Der Butterfly Hug ist ein äußerst wirkungsmächtiges Tool für die eigene Stressregulation. Denn diese kleine Intervention kombiniert beruhigende Selbstberührungsgesten mit einem achtsamen und selbstfürsorglichen Mindset.
Was ist der Butterfly Hug?
Der Butterfly Hug, zu deutsch: Schmetterlings-Umarmung, wurde erstmals von den beiden Traumatherapeuten Lucina Artigas und Ignacio Jarero eingesetzt. Sie betreuten 1997 die Überlebenden des Hurricans Pauline in Mexiko, der zu einer verheerenden Verwüstung und zahlreichen Opfern geführt hatte. Diese Intervention zeigte sich als äußerst effektiv, um die Überlebenden emotional zu stabilisieren und psychisch zu unterstützen.
Nach diesem erfolgreichen Ersteinsatz übernahmen viele weitere Therapeuten und therapeutische Orientierungen die Intervention. Insbesondere im Umgang mit Traumata und Angststörungen kommt der Butterfly Hug zum Einsatz. Allerdings lässt er sich auch im alltäglichen Leben mühelos anwenden. Denn diese Intervention braucht keine leitende oder instruierende Person zur Durchführung. Gerade deshalb kann Ihnen diese Form der Selbstumarmung als wertvolles Selbstcoaching-Tool bei akutem Stress oder starken Emotionen dienen. Es ist eine schnelle und effektive Möglichkeit sich selbst zu erden und wieder ins Hier und Jetzt zu kommen.
Wie Sie den Butterfly Hug ausführen
Diese Technik lässt sich auch als Duale Aufmerksamkeits-Stimulation bezeichnen. Wichtig: Es handelt sich hierbei nicht um eine bilaterale Hemisphärenstimulation. Diese wird im EMDR („Eye Movement Desensitization and Reprocessing“) gerne als Wirkmechanismus angegeben, allerdings ist das laut aktueller Forschungslage nicht korrekt. Was bei dieser Technik tatsächlich wirkt, ist die Kombination aus taktiler Beruhigung durch eine bestimmte Bewegung und gedanklicher Beruhigung durch Achtsamkeit.
Die Schmetterlings-Umarmung
Widmen wir uns zuerst der Bewegung. Fühlen Sie sich frei die Bewegung beim Lesen selbst auszuführen, um ein Gefühl für die Technik zu bekommen. Hier eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Bewegung:
- Kreuzen Sie die Arme über der Brust, sodass Ihre Fingerspitzen unterhalb Ihrer Schlüsselbeine liegen. Achten Sie darauf, dass Ihre Hände so vertikal wie möglich liegen, eher Richtung Hals als Richtung Arme platziert.
- Bewegen Sie anschließend sanft die Hände auf und ab, sodass sie mit den Fingerspitzen sanft auf die jeweilige Stelle unter Ihrem Schlüsselbein klopfen. Dieses Tappen können Sie abwechselnd links und rechts oder auch mit beiden Händen gleichzeitig ausführen, wie Sie sich mit der Bewegung wohler fühlen.
- Lassen Sie Ihre Hände sich in einem freien Rhythmus bewegen und ein für Sie angenehmes Tempo finden.
- Atmen Sie dabei langsam in den Bauch ein und ein kleines Stückchen länger wieder aus, diese Atmung vertieft die Entspannung.
- Sie können gerne während dieser Bewegung die Augen schließen.
- Senken Sie die Arme wieder, wenn Ihr Körper Ihnen signalisiert, dass es genug ist. Vertrauen Sie hierbei auf Ihr Körpergefühl.
Achtsamkeit und Selbstliebe
Der Butterfly Hug wird auch „Hug of self love” genannt, weil es nicht nur um die schmetterlingsflügelhafte Bewegung der Hände geht, sondern auch um die innere Haltung während der Selbstumarmung.
Verbinden Sie Achtsamkeit mit der Selbstberührung, um Stress und aufschäumende Gefühle zu regulieren. Die Achtsamkeit besteht darin, dass Sie alles Aufkommende in Ihrem Kopf und in Ihrem Körper bewertungsfrei wahrnehmen. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst: auf Gedanken, Gefühle und Sinneseindrücke. Schieben Sie nichts von sich weg oder verurteilen Sie. Nehmen Sie eher als was kommt wahr, als würden Sie vorbeiziehende Wolken am Himmel beobachten. Dabei kann es Ihnen helfen, wenn Sie sich zunächst auf Ihren regelmäßigen und ruhigen Atem konzentrieren.
Behalten Sie diese innere Haltung, dass alles, was in Ihnen aufsteigt, okay ist, für einen Moment bei, auch wenn sie die Bewegung beenden. So fördern Sie Selbstakzeptanz und auch Selbstliebe.
Warum der Butterfly Hug wirkt
Die Schmetterlings-Umarmung wirkt auf gleich zwei Arten beruhigend. Zum einen stellt die Selbstumarmung ein wirksames Embodiment für eine liebevolle Haltung sich selbst gegenüber dar. Wir nehmen uns selbst in den Arm und fördern ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Zum andern kommt genau dieses Gefühl zustande, weil die angenehme Selbstberührung die Ausschüttung von Oxytocin fördert. Dieses wirkt sich stressregulierend auf die Amygdala, unser neuronales Stresszentrum im Gehirn, aus.
Was sich ebenfalls auf die Amygdala auswirkt, ist die Aktivierung des präfrontalen Cortex. Dieser ist in unserem Gehirn zuständig für die Verarbeitung von Emotionen und stellt damit quasi unser Steuerungszentrum dar. Durch das achtsame Beobachten und wertungsfreie Wahrnehmen, ähnlich einer Meditation, aktivieren wir dieses Steuerungszentrum und regulieren den Stress herunter.
Wie Sie den Butterfly Hug nutzen können
Der Butterfly Hug ist ein Werkzeug, das besonders bei starken emotionalen Zuständen, wie Stress und Angst, die Selbstberuhigung fördert. Es wurde zwar im therapeutischen Kontext eingeführt, dient gleichzeitig jedoch als hervorragende Selbstcoaching-Methode für die eigene Stress- und Emotionsregulation.
Zum Beispiel sind Sie extrem aufgeregt vor einer wichtigen Präsentation oder haben gerade eine niederschmetternde Nachricht erhalten. In solchen und vielen weiteren emotional aufwühlenden Momenten bietet sich eine kurze Anwendung dieser Selbstumarmung an. Die Länge kann dabei variieren, führen Sie die Bewegung und die innere Haltung solange aus, bis Sie eine deutliche Entspannung in Ihrem Körper spüren.
Auch in Gruppen lässt sich diese Technik durchführen, beispielsweise mit Jugendlichen oder Kindern. Stressregulation ist eine wichtige Fähigkeit, die uns nicht nur im Arbeitsalltag, sondern in jedem Alter und in jeder Lebenslage eine wertvolle Unterstützung für unser Wohlbefinden ist.
Und abschließend noch ein kleiner Tipp: Üben Sie den Butterfly Hug auch in solchen Situationen, in denen Sie nicht zwingend auf Regulation angewiesen sind. Wenn Sie diese Technik üben und immer weiter ausbauen, wird sie in sehr stressreichen Situationen noch besser zugänglich und schneller wirksam. Sie können diese Technik also trainieren.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).
Danke für diese kleinschrittige Anleitung!
Ich kann mir gut vorstellen, dass diese einfache Methode wirkt.
Ich habe noch nicht genau verstanden, ob die Hände beim Klopfen ganz abheben oder ob sich nur die Fingerspitzen bewegen. Für eine kleine Nachhilfe wäre ich dankbar.
Mit freundlichen Grüßen, Marie Ausserhofer aus Bonn
Danke, lieber Sebastian, für die geniale Anleitung mit Erklärung der Hintergründe❣️🙏🏾🦋👐
mega
Ich setze diese Technik bereits seit vielen Jahren in der Jugend- und Fluechtlingsarbeit in meinen Trainings ein….. (auch mit akuttraumatisierten, frisch Zugewanderten, alleingereisten kids, jungen Männern und Frauen). Kombiniert mit der bewussten Resonanzatmung oder achtsamen Atmung erlebe ich das immer wieder als sehr wertvoll, Ressourcen stärkend und wirkungsvoll❣️🥰
Seit meiner EmTrace Ausbildung zum emTrace©️Emotionscoach wende ich das auch gern im Coaching beim Processing an – sowohl zur Vertiefung der Ressourcen, wie auch beim Prozessieren von erlebten Stress.
@marie
Es gibt unterschiedliche Techniken
Der Grundkontakt der Handflächen bleibt meist am Körper bestehen.
Die Finger der Hände und der obere Handflaechen-Bereich schlagen im Wechsel wie der Flügelschlag des Butterfly / Schmetterlings. Handwurzel bleibt liegen.
Du kannst zudem die Daumen über Kreuz aneinander legen und auf dem Brustbein liegen lassen, wenn du möchtest. Manchen gibt das mehr (selbst)/‘Sicherheit
Andere haben die Hände lieber weit auseinander … und machen den Flügelschlag fast auf dem gegenueberliegenden Arm ( so kannst du dich am Ende schneller im Arm halten 🥰)
Beides geht und wirkt … jede und jeder spürt intuitiv was gut paßt
🦋👐
Danke noch mal liebes Resilienzteam, lieber Sebastian ( auch für all das andere Resilienz fördernde Wirken)
Wunderbar 🤩erklärt 🙏🏾🙏🏾🙏🏾
Liebe Grüße
Sascha