Entdecken Sie den Denkraum von Sebastian Mauritz und Ruben Langwara, um Ihre eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken und Ihr Verständnis von Resilienz zu erweitern! Tauchen Sie ein in eine inspirierende Lernumgebung, die Ihnen dabei hilft, Ihre Resilienzfähigkeiten zu entwickeln und zu festigen. Profitieren Sie von den Erfahrungen und dem Wissen der Experten und bereiten Sie sich optimal auf die Herausforderungen des Lebens vor.
HIER erhalten Sie nähere Informationen und einen Überblick über alle Folgen! In dem folgenden Artikel haben wir die Folge 35 für Sie zusammengestellt.
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In den „Shownotes“ zur jeweiligen Ausgabe finden Sie eine kurze Inhaltsangabe, Links und weiterführende Informationen. Viel Freude beim Eintreten in den gemeinsamen Denkraum und Erforschen Ihrer Resilienz.
Folge 35: Emotionale Resilienz: Schuld
In der 35. Folge des Resilienz-Podcasts „Rethinking Resilience“ tauchen Sebastian und Ruben tief in das Thema Schuld ein – eine Emotion, die selten offen diskutiert wird und dennoch eine zentrale Rolle in zwischenmenschlichen Beziehungen, im beruflichen Miteinander und im Selbstbild jedes Einzelnen spielt. Die beiden beleuchten die psychologischen Grundlagen von Schuld, ihre Unterscheidung zur Scham, ihre dysfunktionale wie funktionale Wirkung und geben wertvolle Impulse für einen gesunden, resilienten Umgang mit dieser Emotion. Dabei schöpfen sie sowohl aus persönlicher Erfahrung als auch aus systemischen, psychologischen und ethischen Perspektiven.
Warum beschäftigen wir uns mit Schuld im Kontext von Resilienz?
Schuld ist eine kraftvolle, oft unangenehme Emotion, die aufzeigt, dass „etwas offen“ ist – sei es in einer Beziehung, im eigenen Werteempfinden oder im sozialen Miteinander. Im Resilienzkontext hilft die Auseinandersetzung mit Schuld, die eigene Integrität wiederherzustellen, Verantwortung zu übernehmen und Beziehungen zu klären. Schuldgefühle können jedoch auch lähmen, wenn sie nicht verarbeitet oder anerkannt werden. Gerade in der heutigen Zeit, mit gesellschaftlichen Herausforderungen und persönlichen Unsicherheiten, bietet ein bewusster Umgang mit Schuld eine Möglichkeit, Selbstwirksamkeit und Verbindung zu stärken – sowohl zu sich selbst als auch zu anderen.
Was ist Schuld – und wie unterscheidet sie sich von Scham?
Schuld gehört zu den selbstreflexiven Emotionen.
- Sie entsteht, wenn ein Mensch erkennt, dass sein Verhalten einem anderen geschadet hat oder gegen eigene Werte verstößt.
- Entscheidender Unterschied zur Scham: Schuld bezieht sich auf das Verhalten („Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe.“), während Scham die Identität betrifft („Ich kann nicht glauben, dass ich so bin.“). Während Schuld Annäherung sucht – als Wiedergutmachung oder Ausgleich – wirkt Scham oft trennend und führt zu Rückzug und Selbstverachtung.
- Im Gegensatz zu vielen Emotionen braucht Schuld eine zwischenmenschliche Ebene: Ohne ein imaginäres oder reales Gegenüber, das Schaden nimmt, gibt es keine Schuld. Schuld ist deshalb im „Hütermodell“ die „Hüterin der Ausgleichserinnerung“, die uns hilft, unser werteorientiertes Handeln zu reflektieren.
Wie können wir konstruktiv mit Schuld umgehen?
Ein funktionaler Umgang mit Schuld beginnt mit der bewussten Wahrnehmung: Was genau habe ich getan – oder unterlassen – und welchen Wert habe ich verletzt? Die Antwort auf diese Frage eröffnet den Weg zur Wiedergutmachung. Wichtig ist, Verantwortung zu übernehmen, statt Schuld zu verdrängen oder anderen zuzuschieben – was Sebastian als „Schuld abladen“ bezeichnet. Empathie spielt dabei eine Schlüsselrolle: Wer die Perspektive des anderen einnimmt, erkennt leichter, was es zur Heilung braucht. Entschuldigungen können helfen, sofern sie ehrlich sind und verbunden mit konkretem Handeln. Auf systemischer Ebene reicht manchmal schon die Anerkennung der Schuld („Ich sehe, dass ich etwas offen gelassen habe.“), um Entlastung zu schaffen – stärker als der bloße materielle Ausgleich. Besonders in Unternehmen ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Fehlern und Schuld entscheidend für gesunde Teams und tragfähige Beziehungen.
Wozu ist ein funktionaler Umgang mit Schuld hilfreich?
Schuld kann uns lähmen – oder zur Entwicklung antreiben. Wenn wir sie verstehen und nutzen, dient sie als Wegweiser zu mehr Authentizität, Klarheit und Beziehungstiefe. Schuld motiviert zur Wiedergutmachung und unterstützt uns dabei, wieder kongruent mit unseren Werten zu handeln. In sozialen und beruflichen Kontexten fördert der offene Umgang mit Schuld Vertrauen, Integrität und Zugehörigkeit. Nicht zuletzt kann die bewusste Auseinandersetzung mit Schuld helfen, aus Opferhaltungen auszusteigen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Statt Schuld zu „tilgen“ durch Verdrängung oder passives Verzeihen, plädieren Sebastian und Ruben für die Würdigung des Leids – als Basis für Selbstachtung und Weiterentwicklung. Resilienz bedeutet in diesem Sinne: die Fähigkeit, Schuld wahrzunehmen und nicht nur mit ihr zu leben, sondern an ihr zu wachsen.
Transkript der Folge 35
Hier finden Sie das vollständige Transkript der Folge:
↓ ANZEIGEN ↓ [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Und es war in Berlin. Und ich war dann noch so lange bei einer anderen Teilnehmerin, dass sie gegangen ist. Und dann hat sie mir halt am nächsten Tag offenbart: „Das fand ich jetzt echt nicht in Ordnung. Und mein Mann fand das auch nicht so lustig, dass ich dann alleine durch Berlin laufe.“ Und das war so schlimm für mich. Ja, sowas ist so eine starke Werteverletzung auch für mich. Und dann habe ich sie wieder getroffen und habe gesagt, Mensch, jedes Mal, wenn ich dich sehe, muss ich daran denken. Und das ist jetzt gut sechs Jahre her, dass das ist. Und dann muss ich jedes Mal daran denken. Und dann hat sie mich gefragt: „Ruben, was muss ich denn tun, damit du diese Schuld endlich mal von dir nimmst?“ Und dann habe ich ihr gesagt „Mensch, was ich von dir brauche, ist deine Überzeugung davon, dass ich eigentlich nicht so bin. Und dass du weißt, dass es nicht der Ruben wie ich ihn sonst kennengelernt habe.“ Also eigentlich ist Ruben seinen Werten treu, von wegen Achtsamkeit, Wertschätzung und so weiter. Und da hatten wir einen schönen Moment miteinander, haben uns dann danach umarmt. Und seitdem ist es auch schon sehr, sehr, sehr viel besser, was dieses Thema angeht. Aber wie gesagt, ich komme schnell rein und manchmal dauert es echt lange, um dann da rauszukommen. Und was ich manchmal brauche, ist diese Überzeugung von mir, dass ich wieder wertekongruent bin, aber auch eine Überzeugung von anderen, dass ich normalerweise meinen Werten treu gegenüberhandle. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Und da vielleicht nochmal so die Frage, wenn man auf die Emotionen an sich schaut, was ja deine Spezialisierung ist, was braucht Schuld oder was ist Schuld in diesem emotionspsychologischen Sinne? Also wenn du da uns zum Start mal so ein bisschen mit reinnehmen kannst. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Zu selbstreflexiven Emotionen gehören entsprechend Emotionen wie Schuld, Scham, Verlegenheit, aber natürlich auch eine angenehme Emotion, sowie denn Stolz dann vor allen Dingen. Und das ist auch spannend, diese Emotionen voneinander dann auch zu unterscheiden. Und da lernt man auch sehr viel über Scham und über Schuld jetzt hier vor allen Dingen für uns spannend. Bei Schuld ist es entscheidend, dass ich etwas getan habe, was ich als nicht richtig empfinde und wo auch jemand anderes zu Schaden irgendwie gekommen ist. Und das vorhin auch gesagt, manchmal kann man sich auch schuldig fühlen, wenn man nichts getan hat. Ja, und genau dieses Thema auch, eine unterlassene Hilfeleistung und so weiter, kann auch zu Schuldgefühlen führen, weil ich entsprechend etwas nicht getan habe, wodurch jemand anderes dann auch zu Schaden gekommen ist. Das ist eine sehr soziale Emotion also da braucht es auch, damit es sich zeigt, immer wieder eine andere Partei. Da gab es jetzt auch eine spannende Studie. Letztes Jahr ist die rausgekommen zum nonverbalen Ausdruck von Schuld und haben dann auch wieder gezeigt, den gibt es irgendwie nicht wirklich und der tritt eigentlich auch nur dann tritt irgendwie so richtig was aus, wenn jemand anderes im Raum ist, also ein Beobachter oder ein Opfer in Anführungsstrichen, dem man ein Leid hinzugefügt hat und da will man natürlich dann auch wieder Gutmachungssignale dann auch entsprechend senden. Das ist so eine gewisse devote Haltung, in die man da auch reingeht, so hey, ich will es wieder gut machen und suche dann auch immer wieder gerne den Blickkontakt zu dieser Person und hey, ich will es wieder ausgleichen, so wie du so schön eingestiegen bist da am Anfang. Also es ist auch eine Annäherungsmotivation dahinter und das ist auch hier spannend in der Unterscheidung, weil da können wir auch nochmal unterscheiden, wie ist die Annäherungsmotivation sowohl interpersonell, also gegenüber einer anderen Person, aber auch intrapersonell und wenn wir Schuld spüren, dann gehen wir in eine weiche Annäherungsmotivation einer anderen Person gegenüber, ich habe dir jetzt irgendwas gemacht und dann würdest du merken, oh, der Ruben, der sucht jetzt immer wieder Kontakt zu mir und will mir immer wieder was Gutes tun und sucht es so und will mir immer wieder näher kommen. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Im Gegensatz zu Scham, was eher von einer Vermeidungsmotivation geprägt ist, interpersonell eine Fluchtvermeidungsmotivation, also im Sinne von, ich möchte am liebsten den Boden versinken an der Stelle, dann ziehe ich mich eher zurück und so weiter. Und intrapersonell eine Abstoßungsvermeidungsmotivation, also ich stoße mein eigenes Ich in dem Moment. Und deswegen wird Scham auch gerne als eine Selbstverachtung bezeichnet, also selbstbezogene Verachtung. Und um da nochmal eine Unterscheidung zu machen, Scham bezieht sich auf das Selbst im Kern, also auf die Identität, ist eher auf Inertitätsebene. Also ich sage dann eher sowas wie, ich kann nicht glauben, dass ich das gemacht habe, also ich als Mensch. Und bei Schuld sagen wir eher sowas, ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe. Also es ist eher so auf Verhaltensebene, weil normalerweise tue ich das nicht. Deswegen wirkt auch Scham schlimmer auf den Selbstwert, als es Schuld tut. Und dennoch geht es für uns darum, wieder etwas zu tun, damit dieser Ausgleich stattfindet, damit ich wieder weiß, hey, eigentlich handle ich anders und auch mein Gegenüber weiß, hey, jetzt ist alles wieder gut. Ich mache das nicht nochmal. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Ach Gott, wenn ich das als Trainer höre, da muss ich mal gegen so einen latenten Brechreiz ankämpfen, weil, wo ich dann so denke, ja super, was soll ich damit jetzt machen? Das ist eine für mich nicht tilgbare Schuld, weil ich so denke, und dann meistens sage ich ja, okay, was kann ich jetzt noch machen? Nee, nee, ist schon okay. Ich habe mich damit abgefunden und da kriege ich die Macke. Wenn man sagen würde, du, also ich merke gerade, ich habe nicht klar genug geäußert, dass ich von dem Thema noch eigentlich mehr gebraucht hätte. Kannst du mir einen Gefallen tun. Hast du noch einen Link, ein Buch, eine Studie? Irgendwie kannst du mir nochmal eine WhatsApp-Sprachnachricht schicken oder was auch immer. Dann kann man ja aus dieser Schuld eine Verantwortung machen und sagen, okay, ich kann noch ein Verhalten zeigen, was das, was noch offen ist, die Verpflichtung, der ich noch nicht nachgekommen bin, der noch nachkommen kann. Also so habe ich es dann richtig verstanden. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Drei Jahre ist so das beste Alter, um eine Schuld so richtig reinzudrücken. Keine Einladung an die Eltern da draußen. Nur, dass wir Bescheid wissen, okay, das ist so die Zeit, wo das entsteht. Und das in Form von so einem Du-Du-Du-Du-Du. Das ist nicht in Ordnung. Du-Du-Du-Du-Du. Also der internalisierte Ärger meiner nächsten Bezugsperson, wo ich dann das auch auf mich beziehe und sage, ja ich, ich, ich, ich, ich, ich und ich haue mich gerade selber übrigens so ein bisschen, also ganz liebevoll. Und das als so eine Art Ärger mir selber gegenüber. Und dann ist es ja bei einem Ärger auch wichtig, nutze deine Fähigkeit zu handeln. Also dann etwas zu tun, um es dann wieder gut zu machen, damit du wieder deinen Werten dann auch treu bist. Und deswegen ist genau wie du sagst, dieses Hinterher so schwierig, weil du es halt, weil du halt nicht mehr dann handeln kannst und nicht mehr es irgendwie wieder gut machen kannst. Und dann so da rumschwimmt es in deinem Internalisieren oder in deinem Ärger vielleicht auch dir selber gegenüber, diesem Schuldgefühl und so weiter. Und ja, deswegen ist es so wichtig, in der Kommunikation dem anderen auch die Chance zu geben, es wieder gut machen zu können, damit dieser Ausgleich dann auch entsprechend stattfinden kann. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Das heißt, ich produziere eine Erwartung. Ich weiß nicht, also Frisur ist jetzt ein schlechtes Beispiel, aber zu irgendwas bemerkst du, was natürlich mit Selbstwert zu tun hat. Und dann passiert das nicht. Oder du erwartest, dass ich irgendwas Bestimmtes tue oder wie auch immer. Und aus diesen Erwartungen, wenn sie nicht erfüllt werden, entspringt ja entweder, wenn ein Wert verletzt wird, dann ja irgendwie eine Form von Ärger. Oder wenn du das Ziel hattest, dass du da eine gewisse Wertschätzung kriegst und du kriegst die nicht, kommt ja der Ärger zustande. Wie ist denn das bei Schuld? Bei Schuld ist ja eher so auch in die Richtung Trauer, dass ich so merke, ich kriege hier was nicht. Und geht es dann so? Also ich könnte dann ja auch traurig werden. Wie kommt es denn dann zur Schuld? Wie muss ich intern denken, damit ich auf sowas mit Schuld reagiere? Sowas meinst du jetzt? Nicht gelobt werden oder keine Wertschätzung bekommen. Also auch wieder so sehr singuläre Themen rein von mir. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Aber dieses Thema der Schuld als Coping-Mechanismus dann zu nutzen, ja, das ist einfach nicht funktional, wenn es darum geht, ich schiebe dann die Schuld jemand anderem zu. Was wirklich besser wäre, sich mal zu fragen, wenn es dann zum Beispiel um das Thema Fehler geht, was habe ich getan, was war mein Anteil an der Auswirkung für diese Situation, dass diese Situation zustande gekommen ist, also eine Verantwortungsübernahme. Also was bei mir total hilft und was ich auch schon vielen Klientinnen und Klienten mitgegeben habe und auch im Unternehmenskontext: Welchen meiner wichtigen Werte habe ich durch diese, also durch meine Handlung dann auch entsprechend verletzt, so eine Art Werte-Reflektion und was kann ich jetzt tun, um meinen Wert wieder zu erfüllen? Oder was kann ich für andere tun, um den Wert wieder zu erfüllen, also diese Wiedergutmachung, um in die Wertkonkurrenz zu kommen, sowohl für mich, aber auch beispielsweise jetzt hier im ganzen Team, ja und auch bei diesem Thema Entschuldigen. Du kannst nur um Entschuldigung bitten, aber eine Schuld nimmt eine andere Person dann in dem Sinne von dir. Und da kommt auch wieder die Empathie ins Spiel, um mal herauszufinden, Mensch, was war es denn, was dazu geführt hat, dass der andere die Wahrnehmung hat, ich bin hier an irgendetwas schuld. Ja, aber das ist natürlich schwer aus einem Zustand heraus, wo ich in eine Altersregression eventuell dann auch gehe und mich dann ganz klein fühle und ultra gestresst bin, weil ich jetzt hier gerade konfrontiert werde mit irgendwelchen Dingen, die ich gemacht haben soll, das ist dann natürlich schwer und deswegen ist dieses Wissen darum, finde ich so wichtig. Und Schuld dann auch zu verstehen von: Ja es geht hier um Wertekongruenz und es geht hier um einen Ausgleich der Beziehung. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Das heißt, auch da erlebe ich im Coaching auch immer wieder, aber auch in Trainings, dass Menschen ihren momentanen Zustand oder andere Dinge damit erklären, dass bestimmte Dinge einfach schuld sind. Das gibt natürlich wieder eine Form von Orientierung und Kontrolle, weil ich mir die Frage nicht mehr stellen muss, hätte ich was anders machen können, kann ich jetzt was anders machen, werde ich in Zukunft was verändern können, sondern wenn ich klar definiert habe, wer schuld ist, also der Deep State oder die globale Verschwörung oder was auch immer, also auch jede Form von Verschwörungstheorie hat ja immer sozusagen ein großes Ganzes, was in der erlebten Ohnmacht quasi eine klare Schuldzuweisung halt abkriegt. Und da es halt sehr wenig greifbar ist, ist es halt auch total funktional, weil da es nicht greifbar ist, kann man es nicht direkt angehen. Das ist ja ähnlich auch wie in der Religion, wo so Aussagen wie Gott sieht alles oder die Engel sehen alles oder wie auch immer, das mag so sein, das ist auch so, also in meinem Verständnis von Religion. Das wird aber natürlich nicht dafür genutzt, um zu sagen, und es gibt einen liebenden Gott, egal was du machst, egal was für komische Gedanken du hast, auch egal was für komische Filme du dir in irgendwelchen Online-Portalen anguckst, es ist alles okay, das ist sozusagen alles, alles ist für Gott okay, weil Gott dich liebt und du derjenige bist, welcher. Sondern wenn dann gesagt wird, also wenn du das gemacht hast, dann brauchen wir Ausgleich, weil das ist dann irgendwie das Konzept der Sünde, da brauche ich dann auch wieder was. Und da finde ich, sind wir ja auch sehr darauf konditioniert, auf richtiges Verhalten, wer auch immer sagt, was richtig ist, zumindest ein sozialkompatibles Verhalten. Das heißt, ich finde Schuld als Emotion schon auch nützlich, wenn zwischen uns was offen ist. Also ich mag, dass Schuld mich daran erinnert, dass ich dir noch, weiß ich nicht, keine Ahnung, irgendwie 20 Euro wieder per PayPal rüberschieben muss oder irgendwie beim nächsten Mal dir deine Flipchart-Stifte zurückgebe oder irgendwas. Also dafür ist das echt gut. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Einfach auch hier für eine globalere Beziehungsballon. Ich bekomme ganz viel, also gebe ich jetzt mal allgemein zurück der Welt und tue etwas Gutes aus mir heraus, ohne jetzt auch irgendetwas zurück zu verlangen und zurückbekommen zu müssen. Und das finde ich immer wieder total spannend in Unternehmen, wie das gefördert wird. Eine Dankbarkeitskultur oder beziehungsweise eine Schuldkultur unter dem Mantel einer vorgesetzten Dankbarkeitskultur, die da gefördert werden möchte. Und das Spannende ist halt, wo wir rausgekommen sind, bitte lebt selber erstmal Dankbarkeit vor und dann kommt auch entsprechend die Resonanz dann zurück. Schuld einem aufzudrücken. Du hast es ja in einem Workshop mal so schön genannt: „Schuld abladen verboten!“ finde ich total genial. Wie bist du denn da dann draufgekommen? War das genau diese Thematik, dieser passiven Haltung und dieses Aufdrücken von Schuld und so weiter? [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Na ja, und dann, wie es so ist, irgendwann kriegt man für die Ideen, die man hat, Konzepte. Dann in Form von Namen für Emotionen. Dann habe ich mich mit Schuld sehr intensiv auseinandergesetzt. Und das war auch alles so auf meinem persönlichen Ausbildungsweg und auch Heilungsweg. Ich gehe immer noch viel zu Coaches, habe viele Aufstellungen gemacht, viel einfach an mir gearbeitet, weil ich immer so dachte, ich will das mal verstehen. Also Verstehen ist ja erst mal so, wenn man die Konditionierung kennt oder den Denkrahmen kennt, in dem man irgendwie der Welt begegnet, dann kann man allein dadurch, dass man ihn kennt, ihn besser erkennen. Und dadurch kann man im Prinzip oder kann ich mit ihm besser umgehen. Na ja, und dann war so dieses Thema irgendwie, dass ich mir auch selbst die Schuld gegeben habe an vielen Dingen. Und das ist schon, sag ich mal, auch mit meinen Werten verbunden. Als ich das verstanden habe, hat sich auch viel gelöst. So dass immer, wenn ich mich ärgere, mir was wichtig ist. Also Ärger als „Hüter der Werte. Und auch das war in meinem Gespräch mit dir vor, ich glaube, zehn Jahren oder so, sagtest du das mit dem wertkongruenten Verhalten bei Schuld. Kann auch vor acht oder neun Jahren gewesen sein. Na ja, auf jeden Fall habe ich damals gedacht, ich muss dazu mal ein Buch schreiben. Und jetzt hatte ich den Titel „Schuld abladen verboten“. Und mir ist natürlich total klar, dass als Deutscher so ein Buch zu schreiben total kontraindiziert ist. Weil, na ja, da mache ich mir überhaupt keine Illusion, dass irgendwelche Idioten dann sofort sagen, aha, also es war doch die Lüge. Das brauche ich nicht. Und diese Zeit war auch grausam genug und schlimm genug, als dass ich da überhaupt nur ansatzweise den Eindruck erwecken wollte, dass sozusagen ich bei Schuld sage, hier, das läuft nicht, das gibt es nicht, Finger weg so. Was heißt das? Das heißt, dieses „Schuld abladen verboten“ war für mich so ein sagen: „Stopp, ich will nicht immer an allem schuld sein.“ Das war eigentlich eher ein, für mich so eine Art Entscheidung.Ich will das nicht. Und mit dieser Entscheidung, die viel, viel mehr nach innen als nach außen tatsächlich gekommen ist, dachte ich mir so, okay, was hängt denn alles mit Schuld zusammen? Wie ist das mit Schuld generell? Und irgendwann saß ich mal in einem Seminar bei Matthias Varga von Kibéd und habe ihn dann gefragt: Matthias, wie sieht es aus? Kannst du mal zu Schuld was sagen? Und dann hat er das auch gesagt mit der althochdeutschen Zeitform und sagte, na ja, aus systemischer Sicht gibt es Ausgleichsprinzipien. Das heißt, mal angenommen, ich leih mir von dir zehn Euro. Und dann habe ich innerlich das Gefühl, ich schulde dir da was, da ist was offen. Und dann sagte er so, na ja, manche Schuld kann man tilgen, manche Schuld kann man nicht tilgen. Also zum Beispiel, wie tilgst du die Schuld, wenn dann jemand verstirbt oder nicht mehr da ist, nicht mehr auffindbar ist? Wie gehst du damit um, wenn noch was offen ist, die Person aber nicht mehr da ist? Und dann sagte er: Na ja, das Ausgleichsprinzip aus systemischer Sicht, und das ist eine der Quintessenzen in meinem Buch, was bei mir in der Schublade liegt und auch liegen bleibt. Es war für mich gut und alles ist schön. Eine der … [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Der würde damit jetzt endlich gerne spielen, aber dafür brauche ich halt die zehn Euro. Also so ein ganz wahrscheinliches Szenario. Und dann sage ich sowas wie, hier hast du. Und ich nehme den zehn-Euro-Schein, knülle den zusammen und schmeiße den vor die Füße. Würdest du mir nochmal was leihen? Wahrscheinlich nicht. Aber ich habe es doch ausgeglichen. So, interessant. Gegenbeispiel. Ich sage, Mensch Ruben, also ich kenne ja deinen Sohn sehr und ich schätze den sehr und ist auch ein cooler Typ und ich gönne dem alle Freuden beim Spielen. Ich habe da nur eine Zwickmühle. Weißt du, es ist, ich kann dir die nicht geben. Ich kann es einfach nicht. Ich würde es total gerne machen und ich kann es nicht. Ich finde das so großzügig, dass du mir die geliehen hast. Es ist mir hochgradig unangenehm. Ich kann es nicht. Also ich kann jetzt mal anfangen, irgendwie mit 50 Cent so. Und das Interessante ist, je mehr ich das Ausgleichen würdige, die Ausgleichsverpflichtung anspreche, desto mehr verschwindet der Wunsch oder der Druck, das tatsächlich auszugleichen. Das heißt, mit der Würdigung und Wertschätzung des Ausgleichs verschwindet der Ausgleich an sich. Und das finde ich hochinteressant, dass das ins Menschliche anscheinend angeboren ist. Und auch dieses Gegenbeispiel mit, ich schmeiße es dir vor die Füße, dann ist es eben nicht gut. Dann sagst du auch so, ah, dir leihe ich nochmal was. Und ich sage, ja, ich habe es dir doch zurückgegeben. Aber dann ist es nicht das Zurückgeben, sondern die Frage des Wies. So. Zweite Thema. Angenommen, du leihst mir was. Ich will es dir wiedergeben. Du sagst, ah, nee, nee, nee, komm, passt schon, passt schon. Das ist sowas wie Menschen viele Geschenke machen und sich dadurch immer in die Schuld setzen. Ja, da gibt es ja auch so eine Weisheitsgeschichte, wo der Maharaja ganz viele Geschenke kriegt. Und die, wo eine Karte dran ist, die lässt er sofort zurückgehen. Und die, wo keine Karte dran ist, die behält er. Und dann wird er gefragt, warum er das gemacht hat. Und er sagte, naja, also wenn da keine Karte dran ist, dann weiß ich nicht, bei wem ich da jetzt in der Schuld stehe. Deswegen behalte ich sie. Bei denen mit Karte, da will ich nicht in der Schuld stehen, weil ich es weiß. Deswegen gebe ich die zurück. Also Lovebombing, totales so drüber, haben Menschen dann so eine innere Zwickmühle. Wie können sie es zurückgeben? Wie können sie es wiedergutmachen? Und das ist natürlich auch eine sozusagen dysfunktionale Form, die gut gemeint ist. Da nehme ich mich selber nicht von aus, weil ich einfach so aus dem Herzen heraus gerne auch gebe, auch Menschen gerne was gebe. Ich mir aber auch, sag ich mal, über die Jahre eingestehen musste, dass das vielleicht manchmal ein bisschen zu viel war. So auch in Beziehungen und so weiter und so fort. Und um das Ganze mal in die Firma, also in den Firmenkontext, weil du den gerade angesprochen hast, zu heben. Ich wurde irgendwann mal in ein Krankenhaus gerufen und die sagten, Herr Mauritz, bei uns wird Material geklaut. Das glauben sie nicht. Also aus der Verwaltung diese Nummer mit Druckerpapier, Druckerpatronen, diesem ganzen Verbrauchskrimskram, kennt man. Da wurden 10.000 Latexhandschuhe geklaut aktuell. Und ich sage dir mal eins, selbst wenn du einen Fetisch hast mit 10.000 Latexhandschuhen, also das sind jede Menge Orgasmen oder Spaß oder Kink. Das ist, ey, sorry, aber 10.000 Handschuhe, das ist echt, also vielleicht gibt es da jetzt auch schon so einen Begriff für garantiert, aber es war nicht normal. Und dann habe ich nur gesagt, okay, haben sie eine Hypothese? Nee, keine Ahnung. Und dann haben wir das so gemacht, dass ich, da wurde das so ausgeschrieben, wir sagen hier, die Geschäftsleitung ist an einer guten Klärung entsprechend interessiert. Dann stand da meine Handynummer und da wurde gesagt, hier, sie können anonym bei Herrn Mauritz anrufen, dem Hinweise geben und wir werden das Thema dann in Workshops übernehmen. So. Irgendwann, anonymer Anruf, klingelt mein Handy. Ich gehe so ran, jemand ran am Telefon und sagte dann nur so was wie: „Ja, sind Sie Herr Mauritz? Ja, es geht um dieses Thema. Ich habe das von einem Kollegen gehört und so weiter. Ich möchte Ihnen gerne sagen, warum das so ist“. Habe ich gesagt, okay, sagen Sie mal warum. „Ja, die schulden uns das.“ Habe ich gesagt, wie bitte? Sagt er: „Wissen Sie, Herr Mauritz, wir haben hier so viele Stellen, die unter unbesetzt sind. Wir haben permanente Überlastung und dazu gibt es noch kein bisschen Wertschätzung hier für die Pflege. Die schulden uns das.“ Habe ich gesagt: „Können Sie sich erklären, warum dann jemand 10.000 Handschuhe mitnimmt?“ Sagt er: „Ja, dann haben wir wenigstens etwas“. Und das fand ich spannend, weil das dieser ökonomische Ausgleich ist. Und das, was ich dann für mich daraus gemacht habe, war so dieses Thema, dass Schuld auf zwei Arten getilgt werden kann. Einmal auf emotionale Art mit Wertschätzung und auf kognitiver Ebene ökonomisch mit Geld. Also ist Wertschätzung die emotionale Bezahlung und Geld die kognitive Bezahlung. Und wenn beide stimmt, ist es super. Und du siehst quasi an zum Beispiel auch diesem Thema, wenn man jetzt so in das Ehrenamt guckt. Ich mache viel Ehrenamt, ich habe viel Ehrenamt gemacht. Das ging mir nie um die Bezahlung. Es ging mir immer um das Erleben von Wirksamkeit und die Kombination mit Wertschätzung von den anderen Vorstandsmitgliedern und so das Gefühl, hey, wir haben was erreicht. Wir haben für was Gutes beigetragen, so Sinn erleben. Ohne Geld. Und ich glaube, das ist so ein wichtiger Punkt auch, um den Loop zu schließen zu deinen Führungskräften, dass die ja dieses Thema Wertschätzung ist keine Einbahnstraße, die sollten dankbarer sein, sozusagen vielleicht selber auch mit der Wertschätzung anfangen oder halt das Thema Wertschätzung überhaupt in den Fokus liefern. Letzter Satz. Wir haben dann, habe ich Wertschätzungstraining gemacht, was man nicht alles macht. Wir nennen das ja heutzutage Appreciate. Das hast du ja so wunderbar entwickelt, dieses Programm, auch im Rahmen der emotionalen Resilienz, um halt auf eine Art und Weise Wert zu schätzen, die ankommt, die nicht übergriffig ist, die sozusagen so Elemente von ich sehe dich, ich wertschätze, würdige dich und du bist was wert, du machst einen Unterschied, you matter, also auch so Elemente von mattering damit integriert. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Wenn man an Schuld denkt, dann kommt ja auch gleichzeitig immer wieder das Thema der Vergebung hoch. Und dieses Thema, ich halte einen Ärger in mir über eine andere Person und sozusagen die ist mir in dem Sinne noch was schuldig und so weiter, muss ich immer vergeben. Und wann ist es denn wichtig zu würdigen, dass wirklich eine Werteverletzung da war? [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Wäre da nicht eine Bekannte damals dabei gewesen, die auch Wingwave gemacht hat. Das war erster Tag nachmittags und ich hatte noch dreieinhalb Tage vor mir, es waren vier Tagesausbildungen. Und ich habe zu der Person nur gesagt, die rief dann an, sagte, hast du mal ganz kurz? Ich habe gesagt: „Du, ist das irgendwas, was ein bisschen intensiver ist so oder was halt.. “ – sagt er: „ja geht ganz schnell“. Ich sage „können wir das Montag machen? Ich will mich auf die Ausbildung(…)“ – “ ja geht ganz schnell“. Da hat er mir so mit zwei, drei Sätzen gesagt, ich bin raus und er schreibt mir das gleich nochmal per Mail. Und ich war wirklich so, also gerade am Anfang von solchen Projekten, das war am Anfang der Selbstständigkeit mit der Akademie. Das hat schon auch einen Unterschied gemacht, weil auf einmal ganz viele Termine weggefallen sind und so weiter und so fort. Und wenn du mir jetzt sagen würdest, habe ich dem vergeben oder habe ich dem verziehen? Nö. Also die Worte, die ich über ihn denke, sage ich jetzt nicht hier, damit wir nicht in die Ü18-Kategorie fallen. Aber das ist halt ein Penner. Das ist ein richtiger Trottel, der das gemacht hat. Und wenn ich den heute sehen würde, würde ich sagen, na du Dieb, weil er mir das weggenommen hat. Ich konnte nichts machen, weil unsere Verträge, das basierte auf Handschlag damals noch, so zum Anfang. Das war auch was, worauf er bestanden hatte. Ich meine, ich habe daraus dann was Besseres gemacht. Also ich habe mir den Kunden einfach geholt, den größten Kunden. Und er hatte ja alles gekündigt, deswegen musste ich ihm auch keine Provisionen mehr zahlen. Das weiß ich nur, weil ich ihm dann seine Mail zurückgeschickt habe nach Absprache mit meinem Rechtsanwalt. Und ich nur weiß, dass er dann da einmal komplett explodiert ist. Herrschendoof. Also da bin ich dann schon clever genug, dann sowas zu nutzen auch. Aber dem habe ich nicht verziehen. Das heißt aber nicht, dass ich jedes Mal mich darüber ärgere. Das heißt einfach nur, eine ganz deutliche Markierung innerlich. Das will ich nicht. So will ich nicht sein. Und wenn der jetzt käme und würde um meine Hilfe bitten, weiß ich nicht, wahrscheinlich nicht, würde ich sagen, du, tut mir leid. Da musst du dir wen anders suchen. Vielen anderen Menschen, für die Sachen, die sie machen, habe ich verziehen, weil ich ihr Leid sehen konnte. Habe aber das Verzeihen an ein Versprechen bei mir innerlich gekoppelt, nie wieder mit der Person irgendwie zu tun zu haben. Man muss ja nicht alle Menschen lieben. Man muss ja auch nicht mit allen Menschen gut sein, sondern manchmal ist es ja auch sehr, also sehr, sehr angenehm oder auch sehr klarheitsstiftend, Unterscheidungen zu machen. Sagen du ja und du nicht. Und die Nummer ist halt durch. So. Und ich glaube, bis ich irgendwann mal, wenn ich irgendwann mal erleuchtet sein sollte, ist das so ein Thema, wo ich so sage, da unterscheide ich schon. Das braucht lange. Das braucht auch mit zunehmendem Alter immer länger. Ich merke aber, wenn mir was massiv gegen meine Werte geht, dann hilft mir die Meta-Akzeptanz nach Gunter Schmidt. Das heißt, ich akzeptiere, dass ich das niemals akzeptieren werde, weil es Teil meiner Geschichte ist und ich diesen Teil meiner Geschichte, meine leidenden Seiten da nicht entwürdigen möchte. Und gleichzeitig hilft mir das für eine Orientierung als Warnhilfe für die Zukunft. Und vielleicht letzter Satz dazu, wenn Menschen anderen Menschen Gewalt antun und die da dann fürs Leben gezeichnet sind, dann finde ich gut zu sagen, nee, der Person vergebe ich nicht. Der verzeihe ich nicht. Weil ich damit gleichzeitig diese leidende Seite in mir, diese damals, das diese Gewalt erfahren hat, entwürdigen würde. Die hätte ich dann vielleicht nicht mehr im Blick. Das, was ich machen würde, ist, damit einen guten Umgang zu finden, in gleichzeitiger Bewürdigung dieser leidenden Seite oder dieser damaligen Seite und zu sagen, okay, ich akzeptiere das, dass das jetzt so ist. Ich übergebe natürlich den juristischen Teil an die Gerichte. Aber auch da wird ja nicht immer recht gesprochen. Und da braucht es dann einfach den Fokus auch wieder auf die eigenen Werte und ein Umfokussieren im Sinne von, okay, diese Werte damals wurden mir nicht gegeben. Und wie kann ich die jetzt dafür noch mehr in die Welt bringen? Weil dagegen kämpfen macht im Prinzip das Problem deswegen nicht weg, weil man gegen sich selber kämpft, sondern dann sollte man im Sinne auch der Nutzung dieser Wertverletzung die als Antrieb nutzen, um, sagen wir mal, wenn die Freiheit sehr stark eingeschränkt wurde oder wenn die körperliche Unversehrtheit oder die Würde oder so stark eingeschränkt wurde, sollte man sich danach für Freiheit, für Würde, für etwas einsetzen, um das Stück für Stück in sich zu heilen und zu nutzen. Aber diese dumme Nummer mit, ja, man muss den Leuten verzeihen, das ist lächerlich, weil es ein Teil der eigenen Geschichte tilgt. Und es ist fast sowas wie eine Form von Gaslighting, wo man Menschen sagt, ja, verzeih dem doch. Lass es los, sonst wird es dein Herz einnehmen für immer. Den könnte ich in die Fresse hauen, diesen Leuten, weil es einfach so eine dumme kognitive Nummer ist. Und sie nicht dieses Thema der Würdigung des Leids, das ist da nicht mit drin. Das finde ich hochgradig schwierig. Du merkst, dass mein Krieger da sehr am Start ist, weil das so eine falsch verstandene Form von Gutmenschentum ist, dieses pseudointellektuell Erleuchtete, das menschliche Tilgende. Aber geh mal zu dieser Person, geh mal ans Auto von dem und kratz dem einmal über die Motorhaube und sag, hey, du musst doch verzeihen. Lass es los. Und dann spielst du ihm noch den Song von der Eisprinzessin. Let it go, let it go. Und sagst, hey, klappt nicht, was? Ja, und das ist so dieses Thema. Wenn da Werte im Spiel sind, ehre die Werte und guck, wie du die Werte in Aktion kriegen kannst. Und dann, glaube ich, kann all das auch irgendwie verarbeitet werden. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Und warum darf ich mich jetzt moralisch über den anderen dann auch stellen? Und was ist dann im Gegensatz zu dem anderen an mir gut? Und das fand ich auch spannend, jetzt gerade auch so eine kleine Schadenfreude dann auch zu sehen, weil der andere dann auch. Und das kriegst du ja nur so hin, wenn du dann genau diese Unterscheidung von der Person dann hast. Und das fand ich jetzt gerade wirklich total spannend, aber nicht dieses Destruktive in der Verachtung, sondern wirklich dieses, ich nutze das jetzt mal, um den Fokus auf mich zu lenken und mich zu würdigen jetzt hier auch dann dabei. Und ich mache jetzt meine klare Grenze dann auch zu dem anderen. Und selbst wenn er ankommen würde, würde ich, finde ich das einfach so krass. Und für meinen eigenen Schutz für mich selber und für meine Werte sage ich dann nein. Aber, und das hast du ja auch gesagt, wenn irgendwie prompt wahrscheinlich, also dann brauchst du wahrscheinlich eine Geschwindigkeit dann auch nach dem Vergehen, eine Reue gezeigt wird, also auch im Sinne von deine Werteverletzung dann gewürdigt wird und eine Wertschätzung deines Leids dann gezeigt wird, dann ist es entsprechend einfacher, dann auch in die Vergebung zu gehen. Aber du hast ja bei dem Gegenüber keinen Funken Reue gesehen und deswegen braucht es dann die Vergebung wahrscheinlich auch nicht. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Und das, muss ich sagen, ist wirklich hilfreich. Ich würde gerne noch eine Sache sagen, weil die hier auch gut reinpasst, dieses Thema, wo du gerade über Vergebung sprichst, man sagt ja schnell mal sowas wie, ist doch nicht so schlimm, hast es doch überlebt und so weiter und ich finde, man sollte sich auch da bewusst machen, dass das im geringsten Fall als eine Form von mangelnder Würdigung und Wertschätzung, im schlimmsten Fall sogar als eine Form von Gaslighting ist. Also du sprichst mir meine Realität ab, wenn mir zwar Schlimmes passiert und du sagst so, ist doch nicht so schlimm, du hast es doch überlebt, also noch so eine dumme Pseudologik irgendwie dahinterher, also denke ja, das eine hat doch mit dem anderen gar nichts zu tun. Also sprich eine Entwertung meines Leids, meines Problemerlebens, meines Stresserlebens und das passiert ja auch so oft, also wir meinen das dann gut, wir wollen das dann relativieren, aber auch da zu sagen, ja, wir erleben es gerade und ich stelle mir vor, das war jetzt echt heftig für dich, also so eine Validierung und dann vielleicht auch zu sagen, du, also ich wünsche dir, dass du da gut durchkommst, also funktionale Formen von Mitgefühl und halt nicht dieses Mitleid, aber auch nicht dieses Abwerten und ich kann dieses Ab- und Entwerten auch verstehen, weil viele damit nicht umgehen können, also dann erzählt jemandem was Fieses und der Coping-Mechanismus ist, ist doch nicht so schlimm, hast es doch überlebt, weil die Menschen mit dem Thema nicht klarkommen. Also ich kann immer auch beide Seiten verstehen, nur für diejenigen, die das Leid erlebt haben, ist es halt brutal, das war mir einfach noch wichtig zu ergänzen, weil ich es jetzt gerade bei einem Bekannten miterlebt habe, wo dann der erste Satz von seinen Eltern war, tatsächlich: „Es gibt Menschen auf der Welt, denen passiert noch viel Schlimmeres“. Und ich dachte nur so, what, was haben sie gesagt? Er war fertig, er sagt: „Ich werde zuhause nicht verstanden“ und dann habe ich nur gesagt: „Ja, wie gehst du damit jetzt um?“ – „Ich erzähle zuhause nichts mehr.“ Habe ich gesagt: „ist das eine gute Lösung für dich?“Sagt er: „Nee, es ist aber eine Lösung“. Und dann hat er nur gefragt: „Du, kann ich dich in Zukunft immer mal ein bisschen anrufen“. Wir kennen uns noch nicht so lange, aber wir schätzen uns halt und dann sagt er: „Ich schätze sehr an dir, dass du die Sachen erstmal so anhörst und mich erstmal so lässt, wie ich bin“. Habe ich gesagt: „Ja, kein Coaching ohne Auftrag“. Ich höre mir das an und ich sage schon, willst du dazu eine Meinung von mir und er hat bisher oft genug nein gesagt und ich sage, ja, ist okay und dann haben wir es halt besprochen, dann gibt es einen dummen Spruch und dann geht es weiter so, also das sind tatsächlich so Aspekte, die, glaube ich, ganz wichtig sind, mal auf die eigenen Coping-Mechanismen zu gucken, wie gehen wir eigentlich mit dem Leid anderer Leute um, aber auch natürlich, wie gehen wir mit eigenem Leid um. [Ruben Langwara – Resilienz-Podcast] Und als sie dann mal verstanden hat, ja, dass diese Schuld eigentlich ihre Empathie zeigt auf der einen Seite, auf der anderen Seite auch ihre Verantwortungsübernahme bei bestimmten Dingen, hatte sie eine andere Beziehung dazu und seitdem sagt sie, ja, hm, ich bin blöd gelaufen, nächstes Mal machen wir es so… Also dann eher in die Selbstwirksamkeit gegangen und das wünsche ich jedem da draußen, der oder die Themen mit Schulden, die man da draußen hat. Dass ich in die Beschwichtigung gehen darf, aber auf der anderen Seite auch verstehen darf, in der Selbstreflexion, ja, wie handle ich es, wie handle ich jetzt, um es auch für mich wieder gut zu machen, dann an der Stelle. [Sebastian Mauritz – Resilienz-Podcast] Ja also ich bleibe mal in Deutschland, gerade mit Blick in unsere Geschichte, sich einfach zu fragen, okay, was sind die Themen, für die ich in Zukunft Verantwortung übernehmen muss, mit jedem Atemzug ab jetzt, weil ich das selbstwirksam machen kann und bezogen auf die Vergangenheit, die ich zu verantworten habe, mich zu fragen: Nicht, wofür bin ich schuld, sondern wie sind bestimmte Dinge entstanden und welchen Teil der Verantwortung habe ich daran übernommen? Wo ist für mich jetzt noch was offen und wo kann ich in Zukunft vielleicht beitragen, mehr an dem Guten und weniger an dem Nicht-so-Guten zu arbeiten? Und ich glaube, wenn wir alle so durch die Welt gehen würden, dass weniger Themen offen sind, dass man mehr sozusagen, ich sag mal so, die Tanzbereiche, mein Tanzbereich, dein Tanzbereich, das heißt, Menschen so sein lässt, wie sie sind, und wie gesagt, so dem großen Ganzen unserer Gesellschaft hier folgen (…) Ich glaube, dann, ja, kommen wir auch gut durch diese spannenden Zeiten. Und, ja, ich finde, Verantwortung übernehmen für sich selbst, damit beginnt alles und dazu kann ich eigentlich auch hier immer nur einladen. Verantworten kommt von, ich kann eine Antwort geben und wenn ich keine Antwort geben kann, dann muss ich vielleicht schweigen und nicht irgendwas anderes machen oder sagen. Von daher, das mal so als meine abschließenden Worte. In diesem Sinne, möge die Resilienz mit dir und mit Ihnen allen sein und wir hören uns bald wieder. Alles Gute! Hier geht´s zum Resilienz-Podcast: www.rethinking-resilience.com
Mal wieder ein Denkraum, mal wieder eine Emotion, mal wieder zwei Menschen, die dieser Emotion in diesem Denkraum ein bisschen beim Spielen zuschauen. Hallo, lieber Ruben, ich freue mich sehr, dass du heute hier mit mir dabei bist.
Ich freue mich auch sehr und ich freue mich sehr, mit dir und dieser Emotion zu spielen. Das fand ich eine super Einleitung jetzt hier an der Stelle. Ich bin ganz gespannt, was so heute entsteht.
Ich weiß nicht, wo das Wort Spielen herkam und gerade die Emotion Schuld, um die es ja heute geht, lädt vielleicht nicht unbedingt zum Spielen ein. Die Frage, die wir uns ja im Vorfeld gestellt haben, war, welche Emotionen sollen wir uns mal näher anschauen? Es gibt da ja so ein paar. Und Schuld, habe ich immer so das Gefühl, ist so eine Emotion, die ist nicht so salonfähig. Also wenn die da ist, dann ist es irgendwie immer ein bisschen unangenehm. Und dann haben wir mit unserer deutschen Geschichte ja so eine Erbschuld. Dann haben wir sozusagen so auch im christlichen Sinne irgendeine Form von Urschuld, Erbschuld, wie auch immer. Also man muss ja gar nicht so viel machen, um schon eine Schuld zu haben oder Schuld zu sein. Manchmal ist man ja auch schuld, einfach ohne dass man, weil man nicht irgendwas bemerkt hat oder so. Ich finde es eine super spannende Emotion und deswegen mal so meine Frage an dich. Welche Beziehung hast du zur Schuld?
Ich bin schnell da, genauso wie du es gesagt hast. Und ich merke auch hier wieder, ich glaube, den Satz habe ich schon mal in einer vergangenen Folge gesagt. Hier steht mir manchmal auch meine Verträglichkeit im Weg, weil bei Schuld ist die schlechte Nachricht, brauchst du Empathie. Und wenn du viel Empathie hast, ja, dann ist es auch leicht, dann eine Schuld zu spüren einer anderen Person gegenüber, weil du das Gefühl hast, Mensch, ich habe da jetzt irgendwas angetan. Da ist jetzt offen zwischen uns und da sollte ich irgendwie in den Ausgleich gehen. Deswegen ist meine kurze Antwort, der Weg dorthin ist sehr schnell und der Weg raus dauert manchmal ein bisschen länger, weil ich will dann erstmal davon überzeugt sein, dass es wirklich jetzt in Ordnung ist. Ich hatte neulich erst die Situation, dass ich eine ehemalige Teilnehmerin von mir getroffen habe und die super lieb und wir sind richtig gut miteinander. Nur ich habe eine Sache mal gemacht, da ging es darum, dass ein Seminartag sehr viel länger ging, also als geplant. Und dann hat sie dann abends dann gewartet, damit ich mit ihr gemeinsam dann noch zur U-Bahn gehe.
Ich finde das total spannend, weil für mich ist Schuld immer so dieses Thema, das was offen. Wir nennen das ja in unserem Hütermodell, wo Ärgerhüter der Werte, Angsthüterin der Sicherheit ist. Sagen wir, Schuld ist die Hüterin der Ausgleichserinnerung. Also Schuld sagt, hey, da ist noch was offen auf einer Seite. Das ist mehr so eine Art, wie sagt man, ökonomische Sichtweise. Das, was du gerade angesprochen hast, ist ja eher eine moralische Sichtweise, wo es um soziale Werte oder Werte im sozialen Kontext, Normen und so weiter geht. Und was ich spannend finde, ist, dass das Wort Schuld aus dem Althochdeutschen kommt und da hieß es sowas wie Skuld und das meint sowas wie Verpflichtung oder Fehlverhalten. Und das ist auch dem englischen Guilt sehr ähnlich. Also to be guilty or to be found guilty und so weiter, also für schuldig befunden werden. Das heißt, dieses Befundenwerden heißt auch immer, es gibt sozusagen rechtsprechende Organe, die jemanden einer Schuld sozusagen befinden. Das heißt, auch da hat Schuld ja eine externe Quelle, eine interne Quelle. Und wenn ich sage, ich habe da eine Verpflichtung, dann ist das eine Verpflichtung meistens ja zum Ausgleich.
Ja, wunderbar. Also da gucken wir immer, wenn wir Emotionen einordnen wollen, erstmal darauf, gibt es da irgendwie eine Kategorie für? Also ist die auch anderen ähnlich? Und da kann man sagen, Schuld ist eine sogenannte selbstreflexive Emotion oder selbstbezogene Emotion. Das sind wahnsinnig spannende Emotionskategorien in dem Sinne, dass sie erfordern, dass wir ein Ich-Konzept haben, dass wir reflektieren können. Ja, es gibt das sozusagen handelnde Subjekt des I und das sich beobachtende Me dann auch dabei. Das finde ich im Englischen sehr, sehr schön, wie das dann auch voneinander unterschieden wird. Also ich kann mich selber betrachten. Auch hier entsprechen meine Werte, meine Handlungen, wie ich mich selber sehe.
Kommt immer wieder angekrochen.
Kommt immer wieder angekrochen, könnte dann das Gegenüber denken. Ja, genau, genau, genau.
Erst den Mist machen, nicht helfen und jetzt schleimen, super. Das denke ich wahrscheinlich als Einziger, aber ich habe es schon aus anderen Mündern auch gehört, sowas ähnliches.
Ja. Und deswegen, und das ist ja auch nochmal hart, wenn das Gegenüber das nicht annimmt, diese Annäherungsversuche und ich in dieser Schuld dann auch drinnen bleibe. Also es ist nicht dieses Gefühl von es ist wieder gut, weil jetzt diese Beziehungsballons wiederhergestellt wird und wenn das der Fall ist, dass du das Gefühl hast, es ist nicht wieder gut, da ist noch was offen, dann tendieren wir intrapersonell, also uns selber gegenüber, zu einer harten Annäherungsmotivation. Also wirklich wie bei Ärger, wo wir uns selbst bestrafen. Das nennt sich in der Psychologie der Dobby-Effekt, also genau wie bei dem Hauself-Dobby von Harry Potter, der sich selber bestraft, wenn er nicht anständig gehorcht hat seiner magischen Familie, also ihr Malfoy-Familie gegenüber. Und das ist wirklich auch nochmal spannender für mich, also es ist eher eine Annäherungsmotivation, interpersonell weich, intrapersonell sehr hart.
Also könnte man die Unterscheidung machen, Scham ist eher identitätsbezogen und Schuld ist eher verhältnisbezogen.
Richtig.
Super. Richtig. Und da Identität schwerer zu verändern ist und Menschen das bewusster oder unbewusst natürlich spüren, ist natürlich dann die Zwickmühle für jemanden, wenn ich das entsprechend bemerke, diese Scham, dass ich denke, jetzt bin ich nicht okay, das wirft ja gleich ganz andere Probleme auf. Bei Schuld kann man immer sagen, okay, ja, ist meins, wie kann ich es in Zukunft anders machen mit gewünschterem Ausgang? Das ist ja sozusagen auch so, gerade für die Arbeit in Teams oder wenn man mal zu zweit was macht, gibt ja diese Unterscheidung Feedback und Feedforward. Am schlimmsten finde ich immer diese Nummer mit, ja, ich hätte mir ja gewünscht.
Ganz genau. Und genau dieses Thema handlungsfähig zu sein. Und da finde ich zum Beispiel auch bei Schuld den Link zu Ärger total spannend, weil wenn wir jetzt betrachten, Scham als eine Art selbstbezogene Verachtung, also auch entsteht dadurch, dass ich eine Verachtung oder Enttäuschung meiner nächsten Bezugsperson immer wieder abbekommen habe. Also ich tue etwas oder ich bin so in der Welt, wie ich gerade bin und von meinen Eltern bekomme ich dann nur viel von oben herabfallen und das geht nicht und so bist du nicht in Ordnung und so weiter. Also geh in die Ecke und schäm dich. Ein ganz schlimmer Satz für das Thema. Ich entwickle einen positiven Selbstwert und auch einen stabilen Selbstwert, weil das heißt eigentlich so viel wie geh in die Ecke und stoß dich selber ab und verachte dich selber. Und wenn man jetzt mal Schuld betrachtet und ja auch den Zusammenhang zu diesem Dobby-Effekt, wo ich selber in eine harte Ernährungsmotivation gehe, so wie könnte eine Schuld entstehen bei jemanden? Vor allem bei Kindern.
Und wir sind wieder, wenn wir jetzt mal sozusagen auf das Praktische kommen. Ich würde es, glaube ich gerne unterscheiden in unserem Gespräch. Einmal in Richtung dieses Thema ökonomische Schuld. Also ich leih mir von dir zehn Euro und du musst mich dreimal daran erinnern, dass du noch Geld von mir kriegst. Das sind so Themen, die ja eher so Ausgleich, Gleiches mit Gleichem ausgleichen. Auch ein interessanter Satz, aber okay. Und bei Schuld ist es ja manchmal so was wie, du bist schuld, dass ich mich so und so fühle. Was ja aus systemischer Sicht, wie Gunter Schmidt jetzt so schön sagen würde, ein rührendes Missverständnis ist, sich aber natürlich so anfühlt. Weil aus der Erwartung wird die Enttäuschung geboren.
Ja, okay, alles klar. Ja, na ja, also dieses Thema Versuch, Versuch, Versuch, Versuch. Und zwar in der Frustration, es immer wieder irgendwie zu versuchen, eine Gunst zu bekommen, ein positives Feedback zu bekommen und es dann nicht zu bekommen, dann gehe ich in die Resignation. Ja, und Resignation entspricht ja aus Trauer.
Und dann ist ja Trauer, ist ja, es ist, also für mich gefühlt, wenn ich darüber so nachdenke, dann, wenn ich sage, du bist übrigens schuld, dass ich jetzt nicht gut drauf bin, dann ist das ja eine sozusagen, wie sagt man, dann reagiere ich ja mit Ärger auf die Trauer und das Ganze kommt so im Gewand der Schuld daher. Ist das so?
Ja, also so fühlt es sich auch an. Also wenn du mich fragst, ist das so? Naja, das ist dann irgendwo auch eine Coping-Strategie, um aus dieser Ohnmacht dann herauszugeben, dann suche ich mir entsprechenden Schuldigen. Das haben wir auch in dem Unternehmenskontext ja auch immer wieder. Also eine Person, das ist ein Fehler, das Thema Fehlerkultur, kann jetzt gerade nicht erklären, wie es zu etwas gekommen ist, ist total verzweifelt und auch irgendwie ist der Selbstwert bedroht in dem Moment, ja, oder das Ansehen und so weiter. Und aus dieser Ohnmacht heraus suche ich dann einen entsprechenden Schuldigen, jemand anderen und wo ich es dann entsprechend abwälzen kann.
Das finde ich einen ganz wichtigen Satz, dass Schuldzuweisungen eine Coping-Strategie sind. Also, wenn Dinge passieren, die man nicht klar, also die irgendwie unangenehm sind, dann natürlich kann man sich darüber aufregen, über irgendwen, über den Chef, die Kollegen, wie auch immer. Wenn aber sozusagen das Ganze nicht so klar ist, über wen ich mich jetzt aufregen soll, dann ist ja die Form der Wir-suchen-einen-Schuldigen durchaus auch eine sehr verbindende Form, mit umzugehen, mit diesem Missstand, oder?
Ja, also auch im Sinne des Selbstwertschutzes dann irgendwo, oder Selbstschutzes sozusagen aus diesem, oh, ich bin jetzt so, also irgendwie, also ich sehe es jetzt gerade irgendwie nicht ein, weil dann müsste ich ja jetzt einsehen, ich habe wirklich was falsch gemacht und ich war jetzt nicht gut und mit welchen Auswirkungen ist das verbunden und so weiter. Also ich übernehme hier nicht die Verantwortung, sondern wälze sie dann irgendwie ab. Und das ist auch ja sehr, sehr destruktiv, was alle möglichen Beziehungen angeht. Also auch John Gottman, über den wir auch häufiger gesprochen haben, der Beziehungsforscher schlechthin, der hat ja vier apokalyptische Reiter der Beziehung definiert und Rechtfertigung ist einer davon. Also dieses Ping-Pong-Spielen von du hast das gemacht, aber du hast das gemacht, aber du hast das gemacht und diese Schuldzuschiebungsschleife, Spirale, da reingehen und niemand übernimmt Verantwortung für irgendetwas und sagt, macht er mal, ja, du, stimmt, das war nicht richtig und das nächste Mal mache ich es besser. Das wäre jetzt hier funktionaler dann in dem Sinne an der Stelle, um aus dieser Rechtfertigungsschleife dann irgendwie rauszukommen.
Ich finde diesen Aspekt der Passivität, den du gerade angesprochen hast, total spannend, weil ich glaube tatsächlich, das ist ja analog auch zur Opferrolle, so mangelnde Selbstwirksamkeit oder das Erleben von weniger Selbstwirksamkeitserwartung, als ich eigentlich gerne haben wollte, um es noch ein bisschen präziser auszudrücken, ist ja was, wo Menschen, wenn die sich nicht handlungsfähig erleben, dann entsprechende Coping-Mechanismen haben oder etablieren, um im Sinne der Identität oder auch des Selbstwertes quasi ihre Geschichte zu schützen.
Starke Beispiele, auch die noch nie passiert sind.
Achso, ich sag das ja eher andersrum, aber ist okay.
Wie du es gesagt hast.
Aber das ist tatsächlich ja so diese Grundfrage von, es hat eine gute Funktion und es hat auch einen guten Missbrauchscharakter, weil Leute in die Schuld setzen, Leuten Schuld einreden, wie „wer ist Schuld am Klimawandel?“ und so weiter. Das sind ja alles Hebel. Wenn ich an irgendwas schuld bin, muss ich für Ausgleich sorgen oder ich sollte mindestens mal die Verantwortung dafür übernehmen, aktiv von jetzt in die Zukunft. Und dafür finde ich Schuld also extrem spannend, sehr hilfreich. Wenn sie dysfunktional gelebt und auch induziert wird, finde ich das nicht so günstig.
Überhaupt nicht. Und ganz viel wird ja auch genutzt, auch im Unternehmenskontext. Ich hatte das letzte Woche erst in einer Führungskräfte-Runde, wo es um Dankbarkeitskultur ging und da fiel der Satz von wegen, die Mitarbeiter sollten dankbarer sein. Und wenn du so einen Satz schon sagst, dann weißt du, das ist keine Dankbarkeit, das ist Schuld, die du damit in dem Sinne förderst. Wenn du sagst, ihr solltet doch dankbarer sein, also ihr schuldet uns Dankbarkeit dann in dem Sinne. Und das wird dann total miteinander verwechselt, weil Dankbarkeit ist, intrinsisch heraus etwas zurückgeben zu wollen.
Also ich habe aufgrund meiner Geschichte eine ganz besondere Beziehung zu der Emotion Schuld, weil ich gefühlt oft an vielen Dingen irgendwie Schuld war. Und um es mal ein bisschen persönlich zu machen, ich habe zwei stillgeborene Brüder. Und ich habe über Jahre, also von dem ersten wusste ich, von dem zweiten da relativ spät erst erfahren. Also stillgeborene, die haben es nicht den ganzen Weg geschafft. Und ich habe mir tatsächlich, wie auch immer ich auf die Idee gekommen bin, lange Vorwürfe gemacht, dass ich irgendwie was projiziert hätte, dass ich irgendwie alleine auf der Welt bleiben wollte. Also so ganz krude Ideen.
Trotzdem werden mich jetzt alle danach fragen.
Ja, das tun sie jetzt eh schon. Das ist ein Riesenbedürfnis anscheinend, aber na ja, mal gucken. Das Ausgleichsprinzip ist, die Anerkennung der Schuld. Wirkt fast stärker als der tatsächliche Ausgleich. Ich gebe dir ein Beispiel. Mal angenommen, diese zehn Euro sind offen. Dann vergeht, weiß ich nicht, ein paar Tage, eine Woche, zwei Wochen, vielleicht auch einen Monat. Dann sehen wir uns wieder. Und dir ist es unangenehm, es anzusprechen. Mir ist es unangenehm, irgendwie, weil ich es vielleicht vergessen habe oder ich das Geld nicht habe oder was auch immer. Und dann überwindest du dich trotzdem und sagst so, Mensch, du, ich brauche die zehn Euro. Ich will meinem Sohn ein Spielzeug kaufen. Also schön noch ein bisschen die Moralkeule.
Wunderbar. Also und das hat sich jetzt für mich total so angehört und ich finde diese Unterscheidung so schön. Wertschätzung ist für den emotionalen Ausgleich und Geld für den kognitiven Ausgleich. Und da hast du für mich wunderbar den Loop wirklich zu der Dankbarkeitskultur geschlossen, weil aus welchem Feelset heraus machst du das? Aus einer Dankbarkeit heraus. Danke. Und Sebastian, ich muss jetzt die ganze Zeit mich so eine Frage auf den Lippen, die mich auch wirklich einfach persönlich interessiert, weil ich einen sehr weisen Menschen vor mir habe. Und ich frage jetzt auch mal nach deiner Lebenserfahrung und Weisheit und die tollen Lehrer, die du so hattest. Und du hast mir schon mal einen Hinweis in diese Richtung gegeben und vielleicht magst du das nochmal.
Ja, das sind ja auch diese, ich habe mal so ein Buch gelesen, ich glaube der heißt Colin Tipping, radikale Vergebung. Das sind so aus meiner Sicht Fantasien, die total gut klingen, aber mit Menschsein nicht so richtig viel zu tun haben. Also ich weiß nicht, ob ich das jetzt so ein bisschen zu reduziert sage, aber dieses Thema Vergeben, Verzeihen und so weiter, ist ja ein Stück weit, gibst du ja von dir auf, also ich habe in meinem Leben ein paar Sachen erlebt, auch so im beruflichen Aspekt, dass mir mal jemand eine Ausbildung weggenommen hat. Das war mein Konzept und so weiter. Und der hat dann auf eine total dumm linke Nummer mir das Ding weggezogen. Das ist schon ein paar Jahre her und das hat mich also wirklich in dem Moment in einen maximalen Stress gebracht.
Ja. Und dieses Nichtvergeben hast du ja wirklich bei einer extrem starken Werteverletzung. Und es hat sich fast schon, also da war ja nicht mal nur noch ein Ärger drin, da hat sich vielleicht sogar auch eine Verachtung dann auch gezeigt. Also dieses, das macht man nicht. In der Ethikforschung wird ja auch gesagt, dass so eine allgemeine Werteverständnis wie eine Moral ist, also das macht man einfach nicht. Da haben uns irgendwie alle darauf geeinigt, so ist man nicht. Und das wird dann so wahrgenommen und dann wird die Person als Komplettes dann wahrgenommen. Und das fällt dann halt auch schwer, dann in die Empathie zu gehen, dann dadurch auch. Aber mir selber gegenüber dann einfach und meine eigene, also diese Werteverletzung für mich zu würdigen und dann den Fokus auf mich dann zu lenken, ey, genauso auch ey, ey, was mach ich denn eigentlich anders als der andere?
Ja, also das Schlimme ist ja, meistens sieht man sowas kommen, ich kenne auch bei ihm die Dynamik des Menschen in starken narzisstischen Nöten. Naja, ich bin manchmal für Menschen eine Kränkung mit meinem Wissen, das weiß ich schon, das klingt jetzt vielleicht irgendwie auch komisch, aber das war tatsächlich so, dass wir zusammen Seminare gegeben haben auch und das immer so war, dass bei ihm eher Show und so Popcornnummern kamen und bei mir kamen dann tatsächlich halt die hard facts und die Sachen, die dann auch irgendwie nützlich waren. Und wenn dann im Feedback irgendwie acht oder neun von zehn Themen, die nützlich waren, von mir kamen und so ein, zwei Sprüche von ihm, alles gut, es ist okay, es gehört immer auch Show dazu. Und das war tatsächlich, da habe ich keinen Bock mehr drauf, da habe ich mich auch sozusagen alle Themen halt entsprechend gelöst, habe diese ganzen Sachen abgegeben, habe das alles auch losgelassen und es hat mir einfach Klarheit geschenkt und ich bewahre den Gedanken daran als Erinnerungshelfer für Klarheit in Geschäftsbeziehungen.
Definitiv und dieses Verstehen Thema, das hast du ja bei Schuld auch wieder auf beiden Seiten, du brauchst Empathie, um Schuld zu empfinden, du brauchst diese Perspektivübernahme, um zu erkennen, bei dem anderen ist jetzt gerade ein Leid und ich könnte dazu beigetragen haben und was ist meine Rolle jetzt hier dabei und was ist mein Anteil dann dabei und wie könnte ich es dann entsprechend wieder gut machen und auf der anderen Seite auch, sich selber dann auch zu verstehen und gut auch mit sich umzugehen, nicht diese Selbstgeißelung, den Dobby-Effektt dann zu haben. Sondern für sich zu verstehen, okay, das war jetzt auf Verhaltensebene nicht in Ordnung, wie kann ich das nächste Mal anders machen, wie kann ich es dann auch besser machen, weil ich sonst ja anders bin und das finde ich bei Schuld so besonders und so gut dann auch zu verstehen, da hatte ich eine Klientin, die hat ihr Schuldleben danach ganz anders gelebt, dadurch, dass dieses Reframing gekommen ist, weil die war ein Mensch, die hat sich immer entschuldigt für alles mögliche, also so auch in unserer Arbeitsbeziehung, also ich bin ihr Coach und sie meine Klientin und wenn irgendwas war, dann direkt ganz stark entschuldigt und tut mir leid und so weiter, ja und dann sage ich auch, Mensch, du musst nicht immer, ist alles gut, alles fein von meiner Seite.
Für mich abschließend eigentlich so das Wichtigste ist, sich mal zu fragen, ganz ehrlich: Wo sind noch Themen offen, also wo habe ich Dinge gesagt, wo ich mich vielleicht, und das ist auch spannend von der Sprache, entschuldigen muss oder um Entschuldigung bitten muss? Oder meine Variante, einfach anerkennen, sagen: „Hey, sorry, das war daneben, habe ich gemerkt, können wir da einen Haken dran machen? Was brauchst du noch von mir? Das sind dann eher die aktiven Anerkenntnisse der Schuld und eine Würdigung, Wertschätzung des Ausgleichs, gerade mit Blick auf unsere Geschichte.
Alle Folgen finden Sie hier:
Titelmusik und Mischung: Lars Deutsch www.larsdeutsch.net
Design: Katharina Krekeler www.hejro.de
Ruben Langwara ist Wirtschaftspsychologe, Resilienz-Lehrtrainer & -Coach sowie Experte für Emotionen und deren Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden. Er ist mit der Resilienz-Akademie Göttingen als Projektpartner für emotionale Resilienz tätig. Sein Fachbuch zu diesem Thema „Die Kraft unserer Emotionen“ erschien 2022 im Junfermann-Verlag. Er ist Mitinitiator des Resilienz-Podcasts Rethinking Resilience (www.Rethinking-Resilience.com).
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 240 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de) sowie des Resilienz-Podcasts Rethinking Resilience (www.Rethinking-Resilience.com).