Resilienz – wichtige Kernfähigkeit fürs Leben
Was bedeutet Resilienz? Kurz gesagt: Es ist die Fähigkeit flexibel auf Stress zu reagieren. Das heißt, dass man auch in Krisensituationen oder auf Veränderungen angemessen reagiert und stets wieder ‚aufsteht‘. Sie ist der Schutzschild gegen Belastungen und Basis für ein gesundes, stressfreies und zufriedenes Leben.
Dabei stammt der Begriff eigentlich aus der Werkstoffkunde. Abstammend von „resilire“ bedeutet es so viel wie „zurückspringen“ oder „abprallen“. Der Begriff wird besonders in der Physik verwendet, und beschreibt die Eigenschaft von besonders widerständigen und flexiblen Stoffen. Auch unter großen Einwirkungen von außen kamen diese Materialien immer in ihre ursprüngliche Form zurück. Diese Eigenschaft lässt sich so auf die Psyche übertragen. Resilienz beim Menschen bedeutet, dass er auch nach stressigen Zeiten oder unter widrigen Umständen ‚in seiner Form‘ bleibt, also psychisch gesund ist.
Anfang der Resilienzforschung
Die Anfänge der Resilienzforschung lassen sich in den 1950ern datieren. Die Entwicklungspsychologin Emmy Werner veröffentlichte nämlich eine Studie, in der sie das Phänomen der Resilienz bei Kindern entdeckte. Dazu beforschte sie 40 Jahre lang 700 Mädchen und Jungen auf der hawaiianischen Insel Kauai. Diese Kinder wuchsen unter erschwerten Bedingungen auf – geringe Bildungschancen, zerrüttete Familienverhältnisse, Armut, etc. Normalerweise sieht die Zukunft solcher Kinder nicht gerade rosig aus, doch die Studie zeigte Erstaunliches. Denn auch unter diesen schwierigen Verhältnissen schafften es manche Kinder, ihr Leben ‚erfolgreich‘ zu gestalten.
Werner stellte heraus, dass ca. ein Drittel der beforschten Kinder selbstbewusste, aufmerksame und zielstrebige Erwachsene wurden. Für sie stellten eine intakte Beziehung und ein Beruf keine Probleme da. Es zeigte sich, dass diese Kinder etwas gemeinsam hatten. Diese Kinder waren resilient.
Durch die Beobachtung stellte Werner drei Faktoren zum Aufbau von Resilienz auf:
- Eine emotionale Bindung zu den Eltern oder einer Bezugsperson. Diese Bindung fördert Selbstständigkeit und Vertrauen. Das Kind lernt sowohl aus der eigenen Selbstwirksamkeit zu schöpfen, als auch in schweren Situationen um Rat zu bitten.
- Die gesellschaftliche Unterstützung der Gemeinde. Besonders eine Schule, die haltgebende Werte vermittelt, unterstützt das Kind. Anerkannte Leistungen und geförderte Stärken wirken sich äußerst positiv auf die innere Widerstandskraft aus.
- Eine durchschnittliche Intelligenz und ein positives Temperament. So erfährt das Kind Zuwendung von der Bezugsperson und kann sich durchsetzen. In diesem Kontext wird einem resilienten Kind oft Robustheit und ein soziales Wesen zugesprochen.
Obwohl wir auch im weiteren Verlauf des Lebens noch Resilienz lernen, entwickelt sie sich schon in der Kindheit. Daher ist es wichtig, Kinder zu fördern, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, Geborgenheit zu vermitteln und sie auch unabhängig ihrer Leistungen wertzuschätzen.
Resilienzforschung allgemein
Heute findet Resilienz nicht nur in der Psychologie Anklang, sonders breitet sich in vielen Bereichen und Disziplinen aus. Gemeinsamkeit dabei ist, dass die Forscherinnen und Forscher den Blick besonders auf Ressourcen und den Umgang damit richten. Hierbei ist wichtig zu beachten, dass Resilienz keine Charaktereigenschaft ist, sondern aus dem Wechselspiel aus Schutzfaktoren und Risikofaktoren entsteht. Resilienz ist ein Prozess, der höchst individuell und auch veränderbar ist.
Dabei sind widrige Umstände, wie sexuelle Gewalt, Verlusterfahrungen oder Armut keine zwangsläufigen Voraussetzungen. Sie entsteht durch die Herausforderungen, mit denen wir uns persönlich konfrontiert sehen und durch die Art, wie wir damit umgehen. Wichtig dabei sind die Schutzfaktoren. Die Basis für Resilienz ist ein Umfeld, in dem ein es möglich ist, sich dynamisch anzupassen und weiter zu entwickeln.
Zusätzlich stellt die Forschung heraus, dass Resilienz situationsabhängig ist. So kann man einerseits in einer beruflichen Situation höchst resilient und kompetent reagieren, in einer persönlichen Situation dagegen dennoch verletzlich sein. Das bedeutet, dass diese Fähigkeit zeitlich und auch kompetenzabhängig begrenzt sein kann.
Resilienz ist die psychische Widerstandskraft und eine Bewältigungshilfe für Krisen. Sie ist von Schutzfaktoren abhängig und situationsspezifisch. Und obwohl sie sich meist im Kindesalter bildet, können auch Erwachsene sie trainieren.
Resilienz bildet sich im Hirn?
Auf psychischer Ebene bildet sich Resilienz durch die Schutzfaktoren, sowie beispielsweise die festen Bindungen zu einer Bezugsperson bei Kindern. So lernen wir selbstbewusst und flexibel auf Stress zu reagieren. Doch auch auf neuronaler Ebene ist sie ein echtes Phänomen.
Unser ganz persönliches neuronales Netzwerk bildet sich durch unsere individuellen Biographien. Da hinzu kommt das Zusammenspiel von Anlage und Umwelt. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass ein großer Teil der Resilienz tatsächlich in den Genen steckt. In unserer frühkindlichen Entwicklung zeigt sich so zum Beispiel, ob wir eine starke emotionale Bindung zu einer Peron, wie beispielsweise der Mutter hatten. Daraus resultiert, ob ein Mensch später zu festen Beziehungen fähig ist und seine Affekte kontrollieren kann.
Es stellte sich heraus, dass resiliente Menschen ein anderes epigenetisches Muster aufweisen, als jene Menschen, die weniger anpassungsfähig sind. Wenn Resilienz also genetisch codiert ist, wie können wir sie dann erlernen?
Positive Appraisal Style Theory Of Resilience
Eine Antwort auf die Frage, wie Resilienz dann ‚erzeugt‘ werden kann, lieferte ein Resilienzforschungsteam mit ihrem Ansatz der „Positive Appraisal Theory of Resilience“ – Kurz: PASTOR. In diesem Ansatz verbinden sich die psychologischen und sozialwissenschaftlichen Ansätze mit denen der Neurobiologie, zu einer zusammenfassenden Theorie.
Ausgangspunkt hierbei ist, dass viele psychische Krankheiten eng in Verbindung mit Stress stehen. Beispiel hierfür sind Depressionen, Süchte oder Burn-out. Resilienz ist ein wichtiger Faktor, um diesen Krankheiten entgegenzuwirken. Resiliente Menschen verfügen über Schutzmechanismen, die besonders effektiv gegen Stress und seine Folgen sind. Und das macht sich die Theorie zu Nutze.
Hinter PASTOR steht ein einfaches Prinzip. Eine positive Bewertung von Reizen stärkt Resilienz. Das ist der direkteste Weg, die innere Widerstandskraft zu stärken, denn jegliche andere Faktoren, die positiven Einfluss auf die Resilienz haben, haben eine positive Bewertung als Basis.
Was bedeutet das nun? Der Rückschluss aus dieser Theorie zeigt auf, dass nicht die belastende Situation oder die Reize selbst relevant für den Aufbau von Stress sind, sondern die Bewertung ebendessen. Die Forscher fanden also heraus, dass ein generell positiver Bewertungsstil effektiv gegen psychische Krankheiten, die durch Stress hervorgerufen werden, schützt. So bewerten wir Situationen weniger schnell als stressig und die negative Reaktion darauf vermindert sich oder wird gar verhindert. Die Wahrnehmung spielt also eine große Rolle bei der Stärkung von Resilienz.
Resilienz in der Wirtschaftspsychologie
Neben der Psychologie, der Soziologie und der Neurologie findet der Begriff auch in der Wirtschaftspsychologie große Resonanz. Hier geht es insbesondere um widerstandsfähige Arbeitnehmende, sodass Eigenschaften wie Anpassungs- und Integrationsfähigkeit, Motivation und Lösungsorientierung im Vordergrund stehen. Aus der Sicht von Führungsetagen ist Resilienz wichtig, um die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stabilisieren und so die Produktivität zu erhöhen.
In der Psychologie wird das Konzept als persönliche Fähigkeit verstanden, doch es lässt sich auch auf ganze Unternehmen anwenden. Die organisationale Resilienz beispielsweise befasst sich damit, wie ganze Organisationen agiler und flexibler werden können.
Auch innerhalb solcher Unternehmen finden sich verschiedene Ausführungen von Resilienz. Zum einen werden immer häufiger Teams zur Bewältigung von Aufgaben eigesetzt, sodass es auch eine Team-Resilienz geben kann und sollte. Der Fokus hier liegt dann insbesondere auf Kooperation und Kommunikation. Andererseits ist Stress auch auf Führungsebene natürlich ein großer Faktor. Wichtig Entscheidungen zu treffen und große Verantwortung inne zu haben kann zu einer enormen Belastung führen. Auch hier ist Resilienz eine wichtige Fähigkeit.
Für unterschiedliche Situationen bieten sich natürlich auch unterschiedliche Arten des Resilienz-Trainings an. Es ist situationsabhängig, wie Resilienz hier ab besten zu fördern ist. Fest steht jedoch, dass Jeder Mensch, egal welche Position er gerade bekleidet, einen individuellen Alltag hat und mit seinen persönlichen Stressoren umgehen muss.
Resilienz im Alltag
Resilienz ist eine Fähigkeit, die sowohl in den kleinen stressigen Momenten des Alltags hilft, wie auch in den großen Krisen des Lebens. Durch sie können wir flexibel mit Belastungen umgehen und sind widerstandfähig in unangenehmen Situationen. Es ist auch die Kompetenz aus Erfahrungen zu lernen und die Ergebnisse daraus für zukünftige Herausforderungen ins Leben zu integrieren.
Was zeichnet resiliente Menschen nun aus? Jeder Mensch kann resilient werden, doch es gibt einige Eigenschaften, die eben den feinen Unterschied zwischen flexibel und unflexibel machen.
Die Grundlage für das Leben als ‚Steh-Auf-Männchen‘ entsteht schon in der Kindheit. Hierfür ist das Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in andere Personen ein solides Fundament.
Resiliente Menschen finden schnell Interesse und pflegen eine optimistische Denkweise, sodass sie auch bei ‚Schicksalsschlägen‘ oder Krisensituationen einen positiven Blick wahren. Zudem sorgen resiliente Menschen sich um das eigene Wohlergehen und das der anderen. Achtsamkeit ist hier ein Schlüsselbegriff.
Zudem zeigt sich, dass resiliente Menschen weniger schnell ins Katastrophen-Denken verfallen. Sie sorgen sich weniger um Zukünftiges oder Vergangenes, sondern konzentrieren sich auf das Hier und Jetzt. Wenn wir uns auf den Augenblick konzentrieren, nehmen wir besser wahr, wann eine schlimme Situation tatsächlich vorbei ist und kommen dementsprechend auch schneller drüber hinweg. (Kleine Info am Rande: Die Konzentration auf den Augenblick senkt Blutdruck und sorgt für Entspannung. Sie reduziert Ängste und Sorgen und vermindert Stress).
Neben diesen losen Zuschreibungen von resilienten Menschen gibt es mehrere Modelle, die sich mit der Stärkung von Resilienz befassen.
Wie stärke ich Resilienz: 6 Faktoren
Sie könne Ihre eigene Resilienz jederzeit selbst stärken. Die Resilienzforscher Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse stellen dazu sechs Faktoren auf, die auf resiliente Menschen zutreffen.
Positive Selbstwahrnehmung
Es ist wichtig die eigenen Emotionen und Gedanken genau zu erfassen. Wer sich selbst gut wahrnimmt, kann sich auch besser und damit positiver Einschätzen, statt sich einen Stempel aufzudrücken. Die Beziehung zu sich selbst zu pflegen ist ein wichtiger Schritt für einen guten Umgang mit sich selbst.
Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Die eigenen Fähigkeiten und Stärken, also die Ressourcen, sind bewusst und werden genutzt. Es geht hierbei um das Bewusstsein, dass das eigene Handeln Auswirkungen hat und man selbst in der Position ist, durch sein Handelns an ein Ziel zu gelangen.
Selbststeuerungsfähigkeit
Hier geht es um die Affektkontrolle. Um Stress herunter zu regulieren ist es wichtig die eigenen Gefühlslagen kontrollieren zu können. Durch Beruhigungsstrategien werden so zu hohe innere Erwartungen gedämmt.
Soziale Kompetenzen
Empathie ist hierfür besonders wichtig. Es bedeutet andere Menschen einschätzen und angemessen reagieren zu können. Und man selbst kann auf Menschen zugehen und Bindungen aufrechterhalten.
Problemlösekompetenz
Statt in einer Starre zu verharren, werden Lösungsmöglichkeiten erdacht und das Problem wird direkt angegangen.
Angemessener Umgang mit Stress
Stressige Situationen werden realistisch eingeschätzt und man findet passende Bewältigungsstrategien oder eine externe Hilfestellung.
Wie stärke ich Resilienz: 7 Säulen
Das Modell der sieben Säulen der Resilienz, nach Franziska Wiebel ist ein weiteres Modell zur Stärkung der inneren Widerstandskraft. Ziel ist es, die Säulen auszubauen und ins Gleichgewicht zu bringen. Dabei unterscheiden sich die Säulen zwischen Grundhaltungen und Praktiken.
Die Grundhaltungen:
- Optimismus: Das ist ein positiver, aber auch realistischer Blick auf Situationen und Bewertungen. Krisen werden als zeitlich beschränkt gesehen und Zuversicht hilft beim Überstehen von schweren Situationen.
- Akzeptanz: Es geht hier sowohl um die Selbstakzeptanz und die Selbstannahme, wie auch um die Akzeptanz des Problems. Nur wenn sowohl Hindernis und eigene Grenzen akzeptiert werden ist es möglich, über sich selbst hinaus zu wachsen.
- Lösungsorientierung: Es geht um die eigenen Zielvorstellungen und auch um den Aufbau einer Lösungsstrategie. Die maßgeblichen Faktoren hierfür sind Motivation und zukunftsorientiertes Handeln.
- Bindung: Genau wie für Kinder sind auch für Erwachsene soziale Beziehungen enorm Wichtig. Sie machen einen großen Teil unseres seelischen Wohlbefindens aus.
Die Praktiken:
- Selbstwahrnehmung: Durch einen guten Kontakt mit sich und seinem Körper fällt es einfacher, Stress wahrzunehmen und darauf reagieren zu können.
- Selbstreflexion: Das ist das Feedback an uns selbst und in Abgleichung mit der Fremdwahrnehmung. So können wir unsere Handlungen in Krisensituationen besser einschätzen.
- Selbstwirksamkeit: Wir können aktiv etwas an unserer Situation ändern, oder zumindest können wir ihrer Bewertung arbeiten. Es ist die Erkenntnis, dass Handlungen Folgen haben, die sich ggf. auch auf die Umwelt auswirken.
Resilienz als Modeerscheinung?
Resilienz hat einen enorm breiten Anwendungsbereich und ist eng mit dem Alltag verknüpft. Deswegen droht sie durch Trivialisierung zur Modeerscheinung zu werden. Doch es steckt mehr dahinter. Resilienz ist eine grundlegende Fähigkeit, die für jeden Menschen in sehr vielen Situationen hilfreich ist.
Dabei handelt es sich nicht um eine Maßnahme, um Probleme verschwinden zu lassen. Auch ist es keine Garantie, nie mehr eine Krise zu erleben. Es geht bei der Resilienz um einen flexiblen Umgang mit Stress und das Erlernen von Bewältigungsstrategien, um auch unter widrigen Bedingungen psychisch und physisch gesund zu sein.
Keinem Menschen ist geholfen mit der Denkweise durch sich selbst verbiegen umgeht man Schwierigkeiten. Resilienz ist der innere Schutzschild, den man sich selbst aufbaut und auch aktiv dafür handelt. So könne Sie etwas an ihren Umständen ändern, ohne sich selbst zu verlieren.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienz-Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).