Kollektive Resilienz ist die Fähigkeit einer Gruppe, sich gemeinsam widerstandsfähig gegen Stress zu zeigen, Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, sich von Krise zu erholen und sich kollektiv anzupassen. Es ist ein Konzept, das sowohl auf soziale Gruppen wie Gemeinschaften, Organisationen oder Gesellschaft als Ganzes als auch auf kleinere Gruppierungen wie Familien oder Teams angewendet werden kann.
Warum Resilienz nicht nur individuell ist
Wenn wir Resilienz hören, und der Begriff uns nicht völlig fremd ist, denken wir zumeist an individuelle Resilienz. Nämlich die Fähigkeit oder Kompetenz, durch Anpassung und Regulation gelingend mit Stress umzugehen, sodass wir auch in den schwersten Zeiten mental gesund bleiben und uns schnell erholen können. Ein gewisser Anteil, wie leicht uns diese Anpassung und Regulation fällt, ist genetisch festgelegt. Doch der andere Teil lässt sich ein Leben lang trainieren und so stärken. So richten sich auch die meisten Resilienz-Trainings an Individuen, um deren persönlichen Umgangsstrategien mit Stress und Herausforderungen zu verbessern.
Dabei kann Resilienz sehr weit über einen einzelnen Menschen hinausgehen. Denn wir sind nicht allein in der Welt. Auch wenn es manchmal Zeiten gibt, in denen wir uns vielleicht einsam fühlen, so sind wir stets Teil eines Kollektivs. Die Dimensionen kann man so klein oder so groß fassen, wie man möchte. Dabei ist kollektive Resilienz hier mehr als die Summe der individuellen Resilienz der einzelnen System-Mitglieder. In einem Team können die einzelnen Mitglieder eine sehr hohe Resilienz haben und dennoch in einer Krise miserabel zusammenarbeiten. Für kollektive Resilienz braucht es mehr als nur Menschen mit einer hohen individuellen Resilienz.
Was ist kollektive Resilienz?
Wenn es mehr als viel individuelle Resilienz ist, was ist es dann? Um diese Frage zu beantworten, braucht es sowohl den Blick auf die verschiedenen Dimensionen kollektiver Resilienz als auch ein Verständnis für die Merkmale, die kollektive Resilienz in Abgrenzung zur individuellen Widerstandskraft gegen Stress auszeichnen.
Beruflicher Kontext
Besonders im beruflichen Kontext spielt kollektive Resilienz eine große Rolle. Die Begriffe Team-Resilienz und organisationale Resilienz sind heutzutage zum Glück keine Fremdwörter mehr in den meisten Betrieben.
Team-Resilienz
Team-Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit eines Teams, gemeinsam und effektiv mit Herausforderungen, Druck und Veränderungen umzugehen, um seine Ziele zu erreichen und erfolgreich zu sein. Produktivität ist dabei ein gleichwertiger Faktor wie das individuelle Wohlbefinden der Teammitglieder. Ähnlich wie bei der individuellen Resilienz geht es bei der Team-Resilienz darum, wie gut ein Team gemeinsam auf Rückschläge reagiert, sich anpasst und gestärkt aus schwierigen Situationen hervorgeht.
Ein resilientes Team zeichnet sich oft durch mehrere Merkmale aus:
Klare Kommunikation: Ein offener und gleichzeitig wertschätzender Kommunikationsfluss ermöglicht es Teammitgliedern, sich gegenseitig zu unterstützen, Informationen auszutauschen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Gemeinsame Werte und Ziele: Ein starkes Teamverständnis und gemeinsame Ziele fördern die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt, selbst in schwierigen Zeiten. Dazu gehört, dass es durch die geteilten Werte auch zu einem Gefühl der Solidarität kommt.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Ein resilientes Team ist in der Lage, sich an veränderte Umstände anzupassen und neue Wege zu finden, um Hindernisse zu überwinden.
Lösungsorientierung: Anstatt sich von Problemen überwältigen zu lassen, konzentriert sich ein resilientes Team darauf, Lösungen zu finden und konstruktiv mit Herausforderungen umzugehen. Gemeinsame Reflexion nach Krisen trägt zusätzlich zu einer starken Team-Resilienz bei.
Organisationale Resilienz
Teams sind in der Regel Teil einer Organisation. Damit leistet Team-Resilienz zwar einen Beitrag zur organisationalen Resilienz, dennoch kann man diese beiden Arten der kollektiven Resilienz unterscheiden. Eine resiliente Organisation ist in der Lage, in der heutigen VUKAH-Welt standhaft zu sein. Sie kann sich an schnelle Veränderungen gelingend anpassen, Risiken erkennen und minimieren, sowie auch unter Druck effektiv funktionieren. Die Corona-Pandemie zum Beispiel hat sehr gut zeigen können, welche Organisationen resilient und „krisensicher“ waren.
Zur organisationalen Resilienz gehören ebenfalls Merkmale wie klare Kommunikation und Flexibilität & Anpassungsfähigkeit. Allerdings liegt die Verantwortung dafür vielmehr in den Händen vereinzelter Personen, anstelle von allen Organisationsmitgliedern gleichermaßen. Mit anderen Worten: Führungskräfte nehmen bei der organisationalen Resilienz noch einmal eine gesonderte Position ein.
Zudem spielen die Faktoren von Risikomanagement und Lernorientierung eine zentrale Rolle. Zum einen ist es wichtig, potenzielle Bedrohungen für das Fortbestehen der Organisation zu identifizieren und zu managen. Hier gehören Präventionsmaßnahmen und Pläne zur Bewältigung von Krisen dazu. Zum anderen lässt sich nicht jede Krise abwenden, sodass resiliente Organisationen aus Krisen lernen und sie als Chance zur Verbesserung nutzen.
Privater Kontext
Paar-Resilienz
Die kleinste mögliche Einheit von kollektiver Resililienz umfasst mindestens zwei Menschen. Und wenn Sie schon einmal eine feste Beziehung hatten, werden Sie wahrscheinlich zustimmen, dass es auch in so einer Konstellation durchaus zu Stress kommen kann. Nicht umsonst gibt es den Begriff der „Ehekrise“.
Idealerweise sieht man sich und seinen Partner oder seine Partnerin auch als Team – in dem Sinne, dass gemeinsame Werte geteilt werden oder auch eine offene und wertschätzende Kommunikation gefördert wird. Insgesamt können Team-Resilienz und Resilienz in einer Partnerschaft ähnliche Konzepte von Anpassungsfähigkeit, Zusammenarbeit und Überwindung von Hindernissen teilen, jedoch werden sie jeweils in einem unterschiedlichen Kontext angewendet und betonen verschiedene Aspekte der zwischenmenschlichen Beziehungen.
Schließlich herrscht in einer Paarbeziehung eine andere Dynamik als in einem Team. Der Faktor der Intimität und des Vertrauens ist hierbei noch einmal sehr viel stärker ausgeprägt und kann dazu beitragen, dass man sich gegenseitig in Krisenzeiten auf einer tieferen zwischenmenschlichen Ebene unterstützt. Zusätzlich besteht dem Partner oder Partnerin gegenüber eine andere Verpflichtung gegenüber als „nur“ Teammitgliedern. Schließlich ist das die Person, mit der man in der Regel zusammenlebt und sehr private und auch vulnerable Momente miteinander teilt.
Resilienten Paaren gelingt es, sich durch gemeinsame Bewältigungsstrategien an Veränderungen anzupassen und Herausforderungen miteinander zu meistern.
Familien-Resilienz
Auch Familien zeichnen sich im Unterschied zu ganzen Organisationen durch eine emotionale Bindung und eine besondere Form der Intimität aus. Doch dass auch hier Konflikte auftreten können, brauchen wir wohl niemandem erzählen. Obwohl wir meist klar bennenen können, wer zur Familie gehört und wer nicht, können wir komplett unterschiedliche Gruppen meinen, wenn wir „Familie“ sagen. Zum Beispiel können mit Familie nur der Partner oder die Partnerin plus ggf. Kinder gemeint sein. Oder alle Mitglieder der eigenen Herkunftsfamile inklusive Tanten und Onkel und deren Kinder plus alle Mitglieder der Familie des Partners/der Partnerin.
Familie ist Ansichtssache, die trotzdem durch einen bestimmten Zusammenhalt auch kollektive Resilienz stärken kann. Sich auf gemeinsame Werte und Rituale stützen zu können, bedingungslose soziale Unterstützung zu erfahren und offene Kommunikation können Vorteile einer resilienten Familie sein. So gelingt Flexibilität und Anpassung an Veränderungen oder Krisen, ohne langfristige negative Auswirkungen.
Gesellschaftliche Resilienz
Wenn wir kollektive Resilienz nun in seiner größten Dimension erfassen wollen, müssen wir uns die Gesellschaft anschauen. Denn jeder Mensch lebt innerhalb seiner eigenen Gemeinschaft sowohl im privaten wie auch im beruflichen Kontext in einer Gesellschaft. Ob regional, national oder international unterscheidet sich in dem Sinne nur geringfügig. Soziale Unterstützung findet zum Beispiel sowohl bei regionalen Naturkatastrophen statt wie auch bei internationalen Flüchtlingskrisen. Das alles zählt zu gesellschaftlicher Resilienz.
Schlüsselfaktoren von gesellschaftlicher Resilienz sind:
Soziale Kohäsion und Solidarität: Eine Gesellschaft mit einer starken sozialen Bindung und Solidarität ist besser in der Lage, gemeinsam mit Herausforderungen umzugehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Für ein funktionierendes Unterstützungssystem ist allerdings auch Inklusion und Gerechtigkeit wegweisend.
Effektive Regierungsführung und Institutionen: Eine kompetente und verantwortungsvolle Regierungsführung sowie gut funktionierende Institutionen sind entscheidend für die Bewältigung von Krisen und die Sicherung des Wohlergehens der Bevölkerung.
Infrastruktur und Ressourcen: Eine robuste Infrastruktur und ausreichende Ressourcen für Notfälle sind entscheidend, um eine schnelle Reaktion auf Krisen zu ermöglichen und die Auswirkungen zu mildern.
Innovationsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit: Gesellschaften, die offen für Veränderungen sind und in der Lage sind, Innovationen zu fördern und sich an neue Gegebenheiten anzupassen, sind widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen von Krisen.
Der wohl wichtigste Punkt ist allerdings Bewusstsein und Verantwortungsübernahme. Denn obwohl auch hier gilt, dass gesellschaftliche Resilienz mehr ist als die Summe seiner Einzelteile, so kommt es doch auf jeden einzelnen von uns an. Wir alle haben eine Verantwortung aktiv an der Bewältigung von Krisen in der Gesellschaft mitzuwirken. Wir sind beispielsweise darauf angewiesen, dass unsere Regierung sich in Sachen Klimawandel engagiert. Und trotzdem können wir gemeinsam in Richtung Umweltbewusstsein steuern – als Gesellschaft.
Wie können wir kollektive Resilienz fördern?
Eine zentrale Frage ist nun, wie wir kollektive Resilienz weiter stärken und ausbauen, damit wir in Gruppen Stress vermeiden und besser mit Herausforderungen umgehen können. Gerade im Business-Kontext ist die Antwort auf diese Frage: Mit einem Resilienz-Training. Denn ein Training, das sich speziell auf Teams oder Organisationen ausrichtet, fördert zwei zentrale Punkte für eine hohe kollektive Resilienz: Individuelle Resilienz als Basis und resiliente Kommunikation als Kern für gelingende Zusammenarbeit.
Individuelle Resilienz als Basis
Ja, obwohl in diesem Text mehrfach erwähnt wird, dass kollektive Resilienz eben nicht nur dann Zustande kommt, wenn die einzelnen Mitglieder des Kollektivs resilient sind, so ist sie doch extrem wichtig. Denn je resilienter ich bin, desto besser kann ich meinen Stress regulieren und auf Anforderungen mit einer selbstwirksamen Haltung begegnen. Das ist beispielsweise im Team ein großer Vorteil, um gemeinsam lösungsorientiert zu handeln und Konflikte zu vermeiden.
Denn wir kennen es alle: Wenn wir gestresst sind, sind wir auch sehr viel schneller gereizt. Dann gehen uns schon kleine Makel unseres Gegenübers auf die Nerven, aber auch wir tendieren eher dazu, Fehler zu machen. Wenn nun mehrere Teammitglieder aufgrund einer gemeinsamen Herausforderung angespannt sind, und ihnen durch eine niedrige individuelle Resilienz die Regulationsfähigkeit fehlt, wird die Lage sehr schnell sehr angespannt.
Im Resilienz-Training ist daher das Stärken der eigenen Resilienz ein großer Bestandteil. Sich zunächst selbst besser zu verstehen, eigene Stress-Muster erkennen und individuelle Maßnahmen zur Regulation zu lernen, ist ein Grundbaustein für jede Art der kollektiven Resilienz.
Resiliente Kommunikation als Kern
Wenn wir alle super resilient wären, wäre das für das individuelle Wohlbefinden zwar sehr gut, aber glauben Sie, wir würden gemeinsam besser auf Herausforderungen reagieren? Nehmen wir mal ein, ein Team bekommt ein neues Mitglied aus einem anderen Fachbereich. Arbeitsweisen, Werte und auch Erwartungen an die Zusammenarbeit passen aber mit den restlichen Teammitgliedern nicht überein. Selbst wenn jeder einzelne gute Bewältigungsstrategien gefunden hat, um mit Stress umzugehen, kann es in der Zusammenarbeit zu großen Konflikten kommen, die das gesamte Team belasten können.
Der Kern der kollektiven Resilienz für gelingende Zusammenarbeit, Produktivität und Gruppenzusammenhalt ist resiliente Kommunikation. Sie hilft dabei:
- Vertrauen ineinander zu stärken für eine starke Selbstwirksamkeitserwartung im Team
- Abläufe reibungsloser zu gestalten für mehr Produktivität und Raum für Innovation
- Empathischere Beziehungen zu führen, sodass soziale Unterstützung als Schutzfaktor wirken kann
Im Folgenden wollen wir drei Aspekte der resilienten Kommunikation hervorheben, die für kollektive Resilienz wichtig sind.
Zwickmühlenkommunikation
Kennen Sie dieses Gedankenkonstrukt: „Eigentlich… , aber…“. Zum Beispiel wollen wir einer Kollegin „eigentlich“ helfen, „aber“ haben gerade einfach keine Kapazitäten dafür. Solche Zwickmühlen kommen Zustande, wenn wir zwei verschiedene Seiten in uns haben, die zwei verschiedene Meinungen vertreten. Meist gewinnt dabei die Seite, die sich nach dem „Aber“ meldet, und oft kommunizieren wir auch nur diese. Doch statt zu Ihrer Kollegin einfach nur „Nein“ zu sagen – oder schlimmer, entgegen Ihrer Selbstfürsorgekompetenz einfach „Ja“ zu sagen – können Sie diese innere Zwickmühle kommunizieren.
Das hat gleich mehrere Vorteile. Zum einen schaffen Sie so Entlastung für Ihr eigenes System. Denn allein das Aussprechen einer inneren Ambivalenz löst die Spannung, die diese in Ihnen auslöst. Und zum anderen stärkt die offene Kommunikation die kollektive Resilienz. Sie geben Ihrem Gegenüber einen Einblick in Ihren Entscheidungsprozess und machen Empathie und Verständnis möglich.
Wenn Sie also das nächste Mal ein „Eigentlich“ spüren, versuchen Sie mal folgende Formel:
„Ich habe da eine Zwickmühle. Auf der einen Seite… UND auf der anderen Seite.“
Nicht umsonst ist das Wort „und“ hier so hervorgehoben. Denn obwohl es nur eine kleine Anpassung ist, hat es eine komplett andere Wirkung statt „aber“. Denn es stellt die Meinungen der beiden inneren Seiten auf eine Ebene. Wir kündigen nicht schon verbal an, welche Seite gewonnen hat, denn sonst hätten wir ja keine Zwickmühle. Also könnten Sie zu Ihrer Kollegin sagen: „Ich habe da eine Zwickmühle. Auf der einen Seite möchte ich dir gerne helfen, und auf der anderen Seite habe ich gerade selbst sehr viel mit meinen eigenen Aufgaben zu tun“. Das wird sich für Ihre Kollegin sehr viel anders anhören als nur „Nein“.
Zwickmühlenkommunikation hilft so, die Beziehungsebene von der Sachebene zu trennen, was Vertrauen und soziale Unterstützung im Team fördert. Mit anderen Worten: Es verbessert die Team-Resilienz.
Wissenstransfer
Neben einer offenen Kommunikation durch das Teilen von Zwickmühlen, ist auch auf Sachebene ein offener Transfer sehr wichtig. Im hektischen Alltag kann es passieren, dass Informationen, die für alle Teammitglieder wichtig wären, trotzdem nicht bei allen gleichermaßen ankommen. Ein funktionierender Wissenstransfer, zum Beispiel durch die einheitliche Nutzung eines einzelnen Kommunikationskanals, kann in Krisenzeiten die Reaktionszeit des Teams verkürzen, Informationen effektiv und schnell verbreiten und Zusammenarbeit fördern.
Zum Wissenstransfer gehört auch, dass Fachwissen frei zur Verfügung gestellt wird. Wenn zum Beispiel in einem Team nur eine Person über einen bestimmten Skill verfügt, der für das Meistern einer Herausforderung essenziell ist, wäre es für eine starke kollektive Resilienz wichtig, dass jeder im Team diesen Skill aufbaut. So hängt nicht die ganze Verantwortung an einer Person, und Aufgaben zur Bewältigung des Problems können schneller und effektiver angegangen werden. Zudem hilft ein so offener Wissenstransfer, das gesamte Team weiterzuentwickeln, um es anpassungsfähiger an die Krisen von morgen zu machen.
Ehrenrunden akzeptieren (Lernbereitschaft)
Zum erfolgreichen Bewältigen von Herausforderungen gehört letztendlich das Lernen aus nicht-erfolgreichen Versuchen. Im Grunde kann nur so Fortschritt überhaupt gelingen. Dafür braucht es die Lernbereitschaft im Team. Wie bereits beschrieben, zeichnen sich resiliente Teams durch die Reflexion nach Problemen, Stress und Krisen aus. Um aber erst einmal an den Punkt der Reflexion zu kommen, ist eine Eigenschaft für Teams sehr wichtig: Das Akzeptieren von Ehrenrunden.
Ehrenrunden (ein Begriff nach Gunther Schmidt anstelle von „Rückschlägen“) gehören zu einem guten Lernprozess dazu. Denn wir handeln aufgrund unserer Lernerfahrungen aus der Vergangenheit. Es wäre von der Natur höchst unpraktisch, wenn wir normalerweise gut funktionierende Muster sehr schnell verlernen würden ohne dass die neuen Muster erst erprobt sind. Ehrenrunden sind sozusagen ein Qualitätssigel der bisherigen Überlebensstrategie. Diese als Team zu akzeptieren, sich nicht gegenseitig Vorwürfe zu machen, wenn neue Abläufe noch nicht sofort reibungslos funktionieren.
Wozu kollektive Resilienz führt
Wenn wir uns abschließend nun anschauen, wozu kollektive Resilienz beiträgt, sollten wir die zwei Bezugspunkte voneinander unterscheiden. Zum einen hat kollektive Resilienz nämlich Auswirkungen für jeden einzelnen und zum anderen natürlich auch für die jeweilige Gruppierung, die kollektive Resilienz aufbaut.
Für jeden einzeln
Wir haben uns bisher nur damit befasst, wie individuelle Resilienz die Basis für kollektive Resilienz darstellt. Aber an dieser Stelle soll es nun darum gehen, welchen Einfluss kollektive Resilienz auf das Individuum hat. Ein Schlagwort ist dabei sehr wichtig: Mattering (dt. soviel wie Bedeutsamkeit).
Das Konzept des Mattering stammt von den US-amerikanischen Psychologen Morris Rosenberg und B. Claire McCullough. Es besagt, dass es ein menschliches Bedürfnis ist, anderen wichtig zu sein, wahrgenommen zu werden und Einfluss auf die Welt zu haben. Dadurch ist das Konzept sehr eng mit dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Selbstwirksamkeit und auch Selbstwert verknüpft. Die Forschenden fanden dabei heraus, dass Wohlbefinden und psychische Gesundheit mit einem Gefühl von Mattering zusammenhängt. Je mehr wir das Gefühl haben, in einer Gruppe von Bedeutung zu sein, desto höher war das Wohlbefinden.
Der Soziologe Gregory Elliot unterscheidet beim Mattering drei Kategorien:
- Werden wir wahrgenommen? (Ob wir Aufmerksamkeit bekommen, wenn wir beispielsweise einen Vorschlag machen)
- Sind wir wichtig? (In dem Sinne, dass sich jemand für unser Wohlergehen interessiert)
- Wird uns vertraut? (Zum Beispiel, ob wir um Rat oder Unterstützung gebeten werden)
Und hier sollten Sie nun den Zusammenhang zur kollektiven Resilienz erkennen. Denn in einem Team, einer Organisation, einem Freundeskreis oder in einer Familie mit einer hohen Resilienz werden diese drei Kategorein optimalerweise erfüllt. Jedes Mitglied der Gruppe fühlt sich bedeutsam, was die individuelle Selbstwirksamkeitserwartung erhöht und den Schutzfaktor der sozialen Unterstützung stärkt. Wir brauchen nicht nur Menschen, an die wir uns in schwierigen Zeiten wenden können, wir wollen auch als jemand wahrgenommen werden, an den andere sich wenden.
Für das Kollektiv
Für Gruppen, Gemeinschaften oder Partnerschaften bedeutet kollektive Resilienz die Fähigkeit zur gemeinsamen Anpassung an herausfordernde Umstände. Daraus ergibt sich eine bessere Zusammenarbeit und eine Steigerung von Leistungsfähigkeit und Produktivität, Innovation und Gruppenkohäsion.
Wenn Menschen in egal was für Konstellationen zusammenkommen, um gemeinsam Hindernisse zu überwinden und Krisen zu bewältigen, entsteht ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität. Durch den Aufbau von Netzwerken der Unterstützung und Zusammenarbeit können Gemeinschaften widerstandsfähiger gegenüber Belastungen werden und gestärkt daraus hervorgehen. So können Teams und Organisationen aber auch Familien einen starken Ressourcenpool aufbauen, um sich für die Zukunft gegen Probleme, Stress und Krisen zu wappnen.
Quellen:
Elliott, G., Kao, S., & Grant, A.M. (2004). Mattering: Empirical validation of a Social- psychological concept. Self and Identity, 3, 339–354.
Rosenberg, M., & McCullough, B. C. (1981). Mattering: Inferred significance and mental health. Research in Community and Mental Health, 2, 163 – 182.
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Rebecca van der Linde, M.A. Germanistik und Kulturanthropologie, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Resilienz Akademie. Als Resilienz-Trainerin und Resilienz-Coach betreut sie den Blog der Resilienz Akademie und unterstützt in der konzeptionellen Entwicklung. Zudem agiert als SEO-Managerin für die Website. Ihr Schwerpunkt liegt auf der digitalen Präsenz der Themen rund um individuelle und organisationale Resilienz.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 240 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de) sowie des Resilienz-Podcasts Rethinking Resilience (www.Rethinking-Resilience.com).