Holokratie und organisationale Resilienz

Holokratie (oder Holocracy) ist eine agile Organisationsform für Unternehmen. Dabei geht es darum, bisherige hierarchische Strukturen abzulösen und eine Balance zwischen Autokratie und Basisdemokratie herzustellen. Kurz gesagt: Die Mitarbeitenden organisieren sich selbst.

Puzzleteile - Resilienz
Holokratie – Wenn alle Mitarbeiter am Prozess teilhaben dürfen.

Was bedeutet Holokratie?

Der Name dieses Konzepts leitet sich aus dem Griechischen „Holon“, zu Deutsch „Teil eines Ganzen sein“, ab. Der US-amerikanische Unternehmer Brian Robertson entwickelte dieses System, für mehr Transparenz und das Fördern von Innovationen.

Es gibt ein zentrales Regelwerk der Holokratie, das sich in fünf Kapitel aufteilt und eine Leitlinie darstellt. Die Kapitel sind:
– Rollen füllen
– Kreisstruktur
– Governance-Prozess
– Operativer Prozess
– Adoption Matters (Inkraftsetzung)

Besonderheit der Holokratie

Diese Organisationsform unterscheidet sich von anderen agilen Unternehmensstrukturen. Sie verändert die komplette Organisationsstruktur! Andere agile Formen beschränken sich dagegen nur auf einen bestimmten Teil des Unternehmens.

Zentrale Aspekte der Holokratie sind Partizipation und Transparenz, und zwar auf allen Entscheidungsebenen. Alle Mitarbeitenden wirken an Veränderungen im Unternehmen mit. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem menschlichen Körper: Eine Zelle ist eine selbstständige Einheit, die mit anderen Zellen zusammen ein Organ bildet. Alle Organe zusammen ergeben den menschlichen Körper.
Auf die Struktur übersetzt bedeutet es, der Sinn der Holokratie ist es, dass jeder Mitarbeitende Teil des Ganzen ist.

Ziel der Holokratie

Was soll nun diese Organisationsform bewirken? Das Hauptziel ist es, langwierige bürokratische Prozesse zu umgehen. Durch eine Vereinfachung der Arbeitsabläufe und Dezentralisierung der Entscheidungen agieren Unternehmen schneller, flexibler und gegenwartsbezogener.

Zudem steigert eine solche Organisationsstruktur die Kreativität und die Selbstständigkeit der Mitarbeitenden.

Umsetzung in die Praxis

Die Umsetzung für das eigene Unternehmen ist ein schwieriger Change-Prozess. Unternehmen sollten sich über folgende Punkte vorher im Klaren sein:
– Sind Sie bereit, Macht und Verantwortung auf alle Unternehmensebenen abzugeben?
– Sind alle Mitarbeitenden bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich an die Regeln der Holokratie zu halten?
– Ist das Unternehmen bereit, sich auf neue Regeln und Prozesse einzulassen?

Wie funktioniert Holokratie?

Nehmen wir einmal an, Sie haben sich dafür entschieden, Ihr Unternehmen holokratisch umzustrukturieren. Wie geht das?

Zunächst der Hinweis: Holokratie schafft Hierarchien nicht vollständig ab. Sie bestehen weiterhin als Ordnung. Doch die Macht der vorherigen hierarchischen Strukturen wird neu delegiert. Mitarbeitende organisieren sich so selbst und erlangen Mitbestimmung an Veränderungen.

Abstimmen und Organisieren in Kreisen

Die Organisationsform besteht aus Kreisen. Die Mitarbeitenden fassen sich in Kreisen zusammen und erfüllen innerhalb davon eine oder mehrere Rollen. Zusätzlich gehören Mitarbeitende nicht nur einem, sondern mehreren Kreisen an. Die Kreise organisieren sich selbst, also legen auch die eigene Zuständigkeit fest.

Die Kreise setzen sich aus Menschen zusammen, die ihr Wissen und ihre Kompetenzen zu einem bestimmten Thema beitragen. Jeder Mitarbeitende ist Experte auf seinem Gebiet. Beispielsweise gibt es einen Produktionskreis, der Kollegen aus Personalplanung, Entwicklung, Beschaffung und Lagerung zusammenfasst. So werden Entscheidungen zu einem bestimmten Thema von den es betreffenden Mitarbeitenden getroffen.

Die Kreise kommunizieren untereinander durch einen Vertreter und einen Lead (Leiter). Sie sind Teil des nächst höheren Kreises. Durch die doppelte Vertretung hat der Leiter nicht zu starken Einfluss, sodass die Interessen des Kreises sichergestellt werden.

Es gibt zwei Arten von solchen weiterführenden Kreistreffen. Bei den operativen Treffen wird Transparenz geschaffen. Bei Steuerungsmeetings hingegen werden die Strukturen weiterentwickelt. Das bedeutet es werden Zuständigkeiten besprochen und Kreise zusammengelegt, bzw. aufgeteilt.

Rollen und Aufgaben in Kreisen

Es gibt festgelegte Rollen innerhalb dieser Kreisorganisation. Es gibt den bereits erwähnten Lead, den Moderator, die Repräsentanten des Kreises, einen Schriftführer und gegebenenfalls Vertreter der darunter- oder darüberliegenden Kreise.

Die Kreise entwickeln und definieren ihren Sinn selbstständig. So kann der Sinn eines Kreises der Produktentwicklung beispielsweise heißen: „Entwicklung exzellenter Produkte, für Plattform xy“. Der Sinn orientiert sich dabei an dem Sinn des nächst höheren Kreises. Auf diese Weise arbeiten alle Kreise an dem Gesamtsinn und Zweck der Organisation mit.

Resilienz Akademie | Holokratie und organisationale Resilienz
Eine geteilte gemeinsame Vision ist ein zentraler Aspekt von Holokratie.

Die Rolle der organisationalen Resilienz bei der Holokratie

Was hat nun eine organisationale Resilienz mit Holokratie zu tun? Resilienz wird allgemein als die Fähigkeit verstanden, flexibel auf Stress zu reagieren und widerstandsfähig bei Krisen zu sein. Dieses Konzept lässt sich auf ein ganzes Unternehmen übertragen.

Im Rahmen der organisationalen Resilienz kann man sich sehr gut an der ISO-Norm 22316:2017 orientieren.
Diese besteht auch folgenden Aspekten organisationaler Resilienz:

  • Geteilte Vision
  • Umfeld verstehen
  • Ermutigende Führungskräfte
  • Resilienzfördernde Kultur
  • Geteiltes Wissen
  • Verfügbare Ressourcen
  • Koordinierte Bereiche
  • Stetige Verbesserung
  • Veränderung antizipieren

All diese Aspekte bedingen Holokratie und machen die Einführung und Umsetzung von Holokratie in einem Unternehmen wahrscheinlicher und leichter.

Holokratie im Unternehmen umzusetzen bedeutet den Start eines Change-Prozesses. Dieser krempelt die ganze Unternehmensstruktur um. Das birgt zum einen neue Herausforderungen und zum anderen auch Stress. Denn Menschen lieben das Gewohnte. Eine gut entwickelte organisationale Resilienz trägt dazu bei, dass die Mitarbeitenden auch bei Veränderungen Ressourcen nutzen und Stress regulieren.

Für die Holokratie bringt die organisationale Resilienz noch einen weiteren großen Vorteil mit sich. Die gelingende Organisation in Kreisen und die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeitenden setzt eine gute Kommunikation innerhalb des Betriebs voraus. Resilienz stärkt den wertschätzenden Umgang miteinander und erlaubt so ein erfolgreiches Arbeiten in den Kreisen. Hierbei sind neben der organisationalen Resilienz auch die Teamresilienz sowie die individuelle Resilienz wichtig.

Organisationale Resilienz und Führung

Eine besondere Rolle bei der organisationalen Resilienz und auch bei der Holokratie nimmt die Führung ein. Diese wird in dem agilen Organisationsmodell nicht abgeschafft. Ihre Aufgabe ist es, Ressourcen verfügbar zu machen, Akzeptanz gegenüber dem Scheitern und Vertrauen in die Beteiligten zu setzen und den Unternehmenssinn im Blick zu haben.

Organisationale Resilienz bewirkt ein Umdenken in den Führungsetagen. Wie fördere ich meine Mitarbeitenden am besten? Wie schaffe ich Raum für Kreativität, Motivation und Eigenverantwortung? Wie schaffe ich Klarheit über den Unternehmenszweck und unsere Ziele?

Diese Antworten darauf gilt es in dem Veränderungsprozess zur Holokratie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden zu finden. Resilienz gibt dabei die Unterstützung, stark in der Umbruchszeit zu bleiben und empathisch zu kommunizieren.

Organisationale Resilienz und Rollen

Die Rollen in den Kreisen sind festgelegt und bestimmen, welche Aufgabe jeder einzelne übernimmt. Dazu sind zwei Dinge elementar. Erstens muss Rollenklarheit herrschen. Wer übernimmt welchen Part? Und was genau beinhaltet die Aufgabe? Zu Beginn jedes neuen Kreises sollten diese Fragen geklärt sein. Wenn Sie Ihre Rolle oder die damit verbundenen Pflichten nicht eindeutig kennen, kann das für Verwirrung, Ratlosigkeit und Stress sorgen.

Zweitens sollten Konflikte auf resiliente Weise miteinander geteilt werden. Die Europace AG führte Holokratie als Organisationsmodell ein und etablierte das spannungsbasierte Arbeiten und Entscheiden. Emotionale oder auch sachliche Konflikte wurden im Unternehmen mit „Ich habe da eine Spannung:…“ angesprochen. Das Ansprechen von Zwickmühlen beispielsweise erfüllt den gleichen Zweck. Für ein resilientes Ansprechen bedarf es Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion, zwei wichtige Faktoren individueller Resilienz.

Holokratie als agile Organisationsform

Holokratie im eigenen Unternehmen umzusetzen birgt Herausforderungen, wie auch Chancen. Hier sind für Sie die Vorteile und Nachteile einer solchen Neuorganisation zusammengefasst.

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Flexibilität geht immer mit Vor- und Nachteilen einher.

Vorteile und Chancen

Jeder Mitarbeitende kennt die Aufgaben und Verantwortungen seiner Kreise. Das sorgt dafür, dass klare Verantwortungsstrukturen herrschen. Zudem kennen alle Beteiligten die geteilte Vision und den Unternehmenszweck. Das stärkt eine klare Orientierung und zusätzlich eine schnelle Anpassung. Sie bleiben also auch in der VUCA-Welt agil und konkurrenzfähig.

Zudem bietet Holokratie das Potential für eine höhere Motivation der Mitarbeitenden. Selbstverantwortung ist hierbei ein wichtiges Stichwort. Die Mitarbeitenden erleben selbst, wie Entscheidungen entstehen und sind am Veränderungsprozess beteiligt. Das Erleben von Selbstwirksamkeit hat dabei noch den schönen Nebeneffekt, dass es die Resilienz und sogar die Gesundheit der Mitarbeitenden stärkt.

Und last but not least bietet die Holokratie den Vorteil, Arbeitsprozesse und Innovationszyklen zu beschleunigen. Lange Bürokratie-Schleifen werden überflüssig und so bleibt das Unternehmen aktuell und flexibel.

Nachteile und Risiken

Allerdings liegt der Knackpunkt gerade in dieser Form der Eigenverantwortung. Zum einen bedeutet es ein großes Umdenken auf der Führungsebene. Sind Eigentümer und Management bereit dazu, ihren Einfluss aufzuteilen? Vertrauen ist eine wichtige Basis für die Umsetzung von Holokratie und ist in manchen Fällen leichter gesagt als getan.

Zum anderen kann dieses Umdenken auch bei den Mitarbeitenden negativ wirken. Insbesondere zu Beginn der Veränderung mindert sich ggf. das Kompetenzerleben der Beteiligten oder lähmt sie sogar. Angst vorm Versagen oder ein Gefühl der Überforderung machen sich breit. Die Aufgabe der Führungskräfte ist es, diese Angst zu nehmen.

Und Zuletzt gibt es da ja noch das Regelwerk. Sich in jedem Meeting aber erst durch die 45-Seitige Verfassung zu wühlen ermüdet und schmälert Motivation. Es dauert seine Zeit, bis das System der Holokratie in allen Kreisen fest etabliert ist.

Holokratie trainieren

Letztendlich liegt es in der Unternehmenskultur, ob sich diese agile Organisationsstruktur durchsetzen wird. Der Lichtblick dabei ist, dass Sie Holokratie trainieren können. Mit zunehmender Routine finden die Meetings in Kreisen statt und auch der Umgang miteinander verändert sich im Laufe der Zeit zu einer resilienten Kommunikation, die für besseres Verständnis sorgt.

Hilfreich hierfür ist die Ausbildung von Resilienz-Lotsen (SMA) ® im Unternehmen. Der Resilienz-Lotse (SMA) ® sorgt dafür, dass sich seine Kreise an einen wertschätzenden Umgang miteinander erinnern, reagiert auf Stress und hält das Unternehmen von innen heraus widerstandsfähig.

Fördern Sie organisationale Resilienz und Holokratie und entdecken die Vorteile eines flexiblen und starken Unternehmens.


Resilienz Akademie | Holokratie und organisationale ResilienzSebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienz-Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).

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