Coping und verschiedene Copingstrategien
Der Begriff „Coping“ kommt aus dem Englischen „to cope with“, was soviel wie „bewältigen“, „überwinden“ oder auch „umgehen mit“ bedeutet. Damit ist besonders in der Resilienzforschung die Bewältigung von Stress in Krisen oder schwierigen Lebenssituationen gemeint. Es gibt drei verschiedene Ansätze, die Coping beschreiben.
- Psychoanalytische Theorien, hergeleitet von Freuds Abwehrmechanismen
- Ansätze mit stabilen und situationsunspezifischen Bewältigungsstrategien
- Ansätze, die prozessorientiert sind und Umwelt/Stressor eine wichtige individuelle Rolle spielt
Die meisten aktuellen Theorien beziehen sich auf die situationsübergreifenden, sowie auf die individuellen Copingstrategien. Obwohl mit den Erhebungsinstrumenten in Studien weitaus mehr Copingstile ermittelt werden, können diese in drei Kategorien eingeteilt werden: Problemorientiert, emotionsbezogen und vermeidend.
Problemorientiertes Coping
Das problemorientierte Coping lässt sich als lösungsorientierte Bewältigungsstrategie beschreiben, denn es geht um aktive Lösungsversuche und die Suche nach Hilfe und Unterstützung. In den frühen Studien zu Coping galt diese Strategie als enorm konstruktiv, da sie die anpassungsfähigste an kritische Lebensereignisse sei. Je flexibler die Reaktion auf Stress, desto höher ist die Resilienz. Allerdings zeigt sich in aktuelleren Studien, dass die Wirkung von problemorientiertem Coping nicht so stark ausfällt, wie gedacht.
Eine Metaanlyse von über 39 Studien (Littleton u.a. 2007) zeigte zwar einen deutlichen Zusammenhang von aktiven Lösungsstrategien und psychischer Gesundheit, doch insgesamt war der Effekt eher schwach. Beispielsweise zeigte eine Studie zu Müttern, die ein Kind durch einen gewaltsamen Tod verloren hatten, dass der Schutzfaktor hier nur zu weniger psychischer Belastung führte, wenn diese auch den Faktor Hardiness besaßen (Robinson, Marwit 2006).
Da hinzu kommen uneindeutige Ergebnisse zu Geschlechterunterschieden. In einer Studie zu äthiopischen Geflüchteten zeigte sich, dass Frauen mit problemorientierten Bewältigungsstrategien deutlich weniger psychische Belastung aufwiesen. Bei den Männern mit solchen Strategien zeigte sich dieser Effekt zwar nicht, dafür berichteten sie von einer höheren Lebensqualität (Araya u.a. 2007).
Der schützende Effekt von aktiven problemorientierten Copingstilen wurde in mehreren Studien empirisch nachgewiesen. Zum Beispiel zeigten sich zwei spezifische Strategien besonders protektiv gegen posttraumatische Belastungsstörungen von Autounfallopfern. Einerseits eine gewisse Situationskontrolle, die bedeutet, Situationen korrekt einzuschätzen und Handlungen zur Problemlösung zu suchen und auszuführen. Andererseits das emotionale Verharmlosen von Problemen, das zu einer Entemotionalisierung führt.
Emotionsbezogenes Coping
Hierbei geht es um die Bewältigung von negativen Emotionen, die durch kritische Lebensereignisse hervorgerufen werden. Unter dem Begriff lassen sich viele Stile fassen, wie etwa die Emotionen explizit zu unterdrücken oder rauszulassen, sowie das aktive, positive Umdeuten von Problemen.
Im Gegensatz zu den problemorientierten Strategien wurden die emotionsbezogenen für lange Zeit als dysfunktional gesehen. Erst in aktuelleren Studien wird hierbei zwischen den aktiven und damit protektiven und den passiven, risikobelasteten Copingstilen unterschieden. Aktives emotionales Coping bedeutet eine Anpassung der Bewältigungsstrategie an das Problem, in der die Emotionen gezielt bewältigt oder ausgedrückt werden.
Allerdings sind die empirischen Ergebnisse zu dieser Annahme nicht eindeutig (Folkman, Moskowitz 2004). So könnten emotionsbezogene Bewältigungsstrategien dazu führen in der Problemsituation zu verharren, wenn nicht noch andere aktive Copingstrategien angewandt werden.
Vermeidendes Coping
Die vermeidenden Strategien bedeuten hier entweder das Leugnen von Problemen oder auch das Ablenken davon. Viele Studien verweisen darauf, dass vermeidende Copingstrategien eher ein erhöhtes Risiko für psychische Belastung bergen, als protektive Wirkung zu entfalten. Allerdings scheint es einen Unterschied zwischen erfolglosem und erfolgreichem Vermeiden zu geben. In ihrer Studie zu Personen mit einem traumatischen Erlebnis, stellten Andrews und Kollegen (2002) heraus, dass diejenigen, die erfolgreich den Gedanken an das Erlebnis im Alltag verdrängten, deutlich weniger psychisch belastet waren. Ob diese Bewältigungsstrategie jedoch auch langfristig wirkt, steht noch in Frage.
Unbewusst repressives Coping
Bei den Vermeidungsstilen gibt es zwei besondere Formen. Die eine ist das unbewusst repressive Coping. Hierbei stellt sich besonders für empirische Studien die Frage, wie etwas Unbewusstes untersucht werden kann. Hier wenden Forscher eine Konzeptualisierung an, bei der die Represser von einer niedrig empfundene Angst und hoher sozialer Erwünschtheit berichten, bzw. zeigen.
In Studien dazu wurde beispielsweise bemerkt, dass Menschen mit unbewusst repressiven Coping im Gespräch keine negativen Emotionen beschrieben, obwohl die körperlichen Anzeichen darauf hinwiesen. Daraus leiteten Bonanno und Kollegen (2007), dass diese Art der Bewältigung eine tief verinnerlichte, unbewusste und automatische Strategie der Emotionsregulation darstelle.
Gezielt repressives Coping
Die andere Vermeidungsstrategie im Umgang mit Stress ist das gezielte Vermeiden. Die Studien hierzu stellten heraus, dass diese Form von Vermeidungsstrategie tatsächlich einen schützenden Effekt hat. Das scheint besonders der Fall zu sein, wenn durch Krisensituationen das Selbstbild in Gefahr gerät.
In einer Reihe von Studien über trauernde Witwen, in der Kindheit misshandelte Frauen und chronisch Kranke wurden nicht nur die subjektive Wahrnehmung der Represser in das Ergebnis miteinbezogen, sondern auch medizinische Befunde und die Aussagen Nahestehender. Menschen, die ihre Erinnerung an belastende Erlebnisse und chronische Stressoren gezielt unterdrücken oder vermeiden, waren resilient.>
Coping als Schutzfaktor
Aus den Studien zu verschiedenen Bewältigungsstrategien zur Steigerung von Resilienz wird deutlich, dass man nicht klar zwischen Schutz- und Risikofaktor unterscheiden kann. So sind problemorientierte Copingstrategien nicht per se protektiv, wie emotionsbezogene und vermeidende Bewältigungsstrategien nicht generell dysfunktional sind. Coping ist demnach sehr situationsspezifisch und individuell.
Die „goodness-of-fit“-Hypothese stellt einen Vorschlag für situationsbezogenes Coping auf. Hier geht man davon aus, dass problemorientierte Strategien in Situationen, die als kontrollierbar angesehen werden, protektiv wirken. Während emotionsbezogene Bewältigung in subjektiv unkontrollierbaren Situationen eine schützende Wirkung hat. Zum Beispiel sind vor einer wichtigen Prüfung problemorientierte Bewältigungsstrategien (wie Lernen) angebracht, während nach der Prüfung die eigene Handlungsmacht entfällt und eine emotionale Distanzierung beispielsweise hilft. Diese Hypothese ist allerdings noch nicht bestätigt.
Sinnvoll ist es so oder so, mit einem Resilienz-Coach oder einem Resilienz-Trainer, die eigenen Copingstile mal zu erkunden. Die Steigerung individueller Resilienz bedeutet nämlich auch, dass man flexibel und bewusst mit Stressoren umzugehen lernt. Gerade vor und in Krisen ist es nützlich, verschiedene Copingstile zur Auswahl zu haben und nicht einfach nur starr einem alten Muster zu folgen. Resilienz bedeutet hier auch wieder Flexibilität im Umgang mit Stress, Problemen und Krisen.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienz-Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).