Die drei Phasen organisationaler Resilienz

Die drei Phasen der organisationalen Resilienz stammen aus dem Modell von Dr. Stephanie Duchek (2019). Die Unterteilung in Phasen macht verständlich, wie Resilienz im Unternehmen wirkt und welche Fähigkeiten gebraucht werden, um Resilienz nach und vor Krisen aufzubauen.

Was ist organisationale Resilienz?

Bevor wir zu den einzelnen Phasen kommen, ist es wichtig zu verstehen, was organisationale Resilienz eigentlich bedeutet. Resilienz ist nämlich nicht nur die Fähigkeit eines Menschen unbeschadet und sogar noch gestärkt aus Krisen hervor zu gehen. Sie wirkt sich auch auf Teams oder eben ganze Unternehmen aus. Im letzteren Fall spricht man dann von organisationaler Resilienz.

Diese Form der Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, flexibel auf sich verändernde Umstände zu reagieren, die Gesundheit der Mitarbeitenden und Führungskräfte zu fördern und Krisen souverän zu meistern. Laut der ISO-Norm 22316 von 2017 gibt es neun Elemente der organisationalen Resilienz:

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  • Geteilte Vision und Klarheit des Unternehmenszwecks
  • Kontexte verstehen und beeinflussen
  • Effektive und unterstützende Führung
  • Festhalten von Werten, Zielen und positiver Einstellung
  • Teilen von Informationen und Wissen
  • Verfügbarkeit von Ressourcen
  • Entwicklung und Koordination von Managementbereichen
  • Kontinuierliche Verbesserung
  • Veränderungen antizipieren und managen

Genaueres zu den einzelnen Punkten erfahren Sie HIER.

Die drei Phasen der organisationalen Resilienz

Nach Duchek ist Resilienz in Organisationen ein Prozess, der Resilienz-Fähigkeiten erfordert und gleichzeitig fördert. Der Resilienzprozess findet vor, während und nach der Krise statt, während die Fähigkeiten in den einzelnen Zeitabschnitten eine wichtige Rolle spielen. Duchek definiert Resilienz so:

Resilienz ist die Fähigkeit einer Organisation, potenzielle Bedrohungen zu antizipieren, effektiv mit kritischen Ereignissen umzugehen und aus ihnen zu lernen, um gestärkt daraus hervorzugehen.

Daraus werden die drei Phasen deutlich: Antizipation, Bewältigungsstrategie bzw. Krisenumgang und Anpassung.

Antizipation

Antizipation ist die Phase vor der Krise. Das heißt sie findet im normalen ‚Status Quo‘ statt. Unternehmen brauchen für diesen Teil der organisationalen Resilienz die Fähigkeit Veränderungen in der Umwelt zu beobachten und kritische Entwicklungen zu identifizieren. Hilfreich dabei sind Techniken, den Markt im Blick zu behalten.

Der nächste Schritt innerhalb dieser Phase ist die proaktive Handlung, also die Vorbereitung auf mögliche Krisen. Allerdings ist damit nicht das Planen für einen konkreten Krisenfall gemeint, sondern vielmehr die Entwicklung von hilfreichen Ressourcen in möglichen Krisenzeiten. Was könnte passieren und was braucht das Unternehmen dann? Je flexibler ein Unternehmen sich auf mögliche Szenarien vorbereitet, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass bedrohende Situationen vermieden werden oder mögliche negative Folgen sich nicht ganz so drastisch auf das Unternehmen auswirken.

Zusammengefasst bedeutet das, die Phase der Antizipation besteht aus:

  1. Beobachten und identifizieren von Bedrohungen
  2. Vorbereitung und Entwicklung von Ressourcen

Es braucht dafür: Verfügbarkeit von organisationalen Ressourcen.

Resilienz Akademie | Die drei Phasen organisationaler ResilienzBewältigung und Krisenumgang

Diese Phase findet während der Krise statt. Auch resiliente Organisationen können der stetigen Veränderung und Disruption durch die fortschreitende Digitalisierung nicht immer entgegenwirken. Ein resilientes Unternehmen heißt nicht, dass es nie wieder Krisen geben wird. Allerdings entscheidet sich hier, wie das Unternehmen mit der vorhandenen Krise umgeht, um möglichst schnell wieder Stabilität und Sicherheit zu erlangen.

Für einen effektiven Umgang mit unerwarteten Ereignissen gehört in diese Phase der organisationalen Resilienz eine ausgeprägte Akzeptanz. Wenn Unternehmen das Problem akzeptieren bringt das schneller in die Handlungsfähigkeit, als die Augen davor zu verschließen oder in Panik-Modus zu verfallen. Für eine Organisation ist ein Verständnis der Funktionsweise des Systems, in dem es sich bewegt, daher zentral. Nur so kann auch das Problem verstanden und akzeptiert werden. Außerdem ist eine hohe Fehlertoleranz, bzw. eine gute Fehlerkultur im Unternehmen wichtig, damit Lösungen entwickelt werden können.

Lösungen zu entwickeln und zu implementieren ist daher direkt mit der Haltung der Akzeptanz verbunden. Es geht um das Zusammenspiel aus Sinnstiftung und in Aktion treten, wobei eine gute Unternehmenskultur (gemeinsame Ziele, geteiltes Wissen, Respekt und Kollaboration) eine fundamentale Rolle einnimmt. Die zweite Phase der organisationalen Resilienz besteht also aus:

  1. Akzeptanz des Problems
  2. Entwickeln und Implementieren von Lösungen

Es braucht dafür: Soziale Ressouren.

Anpassung

Die letzte Phase in Ducheks Modell ist die Anpassung. Sie findet als reaktive Handlung nach der Krise statt und bedeutet im Grunde genommen das langfristige Lernen aus dem kritischen Ereignis. Dafür braucht es als resiliente Fähigkeit das Reflektieren des Vergangenen und das Lernen daraus. In dieser Phase ist es nicht nur wichtig aus eigenen Krisen zu lernen, sondern sich auch von ähnlichen Unternehmen und deren Bewältigungsstrategien zu profitieren. Die Reflexion und das Lernen bringen jedoch nichts, wenn die Einsichten nicht aktiv in den Unternehmensalltag eingebunden werden.

Das heißt, die wichtige Konsequenz aus der Krise ist der Wandel der Organisation. Das lässt sich auch als Lernen zweiter Ordnung beschreiben, wobei neue Werte, Normen und Praktiken entwickelt und durchgesetzt werden müssen. Als Voraussetzung für die Anpassung gilt es daher die gerade unter Stress erhöhte Resistenz des Menschen gegenüber Veränderungen zu überwinden. Damit das gelingen kann sind Macht und Verantwortungsübernahme zur Umsetzung von Veränderungen zentral, denn allein das Lernen schafft noch keine Veränderung.

Zusammengefasst heißt das, die dritte Phase der organisationalen Resilienz besteht aus:

  1. Reflexion der und Lernen aus den Ereignissen
  2. Organisationalen Wandel herbeiführen

Es braucht dafür: Macht zur Veränderung und Verantwortungsübernahme.

Resilienz Akademie | Die drei Phasen organisationaler ResilienzVerbindung der drei Phasen

Obwohl die Phasen zu unterschiedlichen Zeiten im Krisenprozess stehen, sind sie nicht strikt voneinander zu trennen. Sie bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Unternehmen brauchen alle drei Phasen für eine starke organisationale Resilienz.

Antizipation und Krisenbewältigung sind miteinander verbunden, da Unternehmen, die selbst etwas verändern wollen, auch einen besseren Blick für die Veränderungen im Außen haben. Und Bewältigung und Anpassung sind verbunden, da der Bewältigungsprozess die Grundlage für das langfristige Lernen bietet.

Jede der Phasen besteht aus einer kognitiven und einer Verhaltens-Dimension. Nur durch ein gelungenes Zusammenspiel, beispielsweise von Beobachtung und Vorbereitung, können Unternehmen in der Phase Resilienz aufbauen und stärken. Die grundlegende Basis dafür ist das vorhandene Wissen. Die Wissensbasis ist das Fundament für die Antizipation kritischer Entwicklungen, ist jedoch auch in den anderen Phasen als Grundlage für Handlungen relevant. Außerdem erweitert sich die Wissensbasis mit dem erfolgreichen Durchlaufen der drei Phasen und schafft somit die Voraussetzung, die nächste Krise besser, schneller und gesünder zu erleben. Hieran zeigt sich letztendlich die organisationale Resilienz.

Ergänzung der drei Phasen

Der Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat 2016 einen Bericht mit dem Titel „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Organisationale Resilienz“ veröffentlicht, der die drei Phasen der organisationalen Resilienz um zwei Zwischenschritte ergänzt. Bei beiden Schritten fehlt jedoch eine Anweisung oder Empfehlung der BAuA, wie Organisationen diese Phasen durchlaufen können.

Buffering

Zwischen der Antizipation und der Bewältigung fügen die Autoren (Hartwig, Kirchhoff, Lafrenz, Barth) das „Buffering“ als Abpuffern der kritischen Auswirkungen ein. Das heißt, sollte eine Störung, ein Fehler oder ein kritisches Ereignis nicht proaktiv vermieden werden in der Phase der Antizipation, mildern resiliente Unternehmen die Auswirkungen dieses Ereignisses ab, bevor es seine volle Wirkungsmacht entfaltet.

Nicht jede Störung oder Krise ist vermeidbar, doch durch das Abmildern erhöht sich die Chance, dass Unternehmensabläufe weitestgehend unbeschadet bleiben.

Recovery

Die Erholung passiert als Phase zwischen dem Bewältigungsprozess in der Krise und dem langfristigen Lernen nach der Krise. Es geht hierbei darum die Funktionsfähigkeit der Organisation nach der Krise wiederherzustellen. In dieser Phase ist es wichtig, schnellstmöglich wieder in die Handlungsfähigkeit zu kommen und zu einer anfänglichen Normalität zurückzukehren, ehe Veränderungen herbeigeführt werden können.

Wie stärken Unternehmen die organisationale Resilienz?

Eine Möglichkeit, während und nach den Phasen dauerhaft die organisationale Resilienz im Unternehmen zu fördern und nachhaltig zu integrieren, ist die Ausbildung eines Resilienz-Lotsen (SMA)®. Ein Lotse ist Mitglied der Organisation, was bedeutet, dass sich so die Lotsen-Rolle perfekt mit weiteren sozialen oder integrativen Aufgaben im Unternehmen (z.B. Fachkräfte zum Arbeitsschutz, fürs BGM oder Teamleitende) verbinden lässt. Ein Resilienz-Lotse dient als Erinnerungshelfer für Ressourcen und Ansprechpartner bei Stress. HIER lesen Sie mehr über unser Lotsen-Programm!

Eine andere Möglichkeit ist es, organisationale Resilienz besonders in der Phase der Antizipation zu stärken, und zwar als eine Art der proaktiven Resilienz. Diese Prosilienz® bedeutet das Lernen aus Krisen, die noch nicht passiert sind. In Form eines Planspiels der Resilienz-Akademie lernen Teams Krisen durchzuspielen und bauen so organisationale Resilienz auf, ohne sich einer realen Bedrohung durch eine Krise zu stellen. Prosilienz® ist die Fähigkeit aus zukünftigen Situationen zu lernen und so für kommende Krisen einen starken mentalen Schutzschild aufzubauen.

Wofür brauchen Unternehmen organisationale Resilienz?

Organisationale Resilienz ist der Schlüssel Sicherheit und Stabilität in einer unsicheren und sich rasch verändernden Arbeitswelt zu fördern. Es wird immer Veränderungen geben, sei es durch neue Technologien, durch neue Konkurrenten oder wirtschaftliche und politische Einflüsse.

Wenn Unternehmen künftige Bedrohungen antizipieren, in Krisensituationen effektiv handeln mit dem Vertrauen auf soziale Ressourcen und sich anpassen, um aus Krisen zu lernen, dann sind Sie in der Lage erfolgreich und langfristig am Markt Bestand zu haben. Ein resilientes Unternehmen kann in der heutigen VUCA-Welt nicht nur überleben, sondern auch gedeihen und künftige Krisen besser und unbeschadeter überstehen.


Resilienz Akademie | Die drei Phasen organisationaler ResilienzSebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).

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