Meta-Emotionen – Resilienz und die Einstellung gegenüber unseren Emotionen

In der Psychologie werden Emotionen klassischerweise in positive und negative Emotionen unterteilt. Zum Beispiel werden Emotionen wie Liebe, Freude oder Interesse als positiv beschrieben. Wohingegen Trauer, Angst und Ärger negativ konnotiert sind. Und uns im Alltag geht es auch so, dass wir Angst, die wir in manchen Situationen als unangenehm empfinden, so negativ besetzen, dass unsere Bewertung sogar eine neue Emotion hervorruft, wie zum Beispiel Scham. Das sind dann Meta-Emotionen.

Im Folgenden schauen wir uns einerseits an, was Meta-Emotionen auslöst und andererseits, wie wir unsere Bewertung über Emotionen nutzen können, um unsere Resilienz zu fördern.

Warum gibt es Meta-Emotionen?

Meta-EmotionenWir freuen uns auf die Angst beim Achterbahn-Fahren, wir ärgern uns über Tränen oder Schämen uns für unsere Schadenfreude. Emotionen sind eine komplexe Angelegenheit. Sie sind oft nicht schwarz oder weiß und können sich vermischen, wie beispielsweise bei der Mischemotion „Berührtsein“ (Freude + Trauer) (Eilert, 2020). Unser Gefühlsleben ist verwoben und oft auch selbstreflexiv.

Ein zentraler Grund für Meta-Emotionen sind unsere Glaubenssätze. Solche Glaubenssätze sind zum Beispiel, dass man als Mädchen keinen Ärger zeigen soll, oder als Junge nicht weint. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, und ähnliche Sprüche lehren uns, wie wir mit Emotionen umgehen sollen – Nur leider auf eine sehr dysfunktionale Art und Weise. Denn sie vermitteln, dass manche Emotionen okay sind und andere nicht. So fließen diese gelernten „Emotionsregeln“ in uns unterbewusst ein und produzieren meist abhängig vom Kontext und von der Emotion solche Meta-Emotionen.

Was sind Meta-Emotionen?

Der Emotionsforscher John Gottman veröffentlichte 1996 mit seinen Kolleginnen Lynn Katz und Carole Hooven einen Artikel, der das Konzept der „parental meta-emotions“ vorstellt (Gottman, Katz, & Hooven, 1996). Meta-Emotionen seien die Emotionen, die Eltern gegenüber ihren eigenen Emotionen und gegenüber den Emotionen ihrer Kinder haben, die einen Einfluss auf die Erziehung und Beziehungsqualität haben. Es geht also um die Einstellung gegenüber der eigenen Emotionen, wie auch Emotionen im Generellen.

Der Unterschied zwischen Emotionen, Gefühlen und Stimmungen

An dieser Stelle müssen wir kurz definieren, was wir überhaupt unter einer Emotion verstehen. Nach Eilert (2020) sind Emotionen „kurze, bio-psycho-soziale Reaktionen auf spezifische Ereignisse, die Konsequenzen für unser Wohlbefinden haben und meist eine sofortige Handlung erfordern“. Das bedeutet, Emotionen:

  • sind zielgerichtet und bezogen auf einen bestimmten Auslöser, der sowohl in der Umwelt als auch in der eigenen Gedankenwelt liegen kann
  • nur sehr kurz
  • wirken sich auf den Hormonhaushalt des Körpers aus
  • sie zeigen sich als Form der Kommunikation

Das Besondere an diesen Reaktionen ist, dass wir sie nicht immer spüren. Zum Beispiel die Emotion Interesse nehmen wir selten als solche wahr, wohingegen wir Angst je nach Auslöser sogar sehr deutlich spüren. Wenn wir aber in bewussten Kontakt mit unseren Emotionen kommen, sprechen wir von Gefühlen. Diese halten auch noch an, nachdem die Emotion an sich schon abgeklungen ist. Zum Beispiel das Gefühl von Freude spüren wir vielleicht an einem warmen Kribbeln in den Armen und Beinen oder an einer Leichtigkeit in der Brust – und das, obwohl die Emotion und die damit einhergehende Hormonausschüttung schon längst geschehen ist. Hier ist die Wahrnehmung von somatischen Markern hilfreich.

Eine Stimmung ist dagegen gewissermaßen wie ein Hintergrundrauschen an Emotionen. Zum Beispiel können wir melancholisch gestimmt sein, obwohl der Trauer-Auslöser schon sehr lange her ist oder gar keinen konkreten Bezugspunkt hat. Ein Gefühl kann nicht den ganzen Tag anhalten, eine Stimmung dagegen kann sogar Tage lang bestehen.

Bei Meta-Emotionen beziehen wir uns also auf die kurzen, bio-psycho-sozialen Reaktionen.

Beispiele für Meta-Emotionen

Im Folgenden finden Sie ein paar Beispiele für Meta-Emotionen, die Sie durch Ihre eigenen Erfahrungen gerne ergänzen können.

Meta-Emotionen über eigene Emotionen:

  • Scham vor der Sprech-Angst bei einem Vortrag
  • Ärger über die Trauer, ein wichtiges Fußballspiel verloren zu haben

Meta-Emotionen über Emotionen anderer:

  • Freude über die Angst anderer beim Erschrecken
  • Ärger über die Freude, die der andere beim Erschrecken hat
  • Freude über die Freude anderer (Positivitätsresonanz)

Meta-Emotionen über Stimmungen:

  • Ärger über Langeweile
  • Angst vor der nächsten depressiven Episode

Dabei ist wichtig zu bedenken, dass bei den Meta-Emotionen gewissermaßen ein Matruschka-Prinzip besteht. So können auch Meta-Emotionen weitere Emotionen auslösen. Ich habe Angst, dass ich in meinem Ärger über die eigene Trauer etwas kaputt machen könnte, beispielsweise. Besonders in Coaching und Therapie ist das emotionale „Schichten pellen“ eine zentrale Aufgabe.

Leider haben gerade die Meta-Emotionen über unsere eigenen Emotionen und Stimmungen den Nachteil, dass sie auch dysfunktional sein können. So kann ich meine Trauer nicht verarbeiten, wenn ich vorrangig den Ärger spüre. Es kann sogar sein, dass der Ärger dann unnatürlich stark ausfällt. Aus diesem Grund ist es wichtig, Meta-Emotionen zu erkennen und zu regulieren.

Wie Sie resilient mit Meta-Emotionen umgehen

EmotionsregulationNatürlich sind nicht alle Meta-Emotionen stressauslösend. Zum Beispiel ist die Freude über die Freude anderer, auch als Positivitätsresonanz oder Mitfreude bekannt, eine große emotionale Ressource. Doch es gibt auch Emotionen, die emotionalen Stress begünstigen. Um resilient mit eben diesen Meta-Emotionen umzugehen, helfen zwei wichtige Unterscheidungen. Diese sind nicht nur für Meta-Emotionen, sondern generell für Emotionsregulation und Resilienz zentral. So drücken dann auch weniger Menschen die Knöpfe auf Ihrer Gefühlsfernbedienung.

Angenehme und unangenehme Emotionen

Weil die sogenannten „negativen“ Emotionen eine Auswirkung auf unser System haben, ist es wichtig sie als Meta-Emotion zu erkennen. Dann können wir angemessen auf sie reagieren und sie lösen. Der erste Schritt dafür ist eine generelle Haltung gegenüber Emotionen. Dazu ein wichtiger Leitsatz:

Es gibt keine positiven und negativen Emotionen, sondern angenehme und unangenehme.

Die Unterscheidung in angenehm und unangenehm ist insofern gesundheitsfördernd, denn sie schafft eine höhere Akzeptanz aller Emotionen. Wenn wir beispielsweise Angst als „negative“ Emotion begreifen, fördern wir eher ebenso unangenehme Meta-Emotionen über die Angst, wie zum Beispiel Scham. So kann diese neutralere Unterteilung einen großen Teil dazu beitragen, dass wir gesünder mit unserem Emotions-Portfolio umgehen.

Der Resilienzfaktor der Selbstwahrnehmung hilft dabei, unangenehme Emotionen, bzw. vielmehr die Resonanz der unangenehmen Emotionen im Körper, zu spüren. Je mehr Sie trainieren, Ihre eigenen Emotionen zu spüren und zu erkennen, desto besser können Sie auch Meta-Emotionen erkennen.

Funktionale und dysfunktionale Emotionen

Ich habe bereits erwähnt, dass Meta-Emotionen oft dysfunktional sind. Wir unterscheiden demnach nicht nur in angenehm und unangenehm, sondern auch in funktional und dysfunktional. Dieser Unterscheidung liegt ein weiterer zentraler Grundsatz für emotionale Gesundheit und Resilienz zugrunde:

Emotionen haben die Funktion unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Angenehme Emotionen sind Hinweise auf erfüllte Bedürfnisse, unangenehme Emotionen sind Hinweise auf unerfüllte Bedürfnisse.

Nicht umsonst leitet sich das Wort „Emotion“ vom lateinischen „movere“ ab, was so viel wie „bewegen“ bedeutet. Emotionen sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Motivation – quasi Bedürfniserfüllungs-Gehilfen. Und die vorherrschende Emotion zeigt ganz genau an, welches Bedürfnis gerade erfüllt werden soll, bzw. erfüllt ist. Der Ansatz der Mimikresonanz® beschäftigt sich tiefgreifend mit dem Hintergrund der Emotionen sowie dem nonverbalen Ausdruck. Eine Übersicht über die wichtigsten Emotionen finden Sie in meinem Buch: Immun gegen Probleme, Stress und Krisen.

Beispiel

Schauen wir uns hierzu am besten ein Beispiel an:

Trauer lässt sich als unsere Hüterin der Werterinnerung verstehen. Mal angenommen, Sie verlieren ein für Sie wichtiges Fußballspiel, und verspüren nun Trauer. Doch Ihre Mannschaftskollegen haben Ihnen schon häufig gesagt, dass Sie zu emotional sind und sich die Spiele nicht so zu Herzen nehmen sollen. Aus diesem Grund schämen Sie sich für Ihre Trauer. Scham wird dann ausgelöst, wenn wir eine negative Bewertung von außen befürchten. Allerdings fällt es uns schwer, das Bedürfnis der Trauer zu erfüllen, also die Wertbewahrung, wenn wir vorrangig die Scham spüren.

So erfüllt zwar Scham seine Funktion, die Mannschafts-Kammeraden zu beschwichtigen und nicht erneut negativ bewertet zu werden. Doch diese Meta-Emotion blockiert die Funktion von Trauer, nämlich die Wiedererlangung der eigenen Ressourcen (womöglich durch den Trost von anderen). Wir können diese Emotion nicht verarbeiten, was dazu führen kann, dass es an anderer Stelle zu einer emotionalen Entladung kommen kann – die Trauer gewissermaßen herausbricht.

Glaubenssätze lösen

Wir können emotionalen Stress vermeiden, wenn wir uns unserer Glaubenssätze und Einstellungen gegenüber Emotionen bewusst werden und ungünstige Glaubenssätze lösen. Die Erkenntnis, dass es unangenehme und angenehme Emotionen gibt, und sowohl als auch eine wichtige Funktion für uns erfüllen, hilft dabei, die eigenen Emotionen zu akzeptieren.

Mein Kollege Dirk Eilert, der Entwickler der Mimikresonanz®-Methode, nutzt für unser emotionales Team die Metapher einer Fußballmannschaft. Und welcher gute Trainer würde schon sagen: „Heute spielen wir ohne Abwehr“? Dementsprechend macht es für unsere emotionale Gesundheit auch wenig Sinn, manche Emotionen nicht spüren zu wollen. Denn in jeder Emotion steckt die Kompetenz ein wichtiges Bedürfnis zu erfüllen.

Stärken Sie Ihre Selbstwahrnehmung, um herauszufinden, ob Ihnen bei bestimmten Emotionen situationsspezifisch oder sogar situationsübergreifend Meta-Emotionen begegnen. Vielleicht haben Sie generell Schwierigkeiten beispielsweise Trauer oder Ärger zu empfinden, bzw. zu zeigen. Dahinter können sich Glaubenssätze verbergen.

Es gibt verschiedene Arten der Glaubenssatzarbeit. Eine davon ist PEP® nach Dr. Bohne, auch als „Klopftechnik“ bekannt. Diese Kombination aus bifokal-multisensorischer Intervention und psychodynamisch/systemischen Strategien hilft beim Verarbeiten dysfunktionaler Emotionen und einhergehender Glaubenssätze. Dr. Bohne spricht hier vom „Kurbeln“, was eine Handbewegung unterhalb des Schlüsselbeins mit einem Satz kombiniert. Die Struktur hier lautet „auch wenn ich … (hier wird der Glaubenssatz genannt), liebe und akzeptiere (als eine von vielen möglichen Formulierungen) ich mich, so wie ich bin.“

Gerne empfehlen wir Ihnen Coaches, die sich auf die Arbeit mit Glaubenssätzen spezialisiert haben. Melden Sie sich im unten stehenden Kontaktformular.

Affect Labeling

Ein weiterer, sehr viel unscheinbarer Wirkmechanismus, ist das sogenannte Affect Labeling. Denn allein das Benennen von Emotionen hat bereits eine regulierende Wirkung, wie Studien zeigen könnten (z.B. Creswell et al. 2007). Ich nenne dieses Phänomen auch den Lord-Voldemord-Effekt, in Anlehnung an den Antagonisten der Harry Potter-Reihe. Allein etwas bei seinem Namen zu nennen – also Lord Voldemord zu sagen anstelle von „Du weißt schon wer“ – nimmt dem Schrecken die Kraft. Und ebenso funktioniert es auch bei unangenehmen Emotionen.

Meine Trauer als solche zu benennen hat schon einen kurativen Einfluss. Und je hoher unsere Selbstwahrnehmung, in Kombination mit Emotionswissen, desto besser können wir diesen „name it to tame it“-Effekt im Alltag nutzen. Dann kann schon ein Satz wie „Ich ärgere mich gerade über meinen Ärger“ einen Unterschied machen.

Wozu Meta-Emotionen nützlich sind

Wir alle sind sehr komplexe Wesen, wozu auch gehört, dass Emotionen nicht nur durch Trigger von außen ausgelöst werden. Sondern wir auch Emotionen über unsere eigenen Emotionen haben. Unsere impliziten Einstellungen beeinflussen die Meta-Emotionen über die eigenen Emotionen.

Meta-Emotionen zeigen uns genau so wie „normale“ Emotionen an, was uns wichtig ist, welches Bedürfnis erfüllt oder unerfüllt ist. Es ist nützlich Meta-Emotionen als solche zu erkennen, weil sie dazu beitragen, uns selbst besser zu verstehen und aufkommenden emotionalen Stress zu lösen.


Resilienz Akademie | Meta-Emotionen – Resilienz und die Einstellung gegenüber unseren EmotionenSebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, war und ist Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des jährlichen Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich bereits mit über 150 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen ausgetauscht hat (www.Resilienz-Kongress.de).

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1 Kommentar zu „Meta-Emotionen – Resilienz und die Einstellung gegenüber unseren Emotionen“

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