Bleiben Sie gesund. Diese Phrase haben Sie sicherlich in letzter Zeit häufiger gehört. Zu kaum einer Zeit war Gesundheit ein so hohes Gut wie jetzt. Doch was bedeutet eigentlich „gesund bleiben“ und wie schaffen wir das? Hier finden Sie Antworten auf diese Fragen.
Was bedeutet Gesundheit?
Der erste Schritt auf einer Reise ist in der Regel die Bestimmung des Ziels. Wenn ich mir vornehme, gesund zu bleiben, muss ich wissen, was eigentlich „gesund“ bedeutet. Um gesund zu bleiben muss ich schließlich wissen, ob ich bereits gesund bin.
Im Großen und Ganzen ist gesund bleiben ein Konzept, das jedem und jeder von uns vertraut ist. Dennoch dürfte es den meisten schwerfallen, es genau zu definieren. Was ist Gesundheit überhaupt?
Allgemein verstehen wir Gesundheit in Abgrenzung zu Krankheit. Das heißt, jemand ist dann gesund, wenn er keine Symptome zeigt, Krankheit also abwesend ist. Besonders in unserem Gesundheitssystem ist diese Verwendung geläufig. Aus soziologischer Perspektive zählt zu dem Begriff jedoch auch die körperliche und soziale Leistungsfähigkeit. Bei Gesundheit ist das ‚normale Funktionieren‘ im Alltag möglich.
Die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) definiert in ihrer Satzung Gesundheit wie folgt: „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen“ (frei übersetzt). Hier zählt also mehr als die biomedizinische Betrachtungsweise, nämlich die Multidimensionalität von Gesundheit.
Warum gesund bleiben mehr ist als „nicht krank sein“
Die WHO setzte als Grundlage ihrer Organisation fest, dass Gesundheit nicht nur das Gegenteil von Krankheit ist. Aber warum? Schließlich bringt die Unterscheidung von krank und gesund eine sehr klare Trennlinie. Bei dieser Trennlinie vergessen wir allerdings die vielfältigen Einflussgrößen, die sich auf unser Wohlbefinden auswirken. Denn nicht nur eine diagnostizierte Krankheit hat darauf Einfluss.
Eine solche Dichotomie bedeutet eben nicht, dass kranke Menschen sich durchaus auch gesund fühlen können, sowie medizinisch gesunde Menschen sich krank fühlen. Stress ist eine dieser Einflussgrößen, die sich auf unser Wohlbefinden auswirken, ohne dass es zu einer „Krankheit“ wie z.B. Burnout oder Magengeschwüren kommen muss.
Die Salutogenese, als Konzept der Entstehung von Gesundheit, befasst sich genau mit diesem Ansatz. Aus salutogener Perspektive ist auch die Definition der WHO zu eng gefasst. Denn Gesundheit wird hierbei nicht als Zustand gesehen, sondern als Momentaufnahme in einem Gesundheit-Krankheits-Kontinuum. Wir bewegen uns stetig zwischen diesen beiden Polen und sind deshalb nicht krank oder gesund, sondern bewegen uns auf den einen oder den anderen Pol zu.
Gesund bleiben ist damit keine Aufrechterhaltung irgendeines Status Quo, sondern eine kontinuierliche Tendenz Richtung Gesundheit.
Gesundheit als Status
Was bedeutet Gesundheit nicht nur inhaltlich, sondern als Funktion für uns in der Gesellschaft? Gerade in einer Pandemie wird der Wert der Gesundheit, wie wir alle erfahren haben, sehr hoch geschätzt. Gesund bleiben ist ein Zeichen der Ganzheit, wohingegen Krankheit, besonders wenn es sich um psychische Krankheiten handelt, ein Ruf der Schwäche und des Gebrochen-seins anhaftet.
Wenn wir uns noch einmal an die soziologische Perspektive auf Gesundheit erinnern, so verwundert dieses Stigma nicht. Krankheit bedeutet dann, ein nicht normal funktionierender Mensch zu sein. Auch Resilienz, die Fähigkeit Krisen ohne Krankheit zu überstehen, untersteht in vielen Fällen dieser Stigmatisierung. Resilienz ist nicht nur die Fähigkeit, auch bei Stress leistungsfähig zu sein und möglichst robust zu sein. Es ist die Fähigkeit, sich auf dem Kontinuum in Richtung Gesundheit zu bewegen.
Megatrend Gesundheit
Da Gesundheit immer weiter auch mit Status einhergeht, verwundert es nicht, dass es sich zu einem regelrechten Megatrend entwickelt. Zum einen macht sich der Gesundheitstrend im Privatleben bemerkbar. Smart-Watches und Fitness-Tracker begleiten uns rund um die Uhr und überwachen Schlaf, Bewegung, Ernährung oder Menstruationszyklen. Auch die mentale Gesundheit findet immer mehr Einzug in die Gesundheits-App-Industrie. Gesundheit wird immer digitaler und immer omnipräsenter. Aber es liegt nicht nur länger in der Verantwortung des Einzelnen, seine Gesundheit zu beobachten.
Denn auf der anderen Seite ist Gesundheit als Trend auch bei Arbeitgebenden angekommen. Es geht nicht länger schlicht darum Krankheitstage zu minimieren. Stattdessen geht es auch darum, gesunde und zufriedene Arbeitskräfte zu schaffen. Beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement liegt der Fokus immer stärker auch auf dem gesunden Umgang mit Stress und Krisen, einem ergonomischen Arbeitsplatz und einer fördernden Arbeitsatmosphäre.
Zusammenfassend lässt sich der Einzug der Gesundheit in so gut wie alle Lebensbereiche dadurch erklären, dass es immer mehr zu einer ganzheitlichen Betrachtung von Gesundheit kommt. Es gibt nicht länger eine Grenze zwischen der Umwelt und der eigenen Gesundheit. Körper und Kontext sind eng miteinander verschmolzen und nur aus beidem zusammen entsteht Gesundheit.
Gesund bleiben mit Resilienz
Wenn wir hier von gesund bleiben sprechen, ist damit gemeint, sich von seinem jetzigen Standpunkt zur Gesundheit, also zu ganzheitlichem Wohlbefinden, zu tendieren. Wie geht das? In der Pandemie lernten wir, gesund bleiben bedeutet sich von Krankheit und von krankheitsübertragenden Menschen fern zu halten. Dass das Unterbinden von Kontakten jedoch ebenfalls nicht förderlich für die Gesundheit ist, sehen wir an den mentalen Folgen. Zum Beispiel zeigte eine Studie, dass die mentale Gesundheit von Kindern und Eltern in der Pandemie gesunken ist.
Um in Krisen gesund zu bleiben, ist Resilienz eine wertvolle Fähigkeit. Sie dient als eine Art inneres Immunsystem, um flexibel mit Stress und Belastung umzugehen. Im Folgenden finden Sie 3 Tipps, wie Sie mit Resilienz Ihre Gesundheit fördern können.
Resilienz-Tipp: Selbstwahrnehmung fördern
Sicherlich kennen Sie schon einen ganzen Haufen an Tipps und Tricks, die Ihnen dabei helfen, Ihre Gesundheit zu fördern. Viel Wasser trinken, gesund essen, körperliche Betätigung etc. Dabei ist eine Sache elementar, wenn Sie ihre Gesundheit dauerhaft stärken wollen: Fördern Sie Ihre Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung.
Mit einer guten Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen – körperlich und mental – schaffen Sie die Grundlage, generelle Veränderungen auf dem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit zu erfassen und aktiv zu werden. Denn der Übergang von Wohlbefinden zu Unwohlsein kommt nicht plötzlich, sondern nach und nach. Selbstwahrnehmung unterstützt Sie dabei, diese graduellen Unterschiede zu merken, bevor sie sich in körperlichen Symptomen äußern.
Hier eine kleine praktische Übung, um die Selbstwahrnehmungsfähigkeiten zu trainieren:
- Nehmen Sie eine bequeme Position ein.
- Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Körper. Spüren Sie, wie Ihre Füße den Boden berühren und Ihre Arme die Armlehne oder den Tisch. Spüren Sie in Ihren Bauch hinein, in Ihre Brust. Wo in Ihrem Körper spüren Sie gerade Entspannung, wo vielleicht Anspannung?
- Nehmen Sie alle Körperempfindungen, sowie alle Gedanken und Gefühle, die in Ihnen beim Beobachten aufkommen, bewertungsfrei wahr.
- Atmen Sie einmal tief ein und aus und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder auf diesen Text ;)
Bei der Selbstwahrnehmung geht es darum, das Momentane bewertungsfrei wahrzunehmen und anzunehmen. Wenn Sie sich regelmäßig mit Ihren Empfindungen, körperlich und gedanklich, auseinandersetzen, stärken Sie Ihre Selbstwahrnehmung und können frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um gesund zu bleiben.
Resilienz-Tipp: Regeneration fördern
Ihr System kann nur dann gesund bleiben, wenn Sie ihm ausreichend Zeit zur Regeneration geben. Eine hohe Regenerationsfähigkeit ist ebenfalls unabdingbar, um die eigene Gesundheit zu fördern.
In diesem Video erfahren Sie, was erholsamer Schlaf bedeutet und wie Sie ihn erreichen.
Neben gesundem Schlaf helfen auch schon kleine, bewusste Pausen, damit Sie Belastungen flexibler begegnen können. Schon 5 Minuten genügen, damit Sie Kraft tanken können.
Resilienz-Tipp: Gesundheit fördern ist eine lebenslange Aufgabe
Machen Sie sich bewusst, dass weder Krankheit noch Gesundheit festgelegte Zustände sind. Weil es sich um ein Spektrum an gesunden oder kranken Zuständen handelt, ist es für niemanden „zu spät“ sich um seine Gesundheit zu bemühen. Gerade das verdeutlicht das Bild des Gesundheits-Krankheits-Kontinuums. Gesund bleiben ist eine Lebensaufgabe. Sie können immer daran arbeiten, Ihre Gesundheit zu fördern. So können Sie auch ein Leben lang Ihre Resilienz trainieren.
Eine ungesunde Mahlzeit in der Woche ist kein Risikofaktor für Gesundheit. Andersherum gleicht ein Spaziergang in der Woche keine ungesunde Sitzhaltung für den Rest der Woche aus. Sie können viele kleine Dinge tun, die Sie immer ein kleines Stück weiter auf der Skala in Richtung Gesundheit wandern lassen. Das Wichtigste ist, gesunde Gewohnheiten zu etablieren, die sie dauerhaft und ohne in Ihrem Alltag umsetzen können.
Gesund bleiben, gesund werden und gesund sein
Die Antwort auf die Frage, wozu es sich lohnt, die eigene Gesundheit zu fördern, erübrigt sich wohl. Wir haben ein natürliches Streben nach Wohlbefinden, weshalb uns gesund zu bleiben auch so wichtig ist. Wie weit wir dafür gehen uns selbst und vor allem auch andere zu schützen, hat die Corona-Pandemie sehr gut gezeigt.
Gibt es nun einen Unterschied zwischen gesund bleiben, gesund werden und gesund sein? Im Grunde genommen nicht. Wir sind nicht per se gesund oder krank, wir können dementsprechend auch nicht gesund bleiben oder werden. Wir können versuchen uns von Krankheitserregern fern zu halten. Oder wir trainieren unsere Resilienz und schützen uns so vor psychischer Beeinträchtigung in und nach Krisen. Das Wichtigste ist jedoch, dass Sie aktiv selbst Ihre Bewegung in Richtung Gesundheit beeinflussen können.
Abschließend, bleibt mir noch eines zu sagen: Bleiben Sie gesund!
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).