Wir sind chronobiologische Wesen. Mit anderen Worten, jeder von uns trägt eine innere Uhr in sich, die über Wachheit und Müdigkeit bestimmt. Zum Leidwesen mancher stimmen die individuellen Leistungsphasen nicht immer mit den von der Arbeitszeit bestimmten Leistungsphasen übereinander. Resilient zu arbeiten und zu leben bedeutet allerdings, die eigene Chronobiologie zu kennen und für sich zu nutzen.
Die Biologie des Schlafes
Generell sind wir alle tagaktive Lebewesen. Diese Entwicklung hat sich über Zehntausende Jahre im Lauf der Evolution entwickelt.
Dabei ist Schlaf kein einheitlicher Zustand. Es gibt verschiedene Zustände, wobei es normal ist, dass man nachts immer wieder mal aufwacht, im Schnitt sind wir pro Nacht 28-mal wach. Wir können uns nur nicht mehr daran erinnern. Dieses Verhalten liegt in unserer Vergangenheit begründet, ein kurzes wach werden samt „Sicherheitscheck“ und schon ging der Schlaf weiter. Dieses Alarmsystem merken wir besonders in ungewohnter Umgebung, wie zum Beispiel im Hotel. Hier kann eventuell die Umgebung nicht sofort als vertraut erkannt werden und wir werden noch wacher, bis wir sie erkennen.
Wenn Sie nachts wach werden und es merken, freuen Sie sich – Sie sind normal und die Schutzmechanismen Ihres Körpers funktionieren einwandfrei!
Auch die Bewegung nachts ist normal. Wir dehnen unsere Muskeln, spannen sie an und entspannen sie wieder. Die Bewegung funktioniert auch als eine Art Klimaanlage. Je nachdem, ob wir mal eine Extremität unter der Decke herausschieben oder uns im heißen Sommer völlig freistrampeln.
Im Schlaf werden überflüssige Inhalte des Tages gelöscht, Brauchbares wird gespeichert und weiterverarbeitet. 24 Stunden ohne Schlaf hat die gleiche Wirkung wie ein Promille Alkohol, inklusive der Selbstüberschätzung.
Warum wir schlafen
Warum wir schlafen, ist ein wissenschaftlich immer noch nicht ganz geklärtes Geheimnis. Beim Schlaf wechseln sich REM- und Non-REM-Phasen ab. Ihre Funktion ist noch immer umstritten, aber neue Erkenntnisse erlauben fundierte Hypothesen. Eine Erklärung für den Non-REM-Schlaf ist der aus der reduzierten Aktivität resultierende Reparatureffekt für geschädigte Hirnzellen. Diese Theorie basiert auf der Erkenntnis, dass die Körpergröße in Abhängigkeit zur Schlafdauer steht.
Ein Elefant schläft im Schnitt nur 3 Stunden, eine Katze 12,5 und ein Opossum 18 Stunden. Je kleiner ein Tier ist, desto mehr Energie braucht es und desto höher ist die Stoffwechselrate. Dass Stoffwechsel neben verschiedenen Abbauprodukten auch freie Radikale produziert, ist bekannt. Diese hochreaktiven Molekülbruchstücke schädigen und töten zum Teil Zellen. In vielen Geweben kann dieser Schaden durch Teilung vorhandener Zellen behoben werden, die meisten Gehirnregionen produzieren nach der Geburt aber keine neuen Zellen mehr. Mit erhöhter Stoffwechselrate nimmt also der Grad der Schädigung am Gehirn zu, zur Reparatur ist mehr Schlafenszeit nötig.
Eine weitere Hypothese besagt, dass während des REM-Schlafes bestimmte Botenstoffe nicht ausgeschüttet werden. So können sich die zugehörigen Rezeptoren erholen.
Schlafphasen im Detail
Schlaf ist nicht gleich Schlaf. Er hat mehrere Phasen und verändert sich über den Verlauf der Nacht.
1. Der erste Teil des Schlafes besteht aus einem schrittweisen Hinabgleiten in die Tiefen des Traumschlafs. Die Leistungssysteme des Körpers werden heruntergefahren und letztendlich abgeschaltet. Das Schlafhormon Melatonin steuert diesen und auch andere regenerative Prozesse. Immunsystem und Hormonsystem laufen auf vollen Touren, die Reparatur läuft, wir schlafen uns gesund. Gleichzeitig wird im Gehirn Unerwünschtes gelöscht und wichtige Informationen im Langzeitspeicher abgelegt. Jetzt aufzuwachen würde sehr schwer fallen und würde einer großen Anstrengung bedürfen.
2. Im ersten REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) vollbringt unser Gehirn auf einmal Höchstleistungen. Er dauert nur ca. 10 Minuten, aber der Körper steigert die Aktivität, das Herz schlägt und unser Gehirn ist mindestens so aktiv wie während des Tages. Gleichzeitig ist die Muskulatur unseres Körpers extrem entspannt. Weiter geht es wieder in Richtung Tiefschlaf, der Fokus liegt jetzt auf Verdauung und Aufnahme kleinster Bestandteile aus der Nahrung. Es folgt die zweite Tiefschlafphase.
3. Die zweite REM-Schlafphase beginnt, sie ist doppelt so lang wie die erste und erheblich intensiver. Gelernt werden jetzt besonders neu erlernte Bewegungsabläufe. Die Körpertemperatur sinkt jetzt wieder stark ab. Der weitere Übergang in die nächste Tiefschlafphase beginnt. Diese wird nicht ganz so tief werden, wie die vorherigen. Die Reparaturarbeiten werden langsam abgeschlossen, was nicht fertig ist, bleibt bis zur nächsten Nacht liegen.
4. Es beginnt die zweite Hälfte des Schlafes und der Nacht. Unsere Traumphase in Form der dritten REM-Schlafphase dauert nun fast 30 Minuten und die Wahrscheinlichkeit wach zu werden ist enorm. Das Stress-Hormon Kortisol bestimmt jetzt den weiteren Verlauf der Nacht, wir schlafen nicht mehr so tief und unser Körper wird langsam auf das Aufwachen vorbereitet. Es folgt nur noch ein leichter Schlaf, die nächste Traumphase ist schon auf dem Weg.
5. Es folgt eine mit mehr als 30 Minuten lange Traumphase, die Wahrscheinlichkeit, die Träume am nächsten Morgen gut zu erinnern, ist sehr hoch. Der Körper nimmt wieder an Aktivität zu, der Hunger regt sich und die Körpertemperatur ist nach der nächtlichen Abkühlung fast wieder auf normalem Level. Hier kann für den einen oder anderen schon die Nacht zu Ende sein.
6. Ein letztes Mal kommt es zum Traumschlaf – mit ca. 45 Minuten die längste der Nacht. Die Kortisolkonzentration ist jetzt so hoch, wie den ganzen Tag nicht mehr – sie funktioniert als unser biochemischer Wecker.
Wie lange soll man denn nun schlafen? An dieser Grafik ist gut erkennbar, dass der Schlaf in Zyklen von ca. 1,5 Stunden abläuft. Das heißt, wenn die Nacht kurz wird, genau auszurechnen, wann man den Wecker stellt. Nach drei Stunden hat man zwei Tiefschlafphasen gehabt, nach 4,5 Stunden befindet man sich sogar schon wieder im Aufwachmodus. Ideal sind mindestens sechs, eher 7,5 Stunden.
Die Chronobiologie
„Der frühe Vogel fängt den Wurm“, heißt es für die einen, „der frühe Vogel kann mich mal“, für die anderen. Was aber ist der Unterschied zwischen den Morgenmuffeln und denen, die morgens um 5 Uhr aufstehen und ab 6 Uhr Höchstleistungen vollbringen? Was undenkbar für die einen, ist die effiziente Realität der anderen.
Den Grund dafür hat die Wissenschaft in den Genen der Menschen gefunden. Unterscheiden kann man drei Typen: den zahlenmäßig dominierenden Normaltyp, auf Platz 2 die sogenannten Eulen und auf Platz 3 die Lerchen.
Die Eule wird dadurch gekennzeichnet, dass sie später munter wird und abends länger fit bleibt. Die Lerche kennzeichnet eine frühe geistige und körperliche Fitness, einhergehend mit dem Drang, früh ins Bett zu gehen.
Wie aber funktioniert das genau? Kann man sich an das eine oder andere gewöhnen? Und wie verändert sich dieser Rhythmus über den Lebenszyklus des Menschen?
Die Bedeutung der Chronotypen
Vorweg eine einfache aber zentrale Tatsache: Man kann seinen eigenen Chronotypen nicht ändern, bzw. sich an etwas anderes gewöhnen. Dies liegt in den Genen begründet. Um auf Dauer effektiv zu arbeiten und in seine eigenen Rhythmus zu sein ist es notwendig, die Arbeitszeiten der eigenen Biologie anzupassen. Das dem Arbeitgeber zu erklären ist insofern einfach, als die eigene Produktivität, Kreativität und Gesundheit bei Chronotypen-gerechtem Arbeiten optimal ist. Jemanden im permanenten Jetlag arbeiten zu lassen ist nicht im Sinne des Erfinders und kann nicht im Sinne des Unternehmers sein.
Der Körper des Menschen wird von inneren Zeitgebern gesteuert, welche in jeder Zelle zu finden sind. Die zentrale Steuerung erfolgt über eine „Masteruhr“ im Gehirn, die über das Sonnenlicht getaktet wird. Morgenlicht stellt die innere Uhr vor, Abendlicht nach. Will man auf diese Taktung bewusst Einfluss nehmen, so ist aber mehr erforderlich, als eine 100-Watt-Lampe. Gemessen wird die Helligkeit in Lux. Ein Innenraum kommt meist nur auf 100-200 Lux. Draußen ist es aber selbst an einem bewölkten Tag 10 000 Lux hell, bei Sonnenschein sogar mehr als 100 000 Lux. So genannte Lichtduschen mit 10 000 Lux können im Winter bei der Taktung helfen. Ein Lichtwecker, der einen Sonnenaufgang simuliert, kann eine gute Alternative zum piependen Handy sein.
Die inneren Zeitgeber bestimmen die Aktivität, Ressourcen und Möglichkeiten des eigenen Körpers über die 24 Stunden eines Tages hinweg. Das heißt, dass unsere innere Uhr unseren gesamten Stoffwechsel steuert und an den Tagesrhythmus anpasst. Den Anfang macht die nächtliche Kortisol-Ausschüttung, um den Körper auf Touren zu bringen. Bleibt diese aus, weil es für die innere Uhr noch nicht an der Zeit ist, schläft der Körper noch beim Aufwachen. So sind Morgenmuffel zu erklären, der Körper braucht noch seine Zeit. Angesteuert werden außer dem Schlaf-wach-Rhythmus der Blutdruck, die Herzfrequenz, die Körpertemperatur und der Hormon-Level. Beeinflusst werden dadurch u.a. die Konzentrationsfähigkeit, die Muskelkraft und die Sehschärfe. Mit anderen Worten: Schlaf ist ein wichtiger Resilienzfaktor.
Von Eulen und Lerchen
Bei Eulen tickt die innere Uhr langsamer als normal, ein Tag ist eigentlich erst nach 25 Stunden beendet. Es folgen die Probleme, die auftreten, wenn die Armbanduhr zu langsam geht – man kommt zu spät. Bei Lerchen ist die innere Uhr beschleunigt, der Tag ist schon nach 23 Stunden beendet. Der Tag ist früher beendet und fängt entsprechend auch früh wieder an.
Für Eulen wie für Lerchen ergeben sich eine Reihe von Problemen. Besonders Eulen leben in einem permanenten Jetlag, das Schlafdefizit, was sich von Tag zu Tag ansammelt, muss am Wochenende ausgeglichen werden.
Eine weitere Beobachtung ist spannend. Über die Lebensspanne verändert sich die innere Taktung. Kleine Kinder und ältere Menschen sind Lerchen, die innere Uhr zwingt sie aus dem Bett. Jugendliche zählen zu den klassischen Eulen und kommen kaum aus den Federn. Dies ist ein Grund für die Forderung, die Schule in den höheren Jahrgängen ein bis zwei Stunden später anfangen zu lassen. Erst ab dem 20. Lebensjahr normalisiert sich dies auf den Chronotypen, welcher sie bis ins Alter sein werden.
Die Kenntnis des Chronotypen ist von immenser Bedeutung für die eigene Leistungsfähigkeit und in der Folge auch für die eigene Arbeit. Ein offensiver Umgang mit den eigenen Stärken ist dabei besser, als ein langes Arbeitsleben im Jetlag.
Welcher Chronotyp sind Sie?
Die Chronobiologie sagt über einen Menschen aus, ob er seine Leistungsfähigkeit früh (Lerche) normal oder spät (Eule) erreicht. Diese Bestimmung wird von der inneren Uhr vorgegeben und ist ein stabiler genetischer Faktor.
Bei der Lerche (seltenster Chronotyp) dauert, laut innerer Uhr, der Tag nur ca. 23 Stunden. Ihre Merkmale: morgens früh fit, weit vor der regulären Arbeitszeit schon arbeitsfähig, abends schnell müde. Ihre effektivste Zeit zu arbeiten ist zwischen 6 – 14 Uhr.
Beim Normal-Typ (mit Abstand häufigster Chronotyp) dauert, laut innerer Uhr, der Tag ca. 24 Stunden. Merkmale: gleichmäßiger Tagesverlauf, bei ausreichend Schlaf morgens wie abends fit, zur regulären Arbeitszeit arbeitsfähig. Seine effektivste Zeit zu arbeiten ist zwischen 8 – 16 Uhr.
Die Eule ist auf Platz 2 der Chronotypen. Ihr Tag dauert, laut innerer Uhr, ca. 25 Stunden. Als Merkmale kann man beobachten: morgens erst später fit, weit nach der regulären Arbeitszeit erst arbeitsfähig, abends spät müde. Ihre effektivste Zeit zu arbeiten ist zwischen 10 – 18 Uhr.
Anmerkung: Die effektivste Zeit zu arbeiten kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Sie soll lediglich eine Tendenz zeigen. Eulen können teilweise auch deutlich später mit dem Arbeiten beginnen und entsprechend länger arbeiten.
Sebastian Mauritz, M.A. Systemische Beratung, ist einer der führenden Resilienzexperten Deutschlands. Er ist 5-facher Fachbuchautor, Keynote-Speaker, Resilienz-Lehrtrainer, Systemischer Coach, Vorstand in vielen Coach- und Trainer-Verbänden und Unternehmer. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich individuelle Resilienz und Prosilienz®, resilienter Führung und Teamresilienz. Er ist Initiator des Resilienz-Online-Kongresses, in dessen Rahmen er sich mit über 50 weiteren Resilienzexpert:innen aus verschiedenen Disziplinen austauscht (www.Resilienz-Kongress.de).