Kennen Sie das Gefühl, wenn sich Ihre Gedanken nur noch um ein bestimmtes Problem kreisen? Und sie gar nicht mehr aus diesem Gedanken-Karussell aussteigen können? Dann sind Sie in einer Problemtrance. Dieser Resilienz-Dieb hält uns in einem schlechten Zustand gefangen, der sich negativ auf unser körperliches Wohlbefinden auswirkt und uns die Selbstwirksamkeit nimmt, selbst eine Lösung für das Problem zu finden.
Warum ist Problemtrance ein Resilienz-Dieb?
Die Problemtrance raubt unsere Resilienz, weil sie unser Denken und unsere Wahrnehmung extrem einschränkt. Das ist der Grund, weshalb wir in negativen Gedankenspiralen und emotionalen Blockaden gefangen bleiben. In diesem Zustand konzentrieren wir uns ausschließlich auf das Problem und nehmen mögliche Lösungen, Ressourcen oder alternative Perspektiven nicht wahr.
Dies führt zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und des Stillstands, was die Fähigkeit zur Bewältigung von Herausforderungen und zur Erholung von Rückschlägen erheblich vermindert.
Was ist eine Problemtrance?
Der Begriff Problemtrance stammt aus dem Bereich der Hypnotherapie und der lösungsorientierten Therapie, insbesondere aus der Arbeit von Therapeuten wie Milton H. Erickson und Steve de Shazer. Diese Therapeuten entwickelten Techniken, um Klienten und Klientinnen dabei zu helfen, festgefahrene Denk- und Verhaltensmustern zu flexibilisieren. Die Grundüberlegung der Hypnosystemik, dass Erleben immer aus der Fokussierung von Aufmerksamkeit erzeugt wird, beschreibt hier den Fokussierungsprozess auf ein Problem, bzw. intensives Problemerleben.
Ursprung und Bedeutung
Milton H. Erickson war ein Pionier der modernen Hypnotherapie und bekannt für seine unkonventionellen und oft sehr effektiven Ansätze. Er prägte die Vorstellung, dass Menschen oft in eine Art Trancezustand verfallen, wenn sie sich intensiv auf ihre Probleme konzentrieren. Als Begriff geht Problemtrance auf Gunther Schmidt und Stephen Gilligan zurück, die als Schüler von Erickson diesem Prozess der Aufmerksamkeitsfokussierung so einen Namen gaben.
Steve de Shazer, ein prominenter Vertreter der lösungsorientierten Kurzzeittherapie, verwendete den Begriff Problemtrance, um zu beschreiben, wie Menschen in ihren Problemen gefangen sind und Schwierigkeiten haben, Lösungswege zu erkennen. In der lösungsorientierten Therapie geht es darum, Klienten und Klientinnen zu helfen, ihre Aufmerksamkeit von den Problemen auf mögliche Lösungen zu verlagern.
Entstehung einer Problemtrance
Wenn wir uns anschauen wollen, wie es überhaupt zu einer Problemtrance kommt, müssen wir uns mit der Konstruktion unserer Wahrnehmung befassen. Denn wir nehmen die Welt, und damit auch die Probleme in unserer Welt, niemals so wahr, wie sie wirklich sind. Alles durchläuft individuelle und subjektive Wahrnehmungsfilter. Im Zuge dessen messen wir den Informationen, die wir bekommen dann eine Bedeutung zu. Sprich, es handelt sich eigentlich um eine Wahr-Gebung.
Und gerade Problemen messen wir eine besondere Bedeutung bei. Bei Problemen wird unsere Stressachse aktiviert. Das ist unser biologisches Kurzzeit-Notfallprogramm, um unser Überleben zu sichern. Unsere Probleme heute bestehen zwar nicht mehr darin, Begegnungen mit gefährlichen Raubtieren zu überleben, trotzdem reagiert unser System noch genauso. Unsere Alarmglocken sind an und unsere Aufmerksamkeit wird auf die „bedrohliche“ Situation gelenkt. Und das teilweise so intensiv, dass wir die Aufmerksamkeit nicht mehr umverteilen können – dann sind wir in einer Problemtrance.
Merkmale der Problemtrance
Die Problemtrance beschreibt also einen Zustand, in dem eine Person so sehr auf ein Problem fixiert ist, dass sie sich mental und emotional in diesem Problem verstrickt. Dies führt dazu, dass sie mögliche Lösungen und Ressourcen nicht mehr wahrnimmt. In diesem Zustand können negative Gedankenmuster und emotionale Reaktionen das Denken und Handeln dominieren.
Daran erkennen Sie eine Problemtrance:
- Enge Fokussierung: Starkes Konzentrieren auf das Problem, ohne Raum für alternative Perspektiven oder Lösungen.
- Negative Gedankenspiralen: Wiederkehrende, oft pessimistische Gedankenmuster, die das Gefühl der Hilflosigkeit verstärken.
- Emotionale Blockaden: Intensive unangenehme Emotionen wie Angst, Ärger oder Traurigkeit, die die Problemlösung beeinträchtigen.
- Verlust von Flexibilität: Eingeschränkte Fähigkeit, kreativ oder flexibel zu denken und zu handeln.
Eine Problemtrance kann dabei in allen möglichen Kontexten auftreten. Zum Beispiel auf der Arbeit, wenn wir ständig Schwierigkeiten und Hindernisse sehen, ohne Lösungen oder Unterstützungsmöglichkeiten zu erkennen. Oder aber auch als Paar, das immer wieder die gleichen Konflikte durchlebt, jedoch nie neue Wege der Kommunikation oder der Lösung entwickelt.
Wie können wir resilient mit einer Problemtrance umgehen?
Was können wir also tun, um uns aus dieser Trance zu befreien und unsere Resilienz zurück zu gewinnen? Die Antwort liegt in der Defokussierung. Wenn wir es schaffen, unser Aufmerksamkeit wieder bewusst lenken zu können, können wir sie auch auf Ressourcen richten und so in einen besseren, lösungsorientierteren Zustand gelangen.
Achtsamkeit zur Defokussierung
Ein erster Schritt dazu ist das Fördern von Achtsamkeit. Denn sie ist das Gegenteil von einem aktiven und starren Fokus. Achtsamkeit ist das bewertungsfreie Wahrnehmen von dem, was gerade ist und das Loslassen von Gedanken.
Eine schöne Metapher dazu ist das Bild einer Schneekugel. Die Problemtrance sorgt dafür, dass wir durchgängig die Schneekugel schütteln und alle möglichen negativen Gedanken durch unseren Kopf wirbeln. Achtsamkeit ist die Praxis, die Kugel hinzustellen, sodass sich die Gedanken setzen können und wir endlich wieder klar blicken können – und mehr als nur das Problem sehen.
Eine extrem kurze und äußerst wirkungsvolle Achtsamkeitspraxis ist die One-Minute-Meditation. Sie brauchen dafür nichts weiter, als eine bequeme Haltung und 60 Sekunden Zeit.
Nehmen Sie sich 60 Sekunden Zeit, und konzentrieren Sich nur auf Ihren Atem. Es hilft, wenn Sie 4 Sekunden ein- und 6 Sekunden ausatmen und dabei aktiv zählen. Wann immer Sie merken, dass Ihre Gedanken abschweifen, kommen Sie auf die Zahlen zurück. Ein 1-2-3-4 – Aus 1-2-3-4-5-6.
Sie werden merken, dass Sie nach nur einer Minute schon ruhiger sind und weniger emotional beeinflusst von dem Problem sind.
Reframing zur Defokussierung
Eine weitere Möglichkeit, die dabei hilft, den starren Fokus zu lockern und die Aufmerksamkeit zu verschieben, ist das Reframing. Das Reframing, auf deutsch soviel wie „Neurahmung“ ist eine Technik aus der Verhaltenstherapie und wird in der Psychologie als „positive reappraisal“ bezeichnet (z.B. Sears, Stanton, & Danoff-Burg, 2003).
Es geht dabei darum, eine Situation in einem neuen Licht zu sehen oder aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Zum Beipiel kann aus „Ich stehe im Stau und komm zu spät“ ein Gedanke werden wie „Ich habe jetzt ungestört Zeit für die neue Folge vom Resilienz-Podcast Rethinking Resilience“.
Gehen Sie für das Anwenden der Technik wie folgt vor:
- Erkennen der Problemtrance: Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass man in einer Problemtrance steckt.
- Identifizieren der negativen Gedanken: Welche negativen Gedanken wiederholen sich ständig?
- Hinterfragen der Gedanken: Sind diese Gedanken wirklich wahr? Gibt es Beweise dafür oder dagegen?
- Neuer Rahmen: Suche nach einer neuen, positiven oder neutraleren Perspektive.
- Anwenden des neuen Rahmens: Versuchen Sie, die neue Perspektive in den Alltag zu integrieren und beobachten Sie die Veränderung in Ihren Emotionen und Handlungen.
Ein Reframing kann dabei helfen, unangenehme Emotionen zu reduzieren, lösungsorientiertes Denken zu fördern, das Selbstvertrauen zu stärken und neue Möglichkeiten zu erkennen. Diese Technik anzuwenden, erfordert Übung und gelingt aus einer achtsamen Haltung heraus einfacher. Hier sind einige Beispiele für ein Reframing:
Problemtrance: „Ich werde dieses Projekt niemals fertigstellen, es ist einfach zu schwierig.“
Reframe: „Dieses Projekt ist eine Herausforderung, aber ich kann es in kleine Schritte unterteilen und jeden Tag ein bisschen vorankommen.“
Problemtrance: „Ich habe schon so viele Fehler gemacht, ich kann das nicht.“
Reframe: „Fehler sind Teil des Lernprozesses. Was kann ich aus diesen Fehlern lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen?“
Problemtrance: „Ich werde nie einen neuen Job finden, weil ich in meinem alten Job gekündigt wurde.“
Reframe: „Die Kündigung gibt mir die Gelegenheit, einen Job zu finden, der besser zu meinen Fähigkeiten und Interessen passt. Es ist eine Chance für einen Neuanfang.“
Wozu führt ein resilienter Umgang mit einer Problemtrance?
Wenn wir Achtsamkeit trainieren und Selbstwirksamkeit stärken, erhöht das unsere Problemlösefähigkeit und unser emotionales Wohlbefinden. Das kann dazu führen, dass wir weniger in Problemtrancen geraten und unsere Resilienz gar nicht erst abhanden kommt. Das ist wohl der resilienteste Umgang mit einer Problemtrance: eine prosiliente Haltung dem Resilienz-Dieb gegenüber.
Wenn wir allerdings doch mal diesem Dieb im Alltag begegnen, helfen Achtsamkeit und Techniken wie das Reframing, den Fokus vom Problem zu lösen und uns aus der Starre zu befreien. Dann können wir klarer sehen, Probleme lösen oder einen Weg der Akzeptanz und zweitbeste Lösungen finden.
Quellen:
Sears, S. R., Stanton, A. L., & Danoff-Burg, S. (2003). The yellow brick road and the emerald city: benefit finding, positive reappraisal coping and posttraumatic growth in women with early-stage breast cancer. Health Psychol, 22(5), 487-497. doi:10.1037/0278-6133.22.5.487
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Rebecca van der Linde, M.A. Germanistik und Kulturanthropologie, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Resilienz Akademie. Als Resilienz-Trainerin und Resilienz-Coach betreut sie den Blog der Resilienz Akademie und unterstützt in der konzeptionellen Entwicklung. Zudem agiert als SEO-Managerin für die Website. Ihr Schwerpunkt liegt auf der digitalen Präsenz der Themen rund um individuelle und organisationale Resilienz.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 240 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de) sowie des Resilienz-Podcasts Rethinking Resilience (www.Rethinking-Resilience.com).