Stressempfinden – Zwei Extreme
Burn-out und Bore-out sind die beiden sich gegenüberliegenden Pole der Stressskala. Sie sind die Extreme, die in gleichem Maße auf Körper und Geist drastische Auswirkungen haben.
Prinzipiell verbinden wir Stress mit negativen Folgen. Oft reden wir dabei von „zu viel“ Stress, der uns über einen langen Zeitraum hinweg begleitet, belastet und uns letztendlich in die Knie zwingt. Weniger meinen wir mit Stress „zu wenig“. Kein Stress- keine Probleme. Das lässt sich einfach sagen, ist allerdings zu vereinfacht. Denn Stress ist letztendlich nichts weiter, als die Bereitstellung von Energie. Und diese Energie benötigen wir, um in Handlung zu kommen, Veränderung zu bewirken und uns letztendlich auch zu entwickeln. Stress ist also weder negativ noch positiv, sondern vielmehr die Reaktion unseres Körpers auf einen äußeren Reiz.
Stressempfinden per se ist also nicht so negativ, wie wir es häufig bewerten. Was dagegen negative Auswirkungen hat, ist die falsche Menge an Stress. Hier greift das Sprichwort: „Die Dosis macht das Gift“. Zu viel Stress über einen langen Zeitraum hinweg führt zu Burn-out, das sich bedingt durch die Anforderungen unserer schnelllebigen und stetig wandelnden Leistungsgesellschaft zu einer wahren Volkskrankheit entwickelt. Doch auch zu wenig Stress ist nicht gut für den Organismus. Die Folge davon ist Bore-out – im Prinzip das Ausbrennen durch Unterforderung. Lesen Sie hier, was Burn-out und Bore-out ausmacht, unterscheidet und wie Sie zwischen den beiden Extremen bleiben.
Burn-out
„Ich fühle mich ausgebrannt, ausgelaugt und völlig erschöpft …“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Wer hat Ähnliches nicht schon einmal von sich selbst behauptet? Das ist ein häufiges Phänomen unserer rasanten und leistungsorientierten Zeit, in der wir unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht werden müssen. Alarmierende Studien ergaben, dass 25 % der Erwerbstätigen in Deutschland, also fast neun Millionen Menschen, sich durch ihren Job verschlissen und erschöpft fühlen (Emnid-Befragung im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Gesundheit und Soziales NRW). Eine hohe Dunkelziffer wird vermutet. Die Zahl der Krankschreibungen wegen Burn-out ist innerhalb der vergangenen fünf Jahre um 17 % gestiegen. 2008 hatten deutsche Unternehmen mit fast 10 Millionen Fehltagen aufgrund von Burn-out zu kämpfen. Das sind 40 000 Arbeitnehmer, die ein ganzes Jahr lang ausfallen. Bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von 30.000 Euro macht das eine finanzielle Belastung von 1,2 Millionen Euro (Techniker Krankenkasse, Gesundheitsreport, 2008).
Wirtschaftliche Krisen beschwören die Anfälligkeit, frei nach dem Motto: Fallen die Kurse, steigt das Burnout-Risiko! Triftige Gründe, dieses Phänomen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Was ist Burn-out?
Der Begriff Burn-out wurde in den 70er Jahren vom Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger geprägt. Burn-out ist ein „Zustand der Müdigkeit oder der Frustration infolge des Engagements für eine Sache, eine Lebensform oder eine Beziehung, das am Ende nicht die erwarteten Früchte trug“ (Herbert J. Freudenberger). Die Wortschöpfung kommt vom englischen Verb „to burn out“ und beschreibt den Prozess des Ausbrennens, der von körperlicher und geistiger Überlastung herrührt. Er ist Folge einer chronischen Aktivierung der Stressachse.
Vor allem engagierte und leistungsstarke Menschen, die ihr Energiepotenzial lange und in hohem Maße einsetzen, sind Burnout gefährdet. „Sie können nur ausbrennen, wenn Sie zuvor Feuer und Flamme waren“ (James Manktelow im Buch „Stress managen“). Es ist nicht bedeutsam, welchen Job wir machen, sondern vor allem wie, mit welcher Haltung und mit welcher Motivation. Burn-out tritt auf, wenn die Belastung hoch ist und wir sie als dauerhaft und unausweichlich erleben.
Der aktuellen Burnout-Forschung zufolge gibt es im Hinblick auf die Ursachen eine dynamische Wechselwirkung zwischen der Arbeitssituation und der Persönlichkeit. Wenn im Job Fairness, Respekt, Wertschätzung, eine angemessene Entlohnung oder Entscheidungsfreiräume fehlen, wenn widersprüchliche Anforderungen irritieren, soziale Konflikte belasten oder das Arbeitspensum die eigenen Kapazitäten übersteigt, dann ist eine Arbeitsüberlastung nichts Ungewöhnliches. Das sind äußere Risikofaktoren, die Burn-out begünstigen. Wenn persönliche Faktoren wie Perfektionismus, übertriebener Ergeiz, unrealistische Zielsetzungen, Zweifel an den eigenen kommunikativen Fähigkeiten und Überidentifikation hinzu kommen, ist ein Burn-out vorprogrammiert.
Emotionale und körperliche Erschöpfung, Leistungsabfall und Depersonalisation sind die Folge.
Woran zeigt sich Burn-out?
Die Symptome sind vielschichtig: Von Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, verminderter Leistungsfähigkeit und Kreativität über Erschöpfungs- und Angstzustände, Ohnmachtsgefühle, Lustlosigkeit, Energiemangel bis hin zu Selbstzweifel, Aggressivität, Erleben von Fremdbestimmtheit, sozialem Rückzug und Flucht in die Sucht oder in den Selbstmord. Darüber hinaus leiden die Betroffenen häufig unter körperlichen Beschwerden ohne organischen Befund wie labiler Blutdruck, Brustschmerzen, Atemnot, Kopf- und Rückenschmerzen, Hörsturz, Impotenz, Zyklusstörungen, Bandscheibenvorfällen, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren und und und.
„Das Hauptmerkmal des klassischen Burnout-Syndroms und gleichzeitig auch das größte Problem ist aber die Verleugnung.“ (Gabriele Kypta im Buch „Burnout erkennen, überwinden, vermeiden“). Häufiger folgt ein kompletter Zusammenbruch, weil die eigene Hilfsbedürftigkeit zu spät erkannt wird. Stationäre Behandlung und psychologische Betreuung werden notwendig, Umschulungen und Frühpensionierungen müssen in Anspruch genommen werden. Der Übergang zu Depressionen ist oft fließend. Allerdings hat Burnout im Gegensatz zur Depression immer mit Arbeitsleistung und Arbeitsengagement zu tun. „Eines der Symptome eines drohenden Nervenzusammenbruchs ist das Gefühl, dass die eigene Arbeit etwas ganz schrecklich Wichtiges ist.“ (Bertrand Russell)
Meist erstreckt sich der Prozess des Ausbrennens über eine lange Zeit, manchmal über Jahre oder Jahrzehnte. Zu Beginn zeigen die Betroffenen Kampfgeist und eine geradezu idealistische Begeisterung. Dann kommen Gefühle der Unentbehrlichkeit auf, die eigenen Bedürfnisse werden verleugnet. Sarkasmus und Zynismus beherrschen die Stimmung. Es folgt eine Phase der Frustration und des Rückzugs. Motivation, Leistungs- und Entscheidungsfähigkeit sowie Zufriedenheit und Empathie nehmen ab, während sich Planlosigkeit, Geistesabwesenheit, Apathie, Misstrauen und Gefühle der Austauschbarkeit verstärken. Bewegung findet entweder im Übermaß statt oder minimiert, das Essverhalten ist gestört, die Krankheitsanfälligkeit steigt und die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit wird massiv angezweifelt. Am Ende siegen Isolation, innere Erstarrung, emotionale Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit und Resignation. „Ich kann machen, was ich will, es ändert sich ja doch nichts.“ Das gesamte Leben verflacht, es kommt zu Unfällen, suizidalen Tendenzen, Panikattacken, zum Verlust der Libido, zu Suchtverhalten und zu psychosomatischen Reaktionen. Die Betroffenen sind desillusioniert und befinden sich in einer Sinnkrise. Dann der komplette Zusammenbruch. Was tun?
Hilfestellungen bevor Sie ausbrennen:
Den Akku wieder aufladen! Dazu gehören ausgewogene Ernährung und bewusstes Essen, regelmäßige sportliche Aktivitäten, Hobbies, Familien- und Freundschaftszeiten. Außerdem die Reduzierung des Genussmittelkonsums, Erholungsphasen und Entspannungstechniken. Dabei ist es wichtig, den eigenen Rhythmus zu finden – weder Adrenalinjunkies noch Coachpotatoes sind gesund und attraktiv.
Die Arbeit gestalten! Es ist wichtig, das Arbeitspensum und die tägliche Informationsflut zu verringern und neue Aufgaben zu übernehmen, die Spaß machen. Man sollte sich erlauben, Fehler zu machen, seine Zeit großzügiger planen und die eigene Erreichbarkeit reduzieren. Wer auch mal „Nein“ sagt, seine Belastungsgrenzen klar absteckt und Unterstützung in Anspruch nimmt, der ist auf dem richtigen Weg aus der Erschöpfungsspirale. Hilfreiche Maßnahmen von Seite des Arbeitgebers sind unter anderem Gespräche, in denen die berufliche Perspektive des Mitarbeiters abgeklärt wird und Gesundheitszirkel. Bei mangelnder Unterstützung sollten Betroffene in Betracht ziehen, den Job zu wechseln, vor allem wenn die eigenen Vorstellungen von Arbeit von der gegenwärtigen Arbeitskultur im Unternehmen abweichen.
Die Überlastungskrise kann auch als Chance für eine Neuorientierung gesehen werden, als Möglichkeit, das Leben und die persönlichen Ziele neu zu bewerten. Was will ich eigentlich mit meiner Zukunft anfangen? Wo liegen meine Prioritäten? Welche neuen Fähigkeiten möchte ich mir erarbeiten? Welche Leidenschaften schlummern in mir? Arbeite ich, um zu leben oder lebe ich, um zu arbeiten? Wichtig ist, die eigenen Bedürfnisse kennen zu lernen und die eigenen Grenzen und Bereitschaften zu verteidigen. „Dieselbe Kraft, Energie und Willensstärke, mit der Sie sich in diese missliche Lage gebracht haben, können Sie nutzen, um wieder herauszukommen.“ (Gabriele Kypta in ihrem Buch „Burnout erkennen, überwinden, vermeiden“).
Boreout
Das Boreout-Syndrom als Gegenstück zu Burn-out. Eine neue Modekrankheit? Tatsächlich, auch Unterforderung ist heute eine kritische Geschichte, auch wenn es bisher – ähnlich wie bei Burn-out – noch keine Diagnose für das Boreout-Syndrom gibt, es kaum durch Studien gesichert ist und nicht als klinisches Krankheitsbild anerkannt wird. Wer möchte sich schon gerne „auslangweilen“?
Die Bestsellerautoren und Erfinder des Phänomens Peter R. Werder und Philippe Rothlin beschreiben Unterforderung (das Gefühl mehr leisten zu können), Langeweile (Lustlosigkeit und Ratlosigkeit, weil nichts zu tun ist) und Desinteresse (fehlende Identifikation mit der Arbeit) als die herausragenden Merkmale eines Bore-out.
Was ist Bore-out?
Einst motivierte Menschen werden durch einen Mangel an interessanten Aufgaben und Verantwortung faul gemacht. Wenn der Job zu Tode langweilt, resultieren Müdigkeit, Lustlosigkeit, Gereiztheit, Frustration. Das kann bis hin zu depressiven Anzeichen gehen. Boreout entsteht vor allem dort, wo Arbeitsresultate nicht direkt messbar sind. Dabei sind Schreibtischjobs besonders gefährdet, da sie dazu verlocken, die Zeit zu vertrödeln und sich ablenken zu lassen. Man surft im Internet, plant den nächsten Urlaub oder kommuniziert mit Freunden. Aufgrund der Unzufriedenheit und weil Nichtstun gesellschaftlich im Gegensatz zu Stress verpönt ist, wenden die Betroffenen Tricks an, um ihre Ineffizienz oder ihren Mangel an Arbeit zu verheimlichen. Sie bleiben bis spät abends im Büro, lassen ihre Schreibtischlampe brennen, machen möglichst viel Lärm mit der Tastatur oder dem Umherwälzen von Aktenordnern oder ziehen ihre Arbeit künstlich in die Länge. Das Fatale daran, die Strategien machen noch unglücklicher. Eine unangenehme Vorstellung, bei der Arbeit nichts zu tun zu haben!
Beim Absitzen von Stunden, in denen man einfach nur auf den Feierabend wartet, scheint sich die Zeit zu verlangsamen.
Anregender Stress gegen Langeweile
Jeder Mensch braucht positive Herausforderungen, um gesund zu bleiben. Langeweile reduziert langfristig das Selbstbewusstsein durch fehlende Anerkennung und ausbleibenden Erfolg. Betroffene sollten sich Tätigkeiten suchen, die Spaß machen, spannend und anregend sind und ihnen nicht jeden Tag das Gefühl geben, wieder arbeiten gehen zu müssen, sondern zu dürfen! Ziel: Aufgaben, denen man gewachsen ist an denen man wachsen kann.
Die Zahlen der Gallup-Studie von 2008 verdeutlichen, wie wichtig gute Arbeitsbedingungen sind und ein Job, mit dem man sich identifizieren kann. Die Dienst-nach-Vorschrift-Macher und die innerlichen-Kündiger sind vermutlich am anfälligsten für den Langeweile-Stress.
Was Bore-out gefährdete besonders brauchen, ist der Mut zur Veränderung. ebenso wie bei einer Überlastungskrise bietet die permanente Unterforderung einen Ausgangspunkt, die eigenen Werte und Ziele bei der Arbeit zu hinterfragen. Was will ich wirklich und wo kann ich meine Kompetenzen gewinnbringend einsetzen ohne mich zu langweilen? Den Selbstwert zu stärken ist der erste Schritt sich bewusst in die Richtung zu verändern, in der Sie wirklich erblühen können – auch wenn dies nur durch einen Jobwechsel geht.
Mit Resilienz die Balance halten
Wie kommen wir also zu der richtigen Dosis an Stress? Wie sich zeigt ist das wichtigste, die Annäherung an eines dieser Extreme rechtzeitig zu bemerken. Einen Schritt zurück machen geht im Stehen einfacher, wenn man schon am Boden liegt. Das bedeutet, rechtzeitiges Eingreifen, Veränderung im Leben aktiv ansteuern und Hilfe annehmen ist nur mit einer guten Selbstwahrnehmung möglich.
Mit einer starken Resilienz trainieren wir unsere Selbstwahrnehmung und können selbstwirksam Stress herunter regulieren. Im Resilienz-Training lernen Sie beispielsweise verschiedene Möglichkeiten kennen, Ihren Stress auf einem aktivierendem Level beizubehalten und so die Balance zwischen Burn-out und Bore-out zu finden.
Wir tragen die Verantwortung für unsere körperliche und Geistige Gesundheit und sollten deswegen auch stets die eigene Resilienz als inneres Immunsystem stärken. Allerdings haben wir als Teil der Gesellschaft auch Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Gerade Menschen, die sich schon am Rande des Ausbrennens befinden haben den Kontakt zu ihrem Körper verloren. Hierbei zählt dann Ihre Wahrnehmung und Ihre Hilfe, Menschen vor dem Ausbrennen zu schützen. Lesen Sie hier, wie Sie Burn-out bei sich und anderen erkennen. Wenn Sie dann noch einen Schritt weiter gehen wollen, werden Sie Resilienz-Trainer*in oder Resilienz-Lotse SMA®, um Menschen nachhaltig einen gesunden Umgang mit Stress zu vermitteln.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).