklickt und klickte dann noch eine Woche nach vorne und wurde dann so langsamer und klickte noch eine Woche nach vorne. Und dann war das irgendwann im Mai. Dann habe ich gesagt „ja, ich merke gerade, also ihre Klickgeschwindigkeit war schon höher. Das ist halt immer so gesehen, wie die Wochen so umspringen.“ Dann suchte sie sie und fand die.
Ihre Physiologie, also ihr Zustand, hat sich sofort verschlechtert. Dann habe ich gesagt: „Mensch, das ist ja spannend, dass das, was eigentlich noch relativ bald hin ist, jetzt schon Macht über sie hat. Spannend“. Dann guckt sie mich an und sagt so: „Ja, ich weiß ja schon, wie es werden wird“. Da habe ich nur gesagt: „Ja, wenn es eh doof wird, dann können wir es ja jetzt eigentlich auch lassen“. Ich bin ein bisschen provokativ. Von der zauberhaften Noni Höfner und Charlotte Cordes durfte ich ja vor vielen, vielen Jahren mal provokative Therapie machen in Abano-Therme. Einfach fantastisch.
In solchen Situationen hole ich das dann raus. Ich mache das mal mit viel Liebe und breitem Grinsen. „Nee, nee, also ich will mich da schon drauf vorbereiten“. Ich sagte: „Ja, was wäre denn, ich erlebe sie jetzt hier gerade so ein bisschen Ressourcen abgefühlt. Welches Alter?“ – sagt sie:“Elf. Da bin ich schon wieder elf. Bin ich die kleine dumme Kuh.“ Und dann sprach sie auch sehr wertschätzend weiterhin von sich. Na ja, und dann habe ich gesagt: „Haben Sie denn mal Lust, das mal durchzuspielen?“ So. Sagt sie, „ja, also habe ich schon“. Habe ich gesagt: „Wie oft? 300 Mal, 400 Mal, 500 Mal?“. Sagt sie „ja, reicht nicht. Eigentlich jeden Tag mehrfach. Wenn ich einen von den beiden sehe, und die sehe ich halt dauernd, wenn ich im Büro bin, läuft es immer ab. Ich weiß, das wird nicht gut“. Na ja, okay. Habe ich gesagt: „Gut, dann habe ich jetzt eine Zwickmühle. Da, wo die Aufmerksamkeit hingeht, da fließt auch die Energie hin. Damit erhöhen wir Wahrscheinlichkeiten“.
Und dann sagt sie so einen Satz: „Herr Mauritz, ich weiß aber, wie es ausgeht.“ Dann habe ich nur gesagt „ja, das mag sein. Ich würde gerne ein alternatives Ende zu Ihrem Film drehen. Haben Sie Lust?“ Hat sie im Moment nichts gesagt. Und dann „Ja, ich kriege sie davon wahrscheinlich nicht weg.“ Da habe ich gesagt: „Naja, also ich bin kein Coach, der irgendwie so Leute in so Zwangskontexte hier ist. Muss immer gut werden. Toxische Positivität finde ich nicht gut. Und ich würde Ihnen gerne mal drei Varianten anbieten. Also eine Alternativvariante ist immer schon ganz gut. Zwei finde ich besser.“ Und dann habe ich ihr die Frage aus diesem Master Resilience Training, was Martin Seligman und Karen Reivic entwickelt haben, angeboten. Und habe halt gesagt: „Wir fangen gleich mal mit dem Schlimmsten an. Was ist der schlimmste Fall, das Horrorszenario?“ Und dann hat sie es mir so beschrieben. Und dann habe ich gleich diese 180 Grad Technik in den Kopf gestanden.
Da habe ich gleich die Horrorszenario-Technik benutzt und gesagt: „Ja, machen Sie es mal ein bisschen schlimmer. Die schreien Sie doch bestimmt an?“. „Nee, also die sind eigentlich mal so ganz nett“, „Ach, wie gesagt, naja, stellen Sie sich mal vor, die schreien Sie an“. Da haben wir wirklich den schlimmsten möglichen Fall kreiert. Also danach müsste man eigentlich die Polizei rufen. So, und dann sagt sie: „Ja, Herr Mauritz, das ist jetzt auch unwahrscheinlich“. „Ah, okay, also das ist unwahrscheinlich. Jaja, also wir haben einen für Sie dann schlimmen Fall kreiert. Wieder elf Jahre alt, wieder Stress und so weiter.
Ich sagte: „Super. Erster Fall. Zweiter Fall. Was wäre denn der bestmöglichste Fall? Der wird eh nicht eintreten, aber man wird ja wohl noch mal träumen dürfen“. Da haben wir dann relativ lange gebraucht und das war dann so mit einem roten Teppich vor der Tür. Harfenspieler wollte sie haben. Ich hoffe, sie hört den Podcast nicht. Ich nenne ja ihren Namen nicht, aber sie wollte dann Harfenspieler haben. Sagte, ach, und wenn ich dann da auf so einem Sofa läge und, also die Chefchefin dürfte mir so Trauben reichen, gekühlt, einzeln“. „Auch mit Schokolade?“. Sie: „Jaja, aber weiße Schokolade!“ Ich so: „Super!“. Also wir haben richtig die bestmögliche Kompetenz. Ich habe da eine tiefe Freude drin. In meinem Kopf laufen so viele Bilder und Filme und das ist so cool.
Zweiter Fall. Wenn jetzt Kolleginnen und Kollegen gerade zuhören, mir ist schon klar, dass das unrealistisch ist. Ich fände es angemessen ihr gegenüber, weil die macht echt einen wichtigen Job und ja, hoch unrealistisch. Und dann habe ich nur gesagt: „Okay, diesen bestmöglichen Fall: Was könnten Sie tun, damit der ein bisschen wahrscheinlicher wird?“Und da sagte sie nur: „Naja, die mögen beide gerne diese kleinen Schokopralinés.“ Ich sag jetzt die Marke nicht, weil, also eine der besseren Marken. Fängt mit L an und hört mit Indt auf. Und da sagte sie so: „Ja, diese kleinen Minis“. „Ach, super. Okay, die könnten Sie mitbringen?“ – „Ja, genau. Ich würde die auch selber essen, aber die mögen die beide sehr gerne. Die haben die aber nicht mehr so oft, weil es wurde gerade ein bisschen budgetiert da.“ Und dann haben wir nach dem wahrscheinlichsten Fall gefragt. Nach dem schlimmsten Fall und nach dem besten Fall haben wir dann den wahrscheinlichsten Fall erarbeitet. Und das war so, dies und das. Und da habe ich gesagt: „Was müssen wir machen, damit der eintritt?“
Da hat sie gesagt: „Ich muss mich einfach vorbereiten und ich muss als die erwachsene Version meiner selbst dahin gehen. Also nicht elf Jahre.“. Und sie sagte: „Es ist gut, wenn ich ein bisschen früher da bin, weil dann kriege ich nicht den schlechten Platz mit dem Rücken zur Wand.“ Da ist so eine Wand, so schräg am Eingang. Sie kann dann an der anderen Seite sitzen und hat dann sowohl den Gang im Blick, als auch die Tür. Sie sagte so: „Ja, wenn ich auf dem starken Platz sitze, da habe ich eine gute Position“. Dann habe ich gesagt: „Was heißt das?“ – „Den Termin vorher muss ich absagen. Dann bin ich auch pünktlich in dem Raum.“
Ja, und da bin ich mal gespannt, wie das wird. Für mich war das eine Form von prosilientem Umgang mit dieser Hochstresssituation. Sie hat im Endeffekt alles schon mal durchdacht, alles sozusagen durchgespielt. Und das fand ich dann ganz spannend. Ich habe gesagt: „So, jetzt denken Sie doch nochmal an den Termin“. Dann guckt sie mich an und sagt so: „Jetzt freue ich mich richtig darauf“. Das war spannend. „Das war vor einer Dreiviertelstunde noch anders“. Sagt sie: „Ja, total, es ist magisch“. „Ja, ob es magisch wird, weiß ich nicht. Ist auf jeden Fall anders und anders finde ich schon mal jetzt gerade anders besser.“
Ja, und weißt du, das finde ich so toll. Ich liebe ja das Gehirn. Und ich liebe dafür auch mein Gehirn, weil dieses schon mal durchgespielt, es wird anders. Und das ist alles nur im Kopf. Am besten gelingt das natürlich mit den krassen Sachen. Da merkt man die Unterschiede anders. Heißt das, dass ich es nur wollen muss oder es nur projizieren muss oder was auch immer? Nein. Ich erhöhe Wahrscheinlichkeiten. Ich verändere Wahrnehmungsfilter.
Ich verändere gerade unbewusste Interaktionsmuster von mir mit der Welt, mit anderen Dingen. Und das fand ich daran so spannend. Und das war so ein, ich würde es als Zeitlinienprobe handeln, Testdrive, wie auch immer, würde ich schon so beschreiben.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Total. Und das erinnert mich total an den Spruch, den hast du glaube ich mal mitgebracht: „Macht die Zukunft was mit Ihnen oder machen sie was mit der Zukunft?“ Und genau das hast du dann entsprechend gemacht. Und ich finde das hier auch immer wieder total spannend, dass du dadurch, dass du den Filter geändert hast oder dass ihr in gemeinsamer Arbeit den Filter geändert habt, dass dann auch eine andere Emotion konstruiert wurde. Also eine Vorfreude anstatt einer Angst.
Dann ist vielleicht das Arousal, was dann da war oder ist, ist jetzt einfach irgendwie unformuliert worden. Ist jetzt irgendwie anders und geht jetzt bei dem Arousal-Valenz-Modell in den angenehmen Bereich. Also hast du eigentlich hier auch wieder so eine Art Positivbewertung hinbekommen durch den Kontrast und die Unterschiedsbildung, die du da gemacht hast. Und das finde ich wirklich total spannend, weil die reale Situation hat sich nicht geändert, aber die Vorhersagen, die darüber gemacht wurden, die verändern sich dadurch. Das ist ja ein ständiges Wechselspiel zwischen meinem Arousal, also das, was von innen kommt, meiner Bewertung, die ich da reinbringe. Und dann kann auch eine Angst zu einer Vorfreude werden. Toll, finde ich super. Genauso war es auch bei mir bei diesem Thema. Angst vor öffentlichen Sprechen und Vorträgen und so weiter. Genau, diese neuen Erfahrungen durch dieses in die Zukunft mal durchspielen, hat die Vorhersagen geändert. Toll.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Ich habe ja sogar noch eine etwas komische Hausaufgabe gegeben, weil normalerweise würde man ja sagen, ja, dann manifestieren sie, wie es bestmöglich wäre und so weiter. Und dann habe ich das auch offen formuliert und habe gesagt: „Wissen Sie, jetzt habe ich eine Zwickmühle. Ich würde Ihnen gerne einfach was geben, weil einmal ist kein Mal, zweimal ist eine Wiederholung, wo Sie einfach jeden Tag diese Freude für sich entwickeln auf diesen Termin. Und ich habe das Gefühl, dass wenn Sie jetzt jeden Tag sich vorstellen, wie toll das wird und so weiter, da gibt es eine Seite in Ihnen, also Ihre interne Horrorszenario-Beauftragte, also das ist ja auch ein bisschen Ihr Job. Sie müssen die auch wertschätzen. Also Sie sind deswegen so gut im Job, weil Sie gut diese ganzen krassen Probleme halt vorhersehen“.
Und dann habe ich gesagt: „Wissen Sie was, die Aufgabe lautet, jeden Tag, also wir machen jetzt eine Netflix-Serie, das ist immer sozusagen, wenn Sie sagen, ja, dann muss ich erst mal Netflixen, muss entspannen“. Ich habe da ja schon drüber gesprochen. Sie macht meistens dabei dann die Vier-Sechs-Atmung. Also es hilft ihr auf jeden Fall so und dann sagt Sie:“Ja, abends ein bisschen Netflix, komme ich runter, ist in Ordnung“. „Wie gesagt, so ein Job, den Sie jetzt haben, ist jeden Tag, wenn Sie mittags irgendwie einen kleinen Spaziergang machen, stellen Sie sich vor, wie schlimmstmöglich dieser Tag sein könnte. Also mit allem. Seien Sie kreativ. Und stellen sich jeden Tag etwas anderes vor, so dass es Netflix-tauglich wäre und die Leute am Tag darauf wieder anschalten würden“. Und da guckt sie mich an, sagt so: „Oh ja, da habe ich schon gleich eine gute Idee!“
Dann fing sie es an aufzuschreiben. Erste Idee war, stellt sich raus, dass beides Aliens sind und die dann beide im Prinzip irgendwie sich verwandeln und dann da so ein interdimensionales Portal öffnen. Erste Folge Horror, sagt sie: „Da werde ich entführt in eine andere Welt und ach, Katastrophe“. So, super. Hat total Spaß gemacht. So, nächste Folge. Also hin und her überlegt. Sagt sie so: „Ja, die kommen nicht. Und ich bleibe da einfach sitzen und habe abends nur, weil alles zugeschlossen wird, nur die Schokolade. Und nichts anderes. Und dann muss ich da in dem Raum schlafen“. „Oh, wie cool“. So, und dann haben wir quasi diese Horrorszenario-Kompetenz, die sie hatte, gewürdigt, um kreativ zu werden.
Ich habe gesagt: „So, jeden Tag eine Horrorszenario-Kompetenz!“. Das Spannende war, ein bisschen davon ist realistisch. Volle Lotte in die Übertreibung zu gehen, ist halt so unrealistisch, dass man dann nur sagt, wow, was ist das für eine krasse Simulation? Total unrealistisch. Und danke, liebes Gehirn, für diese Kompetenz. Und was steckt denn da drin?Und dann sagt so: „Ja, das schreibe ich mir auf. Da habe ich jetzt schon Spaß dran. Und da bin ich mal sehr gespannt, was ich da für Geschichten zu habe“.
Es gibt halt eine Rahmung. Empfehle ich das jetzt pauschal? Nein. Sondern es ist immer individuell. Und das Prinzip für Prosilienz® heißt für mich: Gehe die Dinge durch. Gehe sie gerne realistisch durch. Übertreibe sie aber auch gerne ein bisschen und gucke: Okay, wenn es der schlimmstmögliche Fall wäre, was muss ich dann eigentlich vordenken? Und dafür finde ich das so gut für die Vorbereitung auf die Zukunft, weil, wenn die Zukunft super läuft, alles schön. Läuft die Zukunft nicht so super. Dafür muss ich mich vorbereiten.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Finde ich super, die Horrorszenarienkompetenz zu nutzen. Das erinnert mich total an den zweiten Teil von „Alles steht Kopf„, wo Anxiety ja auch immer wieder diese Vorhersagen trifft und ein ganz kreativer Prozess dann ist. Ich finde das schön, wie du es gesagt hast, von dem Horrorszenario ausgehen, dann rückwärts gehen und dann zu gucken, okay, an dem Punkt, wo ich jetzt gerade stehe: Was kann ich jetzt tun, um die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, zu minimieren?
Da sieht man wirklich auch wieder, dass Krisengeschichten stets von hinten nach vorne erzählt werden. Also dieses Thema, wenn ich jetzt in die Zukunft schaue und dieses Krisenbild habe: Wenn ich dann mal die Zeitlinie rückwärts gehe, zu dem Punkt, wo ich gerade stehe, was ist der nächste, erste, beste Schritt, den ich machen kann, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ich da hinkomme? Beziehungsweise, wenn ich dann auch noch den Kontrast habe des Best-Case-Szenarios: Wie kann ich meinen nächsten, ersten, besten Schritt machen, um zu diesem Best-Case-Szenario dann auch entsprechend zu kommen?
Das ist halt wirklich genial mit der Zeit, was es damit zu tun hat. Und die Hauptemotionen, würde ich auch sagen, die da eine Rolle spielen, sind Freude und Angst. Weil Angst ergibt nur in der Zukunft Sinn. Angst projiziert mich in die Zukunft und macht entsprechend, erzeugt in mir Gedanken, wie kriege ich das hin, wird das was und so weiter. Und auch eine Vorfreude ist sehr zukunftsbezogen häufig, weil ich sage, ich will der Leichtigkeit folgen, für die Zukunft, weil da hinten erwartet mich etwas, was mich glücklich macht. Dopamin als Neurotransmitter ist ja nicht der Glücksneurotransmitter im Sinne von Glückserleben, sondern Glückserwartung.
Und bei Angst geht es um Gefahrenerwartung. Und diese beiden Wege habe ich dann anscheinend. Und dann kann ich halt entscheiden, okay, was mache ich jetzt, um den richtigen Weg zu gehen, sprich in Richtung der Freude. Hoffentlich.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Und als Ergänzung vielleicht auch nochmal, mache ich das mit jedem? Nein. Mache ich das, wenn es meinem Klienten schlecht geht? Nein. Weil natürlich ich eine Position der Stärke brauche, um mich mit diesen Szenarien auseinanderzusetzen. Also auch da wieder dieses Thema: Was immer du tust, tue es aus einem für die Situation bestmöglichen Zustand.
Heißt für mich im Coaching immer erstmal Ressourcen aufbauen, Ressourcenbewusstsein haben und so weiter und so fort. Das heißt: Will ich mich mit komischen Themen in der Zukunft auseinandersetzen, ist aus meiner Sicht die nicht so günstige Lösung, das zu machen, wenn ich nicht gut drauf bin. Das würde ich keinem so richtig raten. Das kann man natürlich machen. Viel besser und viel wirkungsvoller ist es, wenn ich das aus einem guten Zustand heraus mache. Und am besten mit einer Begleitung, entweder einer wohlmeinenden Freundin oder einem wohlmeinenden Freund oder halt einfach ein Profi. Also Coach, Berater, Therapeut, wer auch immer das professionell macht. Und das ist für mich so der zweite Teil der Prosilienz®, diese Krisenszenarien durchspielen und dann aber auch angucken: „Okay, was kam da um die Ecke? Wie alt erleben Sie sich da, wenn Sie da jetzt dran denken, so gefühltes Alter?“ Na klar, ist sie Ende 30. Das heißt aber nicht, dass in so einer Ausnahmesituation nicht eine jüngere Version um die Ecke kommt und ihr mit der jüngeren Version halt viele ihrer Erwachsenen, in Anführungsstrichen, Kompetenzen, etc., das Wissen und so weiter, schwerer zugänglich ist. Das sind oftmals Dynamiken, die wir ja gar nicht so bewusst haben.
Aber diese Regressionen, dieses innere Schrumpfen, ist da ganz häufig. Und das ist eine Frage der Prosilienz®, wenn du da so durchgehst, wenn du das Problem simulierst, wenn du an den Stress denkst, wenn du an die potenzielle Krise denkst. Wie geht es dir dann? Gefühltes Alter. Welche Emotionen zeigen sich? Wie wird dein Denken? Wird es eher eng oder wird es weit? Woran merkst du das im Körper? Um halt diesen Bereich der Stressinokulation, also des sich dagegen in Anführungsstrichen „Impfens“. Also das schon mal durchzuleben einerseits und einfach auch schon die Verstehbarkeit vorher zu erzeugen. Sagen: „Da habe ich eine Tendenz zum inneren Kleinwerden. Wie kann ich mich daran erinnern, wie alt ich bin?“Und damit kommt man im Prinzip durch diese zweite Phase der Prosilienz® sehr gut durch. Und die anderen – wir haben ja noch ein paar Folgen vor uns.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Richtig. Und was du ja auch machst, ist den Filter dann ändern. Dadurch reflektieren und ändern. Ja, super. Um andere Vorhersagen zu treffen. Ach, ist das spannend.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Und um jetzt die Zukunft vorherzusagen: Ich sage voraus, dass wir in wenigen Sätzen den Satz hören: „Möge die Resilienz mit Ihnen sein!“. Hast du noch letzte Worte für diesen Podcast heute, mein Lieber?
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Ach, ich freue mich auf eine gemeinsame Zukunft mit weiteren Folgen. Das ist jetzt die Folge 30 unseres Podcasts. Das ist wirklich wunderbar. Und ich freue mich jetzt schon auf die 100, die 150 und alle weiteren, die da kommen.
[Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast]
Ja, ich mich auch. Und in diesem Sinne –man sollte immer erst dann gehen, wenn man auch bleiben könnte. Ich könnte bleiben. Deswegen würde ich sagen, wir gehen jetzt. In diesem Sinne einen schönen Abend, einen schönen Tag, eine schöne Nacht, wann auch immer – und möge die Resilienz mit Dir und mit Ihnen sein.
Tschüss.
[Ruben Langwara – Resilienz-Podcast]
Er hatte recht. Tschüss.
Hier geht´s zum Resilienz-Podcast: www.rethinking-resilience.com