Skeptizismus – Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“

Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“ ist tief in unserer menschlichen Natur verankert und entspringt der uralten Notwendigkeit, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Dieser Antreiber zeigt sich häufig als Skeptizismus, eine Haltung, bei der Dinge hinterfragt und kritisch betrachtet werden. Skeptizismus kann sowohl als Schutzmechanismus als auch als Hürde wirken. Auf der einen Seite hilft er, vorsichtig zu agieren und Risiken besser einzuschätzen. Auf der anderen Seite kann ein übermäßiger Hang zum Misstrauen uns daran hindern, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und das Leben voll auszukosten.

Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“ bringt uns dazu, wachsam zu sein und uns vor potenziellen Gefahren zu schützen. Er ist somit ein Überbleibsel aus der Zeit, in der der Mensch sich täglich vor lebensbedrohlichen Situationen schützen musste. In der modernen Welt, in der insbesondere körperliche Gefahren selten geworden sind, kann diese innere Stimme jedoch auch blockierend wirken und Vertrauen verhindern. Für einen resilienten Umgang braucht es daher die gesunde Balance zwischen Vorsicht und Vertrauen.

Warum haben wir den inneren Antreiber „Sei auf der Hut“?

Resilienz Akademie | Skeptizismus – Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“Vereinfacht können wir sagen, die Menschheit existiert nur, weil es diesen inneren Antreiber in uns gibt. Der Mensch stammt von „Angsthasen“ ab, denn jene abenteuerlustigen oder unbedachten Höhlenmenschen, lebten nicht lange genug, um Vorfahre zu werden. In den Anfängen der Menschheitsgeschichte war es überlebenswichtig, mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Diese Wachsamkeit gegenüber Bedrohungen – seien es Raubtiere, feindliche Stämme oder andere Gefahren der Natur – hat das Überleben gesichert. Der Drang, stets auf der Hut zu sein, ist also ein natürlicher Instinkt, der sich über Jahrtausende hinweg entwickelt hat.

Aber warum bleibt dieser Antreiber so stark in uns verankert, obwohl viele der ursprünglichen Gefahren heute kaum mehr vorhanden sind? Zwar hat sich unsere Umwelt massiv verändert, jedoch funktioniert unser Gehirn in vielerlei Hinsicht noch immer so wie zu Urzeiten. Emotionale und soziale Risiken haben in der modernen Gesellschaft oft die Rolle der früheren physischen Gefahren übernommen. Deshalb übernimmt der innere Antreiber „Sei auf der Hut“ auch heute noch eine wichtige Schutzfunktion.

Problematisch wird es allerdings, dieser Antreiber als automatisches Programm einen Großteil unseres Denkens, Handelns und Fühlens übernimmt. Dann sorgt der Antreiber mehr für Stress als für Schutz.

Was ist der Antreiber „Sei auf der Hut“?

In der der Transaktionsanalyse gibt es fünf klassische Antreiber, die unser Verhalten und unsere Interaktionen beeinflussen. Diese sind:

Den inneren Antreiber „Sei auf der Hut“ sehen wir als zusätzlichen inneren Motivator, der auf gleiche Weise wirkt, wie die klassischen Antreiber, aber eine andere Botschaft mit sich bringt. Der Antreiber „Sei auf der Hut“ bedeutet, dass wir eine Tendenz haben, potenziell gefährliche oder unangenehme Situationen zu meiden, indem wir vorsichtig agieren und misstrauisch gegenüber Neuem oder Unbekanntem sind.

Skeptizismus

In psychologischer Hinsicht zeigt sich dieser Antreiber oft als Skeptizismus, eine Haltung, die das Hinterfragen und Zweifeln an der Realität, an Aussagen anderer oder an den eigenen Annahmen fördert. In unserem alltäglichen Verständnis bedeutet Skeptizismus eher das kritische Auseinandersetzen mit allem und jedem.

In der Philosophie jedoch geht es bei dieser Geisteshaltung um die Überprüfung von Wahrheitsgehalt, wobei Skeptiker dieser Definition nach gleichzeitig keine Meinung, keine Neigung und keine Erregung haben. Wie bei allen Dingen im Leben, macht auch hier die Dosis das Gift. Ein rationaler Skeptizismus sorgt dafür, dass Irrtümer aufgedeckt werden, wobei gleichzeitig die Gegebenheiten des Lebens nicht in Frage gestellt werden. In übertriebener Form wäre diese Geisteshaltung höchst dysfunktional. Zum Beispiel, wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse leugnet.

Vorteile des Hinterfragens

Resilienz Akademie | Skeptizismus – Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“Ein kritisches Hinterfragen hat viele positive Seiten. Es fördert den Mut, eigene Überzeugungen und Annahmen zu prüfen und zu überdenken. Mut bedeutet in diesem Kontext nicht nur, sich gegen offensichtliche Gefahren zu wehren, sondern auch, sich den Unsicherheiten des Lebens zu stellen und Neues zu erkunden, ohne sich dabei leichtfertig in Gefahren zu begeben. Indem wir uns trauen, unter die Oberfläche zu schauen, entwickeln wir tiefere Einsichten und eine bessere Selbstwahrnehmung. Skeptizismus schützt uns davor, voreilige Schlüsse zu ziehen oder manipulative Handlungen Dritter ungeprüft hinzunehmen.

Dieser Prozess des Hinterfragens ist auch eng mit persönlichem Wachstum und Erkenntnisgewinn verbunden. Es fordert uns heraus, Annahmen nicht nur auf externer, sondern auch auf interner Ebene zu prüfen: Welche Überzeugungen und Glaubenssätze haben wir über uns selbst? Welche Muster unserer Denkweise sind hilfreich, und welche behindern uns? Indem wir mutig genug sind, unter den eigenen Füßen zu graben, schaffen wir Raum für Transformation und Anpassung. Solch ein bewusster Skeptizismus ist also keineswegs destruktiv, sondern kann ein Weg zu Klarheit und innerer Stärke sein.

Im beruflichen Kontext und besonders in der Wissenschaft ist diese Art des skeptischen Denkens besonders wertvoll. Es bildet die Grundlage für kritisches Denken und die Weiterentwicklung von Wissen. Wissenschaftliche Theorien entstehen nicht durch blindes Akzeptieren von Behauptungen, sondern durch intensives Hinterfragen, Überprüfen und Widerlegen. Wer in seiner Arbeit oder Forschung skeptisch bleibt, schafft es, über den Tellerrand zu blicken, bestehende Dogmen zu hinterfragen und Innovationen voranzutreiben.

Nachteile des Misstrauens

Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Schattenseiten des Skeptizismus. Wenn das Misstrauen zu einer permanenten Haltung wird, kann es lähmend wirken. Menschen, die ständig davon ausgehen, dass etwas schiefgehen könnte oder dass andere sie manipulieren wollen, geraten in eine Art Verteidigungsmodus, der soziale Beziehungen und das eigene Wohlbefinden negativ beeinflusst. Ein ständiges Misstrauen führt zu einem Gefühl der Isolation, da das Vertrauen in andere Menschen fehlt. Soziale Bindungen, die für das menschliche Leben essenziell sind, bleiben auf Distanz.

Resilienz Akademie | Skeptizismus – Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“Ein sehr starker Antreiber „Sei auf der Hut“ kann auch zu einer Form der Selbstsabotage führen. Wer nichts und niemandem vertraut, geht kaum Risiken ein, und ohne Risiko bleibt auch die Chance auf Wachstum und neue Erfahrungen aus. Neue Möglichkeiten werden blockiert, bevor sie überhaupt in Betracht gezogen werden. Dieser defensive Lebensansatz hält uns in unserer Komfortzone bzw. Alltagszone gefangen, die uns zwar Sicherheit suggeriert, gleichzeitig aber die Lebensfreude und das Gefühl, wirklich lebendig zu sein, stark einschränkt.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass chronischer Skeptizismus zu Zynismus führen kann. Menschen, die immer nur das Negative in ihrer Umwelt suchen, entwickeln mit der Zeit eine pessimistische Grundhaltung, die ihr eigenes Leben und das ihrer Mitmenschen vergiftet. Zynismus wirkt destruktiv, da er die Fähigkeit untergräbt, Freude, Vertrauen und Optimismus zu empfinden. In extremen Fällen kann dieser Zustand sogar die psychische Gesundheit beeinträchtigen und zu Depressionen oder sozialer Isolation führen.

Wie können wir resilient mit dem Antreiber „Sei auf der Hut“ umgehen?

Letztlich kommt es darauf an, den Skeptizismus als nützliches Werkzeug zu erkennen, ihn jedoch nicht die Kontrolle über unser Leben übernehmen zu lassen. Ein gesunder Skeptizismus sollte immer von der Fähigkeit begleitet werden, Vertrauen zu schenken – sowohl uns selbst als auch anderen.

Vertrauen als seelischer Schutzfaktor

Vertrauen bedeutet in diesem Kontext nicht, blind und naiv zu sein, sondern bewusst zu entscheiden, wem oder was wir unser Vertrauen schenken und warum.

Vertrauen ist dabei ein Kernpunkt der seelischen Resilienz – einem Konzept nach Christina Comnick und Sebastian Mauritz. Besonders in schweren Krisen fällt uns das Vertrauen nicht sehr leicht. In solchen Zuständen ist unser Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle massiv verletzt, sodass wir meist krampfhaft versuchen, durch irgendetwas die Kontrolle zurückzuerlangen. Dabei ist es gerade das Vertrauen, dass es braucht, um aus so einer Krise zu gelangen. Dahin zu kommen, ist jedoch leichter gesagt als getan.

Im Wort Vertrauen steckt das Wort „trauen“. Man könnte also auch sagen, es braucht Mut, um zu vertrauen, wir müssen uns vagen, loszulassen. Das können wir nur dann bewerkstelligen, wenn sich Vertrauen und Zuversicht zusammentun. Der Glaube daran, dass egal was kommen mag, einen Sinn hat und uns nicht bedroht, gibt uns die Stärke zu Vertrauen und unsere Skepsis beiseite zu schieben.

Resilienz Akademie | Skeptizismus – Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“Dieser Schutzfaktor der Seele ist deshalb so kraftvoll, weil er zutiefst menschlich ist. Der Mensch existiert nur, weil er vertrauen kann. Schon als Babys sind wir gezwungen auf unsere Bezugspersonen zu vertrauen, denn ohne ihre Fürsorge würden wir nicht überleben. Dieses Spüren des Urvertrauens ist eine enorme Ressource, um uns zu erden und unsere Skepsis zu regulieren.

Folgende Reflexionsfragen helfen, in Kontakt mit diesem seelischen Schutzfaktor zu kommen:

  • In welchen Momenten spüre ich Vertrauen? Warum ist das so? ..
  • Welche Faktoren tragen dazu bei, dass ich verrtauen kann?

Verstehen, wie Menschen funktionieren

Einfach ins Vertrauen zu gehen, mag für jemanden, der gewohnheitsmäßig alles und jeden hinterfragt, zunächst schwierig sein. Eine Brücke dahin bietet einer der Kohärenzfaktoren nach Aaron Antonovsky: die Verstehbarkeit.

Gerade wenn wir spüren, dass die Zweifel, die wir als hin und wieder brauchbares Muster etabliert haben, doch zu mehr Stress als Wohlbefinden führen, ist es ratsam sich folgendes in Erinnerung zu rufen. Skeptisch sein ist eine überlebenswichtige Grundprogrammierung unseres Gehirns. Wir stammen von den Menschen hab, die auf der Hut waren und zur Vorsicht neigten.

Und gleichzeitig ist Neugier, Vertrauen und Wachstum ebenfalls eine Grundprogrammierung des Gehirns. Wie wichtig die Balance dieser beiden Pole ist, zeigt die Bindungsforschung. Säuglingen und Kleinkindern wird dann eine sichere Bindung zugeschrieben, wenn sie zwar Schutz und Sicherheit suchen, aber gleichzeitig auch Explorationsverhalten zeigen und die Welt entdecken wollen. Der Mensch funktioniert, indem er einen gesunden Skeptizismus an den Tag legt, aber gleichzeitig auch neues erkunden und annehmen kann.

Wenn wir diese Balance als unser tief verwurzeltes Erbe betrachten, können wir gnädiger mit unserem Antreiber „Sei auf der Hut“ umgehen und uns gleichzeitig auch mal erlauben, unserer zweiten Gehirnfunktion nachzukommen und nicht zu hinterfragen.

Wozu ist der Antreiber nützlich?

Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“, der oft in Form von Skeptizismus und Vorsicht auftritt, hat eine wichtige Funktion für unser Überleben und unsere Fähigkeit, Risiken zu managen. Trotz der möglichen negativen Folgen von übertriebenem Misstrauen hat dieser innere Mechanismus entscheidende Vorteile, die uns helfen, kluge Entscheidungen zu treffen und unser Leben sicher und verantwortungsbewusst zu gestalten. Ein gesunder Antreiber ist also nützlich für:

Schutz vor realen Gefahren

Der Antreiber „Sei auf der Hut“ ist im Wesentlichen ein Überlebensmechanismus, der uns dabei hilft, Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Dieser Mechanismus hat sich evolutionär entwickelt und ist fest in unserem Nervensystem verankert. Unsere Vorfahren mussten täglich Bedrohungen wie Raubtiere, giftige Pflanzen oder feindliche Stämme begegnen, und die Fähigkeit, Gefahrenquellen frühzeitig zu erkennen, war überlebenswichtig. In der heutigen Welt begegnen uns zwar weniger physische Bedrohungen, aber der Antreiber ist nach wie vor nützlich, um uns vor realen Risiken zu schützen.

Entscheidungsfindung

Ein gesunder Skeptizismus zwingt uns dazu, die Informationen, die wir erhalten, zu hinterfragen und kritisch zu prüfen. Dies verhindert, dass wir impulsiv oder naiv Entscheidungen treffen, die wir später bereuen könnten. In einer Welt, in der wir täglich mit einer Flut von Informationen und Meinungen konfrontiert sind, hilft uns dieser Antreiber dabei, fundierte und durchdachte Entscheidungen zu treffen.

Schutz vor Manipulation und Täuschung

Ein weiterer bedeutender Vorteil des Antreibers „Sei auf der Hut“ ist der Schutz vor Manipulation. In einer Welt, in der Informationen oft bewusst gefiltert, verzerrt oder manipuliert werden, kann Skeptizismus dazu beitragen, dass wir nicht Opfer von Betrug oder Täuschung werden. Dies gilt sowohl im persönlichen als auch im öffentlichen Bereich.

Persönliche Entwicklung

Skeptizismus, wenn er nach innen gerichtet wird, hilft uns, unser eigenes Verhalten, unsere Denkweisen und Überzeugungen zu hinterfragen. Dies ist eine wichtige Grundlage für Selbstreflexion und persönliches Wachstum. Der Antreiber „Sei auf der Hut“ ermutigt uns, uns nicht einfach mit dem Status quo zufriedenzugeben, sondern uns kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Wenn dieser Antreiber in einem gesunden Maß ausgeübt wird, ist er ein wertvolles Werkzeug, das uns hilft, sicher und verantwortungsbewusst durchs Leben zu navigieren. Der Schlüssel liegt darin, eine Balance zwischen gesunder Vorsicht und dem Vertrauen in die Welt um uns herum zu finden.

Bildquellen: www.depositphotos.com: Suspicious young man@AndrewLozovyi, Different@Andreus, Grafik: Dylan Sara

Resilienz Akademie | Skeptizismus – Der innere Antreiber „Sei auf der Hut“Rebecca van der Linde, M.A. Germanistik und Kulturanthropologie, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Resilienz Akademie. Als Resilienz-Trainerin und Resilienz-Coach betreut sie den Blog der Resilienz Akademie und unterstützt in der konzeptionellen Entwicklung. Zudem agiert als SEO-Managerin für die Website. Ihr Schwerpunkt liegt auf der digitalen Präsenz der Themen rund um individuelle und organisationale Resilienz.


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Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 240 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de) sowie des Resilienz-Podcasts Rethinking Resilience (www.Rethinking-Resilience.com).

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