Die Welt wird immer digitaler: Online-Shopping übernimmt die Einkaufsgewohnheiten, Video-Anrufe ersetzen Besuche bei Freunden oder Verwandten und das Stöbern in den sozialen Medien drängt sich routinemäßig immer wieder in den Tagesablauf. Wir sind umgeben von Technologie – und das zeigt sich auch deutlich in der Arbeitswelt.
Technologische Innovationen verbessern und verschnellern Arbeitsabläufe, jedoch zu einem hohen Preis. Denn digitaler Stress wird somit zu einem weiteren Faktor einer zu hohen Arbeitsbelastung, der Burn-out und weitere psychische Krankheiten fördert. Die Lösung, um gesund mit digitalem Stress umzugehen, ist Resilienz.
Was ist digitaler Stress?
Digitaler Stress entsteht aus verschiedenen Belastungsfaktoren. Auf der einen Seite empfinden wir Stress im Umgang mit digitalen Technologien, wenn wir unsere Medienkompetenz als unzureichend für die Aufgabenbewältigung ansehen. Auf der anderen Seite kann auch angepasste Nutzung der Medien überfordern, wenn sie zu intensiv und zu undurchsichtig ist oder zu viele verschiedene Medien gleichzeitig genutzt werden.
Digitaler Stress hat dabei genau die gleichen Auswirkungen auf das körperliche und geistige Wohlbefinden wie ‚analoger‘ Stress durch beispielsweise Konflikte mit Vorgesetzten. Die daraus resultierende permanente Anspannung im Beruf führt ohne passende Regeneration zu dauerhaftem Stress und beeinträchtigt die Gesundheit.
Lesen Sie sich hierzu gerne unseren Artikel „Digitaler Stress – Wie Technik krank macht“ durch.
Belastungsfaktoren und resiliente Lösungen
Im Zuge einer Befragung von über 5.000 Erwerbstätigen stellt die Studie „Gesund digital arbeiten?! Eine Studie zu digitalem Stress in Deutschland“ zwölf Belastungsfaktoren für digitalen Stress als Ergebnis vor. Wichtig zu beachten ist dabei, dass diese Faktoren nicht automatisch zu Stressreaktionen führen. Schließlich kommt es auf die individuelle Bewertung des Faktors an: Jeder Mensch besitzt über individuelle Erfahrungen, Bewältigungsstrategien, Haltungen, Persönlichkeiten und Fähigkeiten, die den Umgang mit potenziellen Belastungen und das daraus resultierende Stressempfinden bestimmen.
In diesem Abschnitt lesen Sie über die einzelnen Belastungsfaktoren und dazugehörige resiliente Lösungsansätze.
Leistungsüberwachung
Belastung:
Die technologische Innovation macht das Sammeln und Auslesen von Daten immer einfacher. Insbesondere, wenn Mitarbeitende sich mit persönlicher Kennung in Systeme einloggen, entsteht schnell die Befürchtung, die gesammelten Daten könnten zurückverfolgt und der eigenen Leistung zugeordnet werden. Das steigert das Gefühl der Überwachung und auch des Konkurrenzdrucks, weil so allein die Daten der Mitarbeitenden verglichen werden könnten.
Lösungsansatz:
Hier spielt der kontextuelle Schutzfaktor Transparenz eine zentrale Rolle. Unternehmen sollten Ihren Mitarbeitenden offen darlegen, wie und wann Daten gesammelt und wozu diese verwendet werden. Ebenso ist dabei der salutogene Faktor Sinnhaftigkeit maßgeblich. Wenn Mitarbeitende den Sinn hinter dem persönlichen Einloggen und Sammlung der Daten verstehen, schwächt das das Gefühl der permanenten Leistungsüberwachung.
Gläserne Person
Belastung:
Die Belastung ist hier ähnlich wie bei der Leistungsüberwachung. Es geht darum, dass Arbeitende das Gefühl haben, ihre Privatsphäre durch die Nutzung digitaler Medien nicht ausreichend schützen zu können, weil unklar ist, welche Daten gespeichert und verarbeitet werden. Besonders an Arbeitsplätzen mit Rechercheaufgaben oder der Nutzung verschiedenster Medien steigt die emotionale Erschöpfung durch die gefühlte Verletzung der Privatsphäre.
Lösungsansatz:
Ein zentraler Schutzfaktor im Umgang mit dieser Befürchtung ist die psychologische Sicherheit zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften. Zum einen braucht es dafür die Transparenz, welche Daten wozu gesammelt werden und auch die wertschätzende Kommunikation, dass die Privatsphäre geschätzt wird. Ein umfängliches Datenschutzkonzept kann ein erster Schritt in die Richtung Sicherheit sein.
Unzuverlässigkeit
Belastung:
Technik ist nicht unfehlbar, obwohl wir bei der Arbeit oft diesen Anspruch haben. Gerade deswegen löst Unzuverlässigkeit in Form von instabilen Systemen oder häufigen Fehlfunktionen Stress aus. Zum Beispiel, wenn gespeicherte Daten durch einen Fehler im System verloren gehen, sorgt das für Mehrarbeit und Gereiztheit beim Arbeitenden – der Stresspegel steigt.
Lösungsansatz:
Unternehmen erkennen unzuverlässige Technologien, nehmen Beschwerden von Arbeitnehmenden wahr und führen erhöhte technologische Standards ein. Hierbei geht es zum einen darum, die Probleme der Mitarbeitenden wertzuschätzen und zum anderen an konkreten Lösungen zu arbeiten. So können beispielsweise Cloud-Systeme (mit Transparenz über den Datenschutz) für mehr Sicherheit im Umgang mit unzuverlässigen Technologien sorgen.
Unterbrechung
Belastung:
Besonders die Kommunikationswege sind vom technologischen Fortschritt betroffen. Die Vielzahl an Kommunikationstool, die womöglich alle noch auf eine neue Benachrichtigung aufmerksam machen, sorgt für permanente Unterbrechungen und schwächt konzentriertes Arbeiten.
Lösungsansatz:
Ein wichtiger Schutzfaktor im Umgang mit Unterbrechungen ist die Selbstwirksamkeit. Das heißt, wenn den Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben wird, Benachrichtigungen zu konfigurieren, störungsfreie Zeiträume oder Stillarbeitsplätze einzurichten, stärkt das die Selbstwirksamkeit bei Unterbrechungen. Ein weiterer Lösungsansatz ist die Umdeutung einer Unterbrechung durch eine Nachricht. Jedes Klingeln wird so zur Erinnerung einen Schluck Wasser zu trinken, einmal tief durchzuatmen oder sich kurz zu strecken.
Überflutung
Belastung:
Digitale Technologien ermöglichen eine hohe Menge an bereitgestellten Informationen. Das führt zu einer wahrgenommenen Überflutung an Informationen und sorgt für ein Gefühl von Beschleunigung und zunehmender Arbeitslast.
Lösungsansatz:
Gesund mit dem digitalen Stress umgehen bedeutet in Bezug auf Überflutung die eigenen Kontrollüberzeugungen zu stärken. Das heißt, Mitarbeitende sollten selbst einrichten können, welche Informationen als Benachrichtigung bei ihnen erscheinen. Zum Beispiel kann ein aktives Erreichbarkeitsmanagement dafür sorgen, dass Arbeitsaufträge nicht ständig als Push-Benachrichtigungen angezeigt oder Arbeitsaufgaben in haptischer Form erledigt werden, um das Gefühl zu verstärken etwas „weg“ zu arbeiten.
Verunsicherung
Belastung:
Durch stetige Erneuerung oder Veränderungen digitaler Techniken und Medien entsteht auch vermehrt Verunsicherung. Die Medienkompetenz muss laufend angepasst und Arbeitsgewohnheiten verändert werden. Das sorgt für Unsicherheit und Frustration im Umgang mit Technologien.
Lösungsansatz:
Hierbei liegt es in der Verantwortung des Unternehmens die salutogenen Faktoren Verstehbarkeit und Machbarkeit zu fördern. Das heißt, bei der Einführung neuer Technologien brauchen Mitarbeitende genügend Einarbeitungszeit für neue Systeme oder die Möglichkeit an Schulungen teilzunehmen. Besonders eine koordinierte Überbrückung von der alten zur neuen Technologie ist dabei sinnvoll. Das stärkt die Schutzfaktoren der Resilienz Orientierung und Akzeptanz.
Nicht-Verfügbarkeit
Belastung:
Tatsächlich kann nicht nur die geforderte Nutzung von digitalen Technologien zu Stress führen, sondern auch mögliche Restriktionen und die Nicht-Verfügbarkeit digitaler Lösungen. Zum Beispiel, wenn das Unternehmen die Nutzung von USB-Sticks oder Cloud-Links untersagt, die Versende-Kapazität von E-Mails jedoch zu klein ist.
Lösungsansatz:
Eine zielgerichtete und klare Kommunikation ist hierbei der Schlüssel für den gesunden Umgang mit digitalem Stress. Mitarbeitende sollten Probleme in Bezug auf fehlende Möglichkeiten frei kommunizieren können und Unternehmen sollten transparent machen, warum oder wozu die Restriktionen in der Technologie bestehen. Gemeinsam kann dann an Lösungen gearbeitet werden, die Arbeitsabläufe erleichtern und verbessern – Im Sinne des Unternehmens und der Mitarbeitenden.
Unklarheit der Rolle
Belastung:
Im Zusammenhang mit der Unzuverlässigkeit von Technik geht die Unklarheit der Rolle einher. Damit ist gemeint, dass die Arbeitenden sich im Zwiespalt befinden, das technische Problem zu lösen oder den eigentlichen Arbeitsaufgaben nachzukommen.
Lösungsansatz:
Ein wichtiger Schutzfaktor der Resilienz im Umgang mit digitalem Stress ist das Bereitstellen von Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen seitens des Unternehmens. Das kann zum Beispiel darin bestehen einen höheren technologischen Standard von Anwendungen einzuführen, oder ein Help Desk mit einer hohen Erreichbarkeit zu implementieren. Zentral ist die Rollen- und Aufgabenklärung. Damit keine Zwickmühlen entstehen ist es wichtig für Mitarbeitende, ihre Zuständigkeit bei technischen Problemen mit dem Unternehmen zu klären.
Komplexität
Belastung:
Einhergehend mit technologischen Entwicklungen steigt auch die Komplexität. Beispielsweise bestehen für einen Arbeitsplatz eine Vielzahl an unterschiedlichen Programmen für einzelne Aufgaben oder wenige Programme, die dafür sehr umfangreich ausfallen. Durch Komplexität steigt das Gefühl einer unzureichenden Kompetenz oder von Überforderung.
Lösungsansatz:
Der Lösungsansatz für steigende Komplexität liegt in den kontextuellen Schutzfaktoren geteiltes Wissen und verfügbare Ressourcen. Wenn Mitarbeitenden entweder genügend Zeit für Schulungen und zum Einarbeiten in komplexe oder zusätzliche Programme gegeben wird sinkt das Gefühl der Überforderung und fördert den Kontakt zur Medienkompetenz. Zudem senken Unternehmen digitalen Stress, wenn Anwendungen intuitiv und zusammenfassend gestaltet werden. Ein regelmäßiger Newsletter beispielsweise, mit Tipps und Trick zu den jeweiligen Anwendungen, kann ebenso den digitalen Stress durch Komplexität reduzieren.
Omni- und Dauerpräsenz
Belastung:
Die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwindet zunehmend durch die Digitalisierung, was zu einem Gefühl der ständigen Erreichbarkeit und einer Erwartungshaltung von kürzeren Reaktionszeiten führt.
Lösungsansatz:
Hierfür braucht es eine klare Einigung über die Erwartungshaltungen in Bezug auf Kommunikation und Erreichbarkeit. Auch technische Lösungen sind möglich, beispielsweise wird durch ein Ampelsystem angezeigt, ob die jeweilige Person zurzeit erreichbar ist. Mitarbeitende brauchen die Sicherheit und die Willenskraft, sich Ihre Freiräume zur Entspannung zu nehmen. Gerade der Antreiber „Mach es allen recht“ ist in diesem Punkt oft ein Hindernis.
Jobunsicherheit
Belastung:
Mit Voranschreiten der Digitalisierung und Automatisierung fürchten zunehmend mehr Arbeitnehmende um ihre Stellen. Auch diese Angst durch Technologien überflüssig zu werden trägt zu digitalem Stress und sinkender Gesundheit bei. Hinzu kommt der Konkurrenzdruck durch nachrückende Generationen, die eine höhere Medienkompetenz haben.
Lösungsansatz:
Auch hier ist der Schutzfaktor psychologische Sicherheit zusammen mit einer guten Fehlerkultur im Unternehmen zentral. So werden unsichere Mitarbeitende aufgefordert sich mit digitalen Technologien auseinander zu setzen und Fehler auch zuzulassen, um zu lernen. Ein Mentoring-Programm oder regelmäßige Schulungen verringern das Gefühl der Jobunsicherheit und stärkt das Selbstwertgefühl der betroffenen Mitarbeitenden.
Mangelnde Erfolgserlebnisse
Belastung:
Wenn alles nur digital geregelt wird, fällt es schwerer abgearbeitete Aufgaben zu erkennen und Arbeitsfortschritte werden weniger greifbar. Das führt auf Dauer zu Frustration und emotionaler Erschöpfung.
Lösungsansatz:
Gesund mit digitalem Stress umgehen beinhaltet im Punkte Erfolgserlebnisse eine wertschätzende Unternehmenskultur, die die Fortschritte der Mitarbeitenden wahrnimmt und anerkennt. Um individuell den Fortschritt zu messen helfen To-Do Listen und Programme, die erledigte Aufgaben sichtbar machen, damit der Arbeitsfortschritt am Ende des Tages erkennbar ist und die Zufriedenheit steigt.
Resilienz gegen digitalen Stress
Resilienz ist die Fähigkeit mit Stress flexibel umzugehen. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um analogen oder digitalen Stress handelt. Die Schutzfaktoren, die zu einer starken Resilienz und einer hohen Gesundheit am Arbeitsplatz führen, bleiben dieselben. Zum einen können Individuen selbst diese Schutzfaktoren herstellen. Durch Selbstbestimmtes regulieren der Technik-Nutzung, durch Lösungsorientierung, resiliente Kommunikation von Problemen und Tätigkeiten für die eigene Regeneration senken Sie persönlich Ihr Stresslevel.
Auf der anderen Seite liegt es auch in der Verantwortung von Unternehmen die Resilienz der Mitarbeitenden im Umgang mit Technik zu stärken. Das heißt Transparenz, verfügbar machen von Ressourcen, teilen von Wissen, Mitarbeitende mit einbeziehen, psychologische Sicherheit und Wertschätzung sind kontextuelle Schutzfaktoren für einen gesunden Umgang mit digitalem Stress. Dafür braucht es Verantwortungsübernahme und den Willen zur Veränderung.
Nur so schaffen Unternehmen es Krankenstände zu senken, Arbeitsabläufe effizient zu gestalten und Mitarbeitende zu motivieren. Ein Resilienztraining stärkt das Bewusstsein der vorhandenen Risikofaktoren für digitalen Stress und zeigt Möglichkeiten auf, Schutzfaktoren im Unternehmen zu stärken. Für langfristige und nachhaltige Resilienz, um gesund mit digitalem Stress umzugehen, bietet sich ein Resilienz-Lotse® (SMA) an, der als Erinnerungshelfer für Resilienz im Unternehmen zuständig ist.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).