Ein in Deutschland sehr bekanntes und von vielen Resilienz Trainer*innen verwendetes Modell sind die sieben Säulen nach Ursula Nuber. Sie gilt als die „Mutter“ der sieben Säulen der Resilienz.
Ursula Nuber ist Diplompsychologin und war lange Chefredakteurin der Zeitschrift „Psychologie Heute“. Sie ist u.a. ausgebildet in Systemischer Therapie und Paarberatung, hat viele Bücher zum Thema Resilienz, Kindheit und Bindung geschrieben und lebt heute in der Nähe von Heidelberg.
Was sind die sieben Säulen der Resilienz im Ursprung?
Das von ihr vorgeschlagene Modell besteht aus den Aspekten:
- Optimismus
- Akzeptanz
- Lösungsorientierung
- Opferrolle verlassen
- Verantwortung übernehmen
- Netzwerkorientierung
- Zukunftsplanung
Wie genau sind die sieben Säulen der Resilienz zu verstehen?
Die einzelnen Begriffe in ihrer wörtlichen Bedeutung zu verstehen einfach, doch der Gedanke dahinter und die Bedeutung für die Resilienz ist komplexer. Aus diesem Grund erfahren Sie hier, wie die einzelnen Säulen zu verstehen sind.
Die Säule Optimismus
Die erste Säule in Nubers Resilienz Modell ist die Säule „Optimismus“ – eine Haltung, bzw. neudeutsch ein Mindset. Wenn man Probleme, Stress und Krisen bewältigen will, so braucht man die Haltung, dass diese zeitlich begrenzt sind und man sie überwinden kann. Das schließt ein, dass man auf das Leben, die Ereignisse des Lebens und den Verlauf von Krisen zumindest teilweise Einfluss nehmen kann. Optimismus hat somit auch eine Verbindung zur Selbstwirksamkeitserwartung.
So erhält man aus jedem getanen Schritt auch wieder Kraft und bewältigt schwierige Abschnitte. Dies geschieht in kleinen Schritten, für die es jeweils Optimismus braucht. So kann man durch eine Krise gehen, oder wie Walt Disney sagt: „Wenn Du durch die Hölle gehst, dann hör nicht auf zu laufen“. Ergänzend sei hier angemerkt, dass reiner oder blinder Optimismus nicht immer das Mittel der Wahl ist. Es braucht vielmehr einen gesunden oder auch realistischen Optimismus, als eine pauschale rosarote Brille.
Die Säule Akzeptanz
Die zweite Säule im Resilienz Modell von Ursula Nuber ist die Akzeptanz. Diese findet sich auch in vielen anderen Modellen als Haltung wieder und ist zugleich in wichtiges Wirkprinzip in der Psychotherapie. Hier geht es darum, dass Krisen akzeptiert werden. Mit der Akzeptanz ist dann überhaupt erst eine Bewegung möglich – weg vom Problem oder hin zu einer Lösung – welche als Lösungsorientierung in diesem Modell auch vorhanden ist. Akzeptanz ist hierbei ein kognitiver Prozess, der durch emotional bedingte Anhaftungen schwieriger wird.
Eine wichtige Sonderform der Akzeptanz ist die Selbstakzeptanz, die besonders bei der Entstehung von intrapsychischem Stress eine wichtige Rolle spielt. Bei Akzeptanz geht es vor allem darum, erstmal die emotionale Komponente eines zu akzeptierenden Themas zu klären. Oft reicht die Bewusstmachung, im Sinne des Rumpelstilzchen-Effektes. Wir schwächen die emotionale Auswirkung von Dingen und Umständen, wenn wir unsere Emotionen und die dazugehörigen Auslöser erkennen. Spürt man zum Beispiel Ärger bei etwas, dann deutet das auf eine Wertverletzung oder ein Zielhindernis hin. Ist das kognitiv bewusst und wird damit die Amygdala, sozusagen unser neuronales Stresszentrum, beruhigt, dann wird Akzeptanz sehr viel leichter.
Die Säule der Lösungsorientierung
Die dritte Säule des Resilienz Modells ist die Lösungsorientierung. Man findet sie in vielen anderen Resilienz Modellen und sie ist auch in der Resilienz Forschung ein wichtiger Schutzfaktor. Im Wesentlichen geht es darum, dass im Krisenerleben der Fokus eher auf Vermeidung steht und eine „weg vom Problem“-Richtung hat. Die Lösungsorientierung ergänzt einen Annährungsfokus, bzw. eine „hin zur Lösung“-Ausrichtung.
Aus motivationaler Sicht ist beides wichtig, weil beides Kraft gibt. Die Richtung wird aber durch die angestrebte Lösung vorgegeben. Lösungsorientierung ist gleichzeitig auch eine Haltung, die durch die einfachen Fragen „wozu, wofür, wohin“ erzeugt werden kann. So bewegt man sich von „das Problem ist“ zu „mögliche Lösungen könnten sein“. Wichtig ist hier der Plural der Lösungen, weil in der Regel „die eine“ Lösung wieder eine Fokussierung und einhergehenden Stress erzeugen können. Wir schaffen dadurch auch eine höhere Akzeptanz für zweitbeste Lösungen.
Die Säule Opferrolle verlassen
Die vierte Säule wird von Ursula Nuber beschrieben als die Opferrolle verlassen. Schaut man auf typisches Krisenerleben, so ist die Beschreibung oft im Sinne von „das macht was mit mir“. Etwas oder jemand anderes ist der Täter, man selbst ist das Opfer. Schaut man auf das Dramadreieck, dann fehlt jetzt nur noch der Retter. Der Schritt aus der Opferrolle heraus kann auf zwei Wegen geschehen.
Entweder erinnert sich an die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten und gewinnt so wieder Zugang zur eigenen Handlungsfähigkeit. Man rettet sich gewissermaßen selbst und kommt von sich selbst aus ins Tun. Alternativ erkennt man, dass man selbst gar nicht passiv erleidendes Opfer war, sondern nur das eigene Problem-, Stress- oder Krisenerleben zu einer gefühlten Opferrolle geführt haben. Besonders die Dissoziation von eigenen Kompetenzen, oft durch Phänomene wie inneres Schrumpfen (Regression, inneres sich klein erleben), führt zu einem gefühlten Verlust der eigenen Selbstwirksamkeit.
Die Säule Verantwortung übernehmen
Die fünfte Säule in Nubers Modell lautet Verantwortung übernehmen. Sie schließt sehr gut an den Schritt aus der Opferrolle an. Verantwortung und Schuld kann man als Polarität beschreiben. Schuld wird eher als passiv erlebt und hängt mit einem Opfererleben zusammen. Verantwortung hingegen ist auf die Zukunft ausgerichtet, aktiv handelnd und kann selbst übernommen werden.
In Verantwortung steckt auch das Bewusstsein, dass man selbst für bestimmte Dinge zuständig ist, man diese selbst verändern und beeinflussen kann. So gesehen handelt es sich bei dieser Säule um Verantwortung im Kontext übernehmen und Eigenverantwortung für das eigene Handeln, Denken und Fühlen.
Die Säule Netzwerkorientierung
Die sechste Säule im Resilienz Modell der sieben Säulen heißt Netzwerkorientierung. Die Ausrichtung auf die Beziehungen, die eigenen sozialen Netzwerke (abseits von Facebook, Instagram und Co.) stützt den gut beforschten Schutzfaktor der sozialen Unterstützung.
Das Gefühl der Zugehörigkeit und des Vertrauens in die Verbundenheit zu und Hilfe von anderen ist ein urmenschliches Bedürfnis und beruhigt, gibt Sicherheit und senkt den Stresslevel. Diese Säule wird auch als Bindung, starkes Netzwerk oder Hilfe von Peers in anderen Modellen beschrieben.
Die Säule Zukunftsplanung
Die siebte Säule und letzte Säule nach Ursula Nuber ist die der Zukunftsplanung. Man kann einen Teil der Zukunft planen, dem unplanbaren Teil der Zukunft kann man hingegen nur begegnen. Wichtig ist dabei, im Hier und Jetzt zu leben. Denn diese Achtsamkeit auf die Gegenwart gibt Bodenhaftung und schafft eine Basis für einen realistischen Optimismus.
Gleichzeitig ist die Vorausplanung der Zukunft mit einer entsprechenden Ressourcen Schaffung, Zielearbeit und einer Ausrichtung für die anstehenden Aufgaben wichtig. Zur Zukunftsplanung gehört es auch, Krisen zu antizipieren und sich schon heute darauf vorzubereiten. Diese Form der proaktiven Resilienz nennt Sebastian Mauritz Prosilienz®.
Wozu führen die sieben Säulen?
Das Ziel der sieben Säulen der Resilienz ist, den eigenen Umgang mit Stress, Problemen und Krisen kraftvoller und gesünder zu gestalten. Die konsequente Erinnerung an diese und andere Schutzfaktoren stärkt dabei die eigene Resilienz und fördert einen selbstwirksameren, gesünderen und zufriedeneren Weg durchs eigene Leben.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).